Pharmasponsoring

BAG: Keine Selbsthilfe in der Apotheke

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Berlin -

Selbsthilfegruppen sind für ihre Arbeit auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Die Pharmabranche steht schnell im Verdacht, mit ihrem Sponsoring vor allem bisher wenig verordnete Medikamente bekannt machen zu wollen. Doch auch die Rolle der Apotheker wird hinterfragt: „Wir finden es problematisch, wenn Apotheker Selbsthilfegruppen zu sich einladen“, sagte Dr. Martin Danner, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG), am Rande einer Veranstaltung des Verbands der Ersatzkassen (VDEK).

Eine Broschüre des VDEK mahnt Selbsthilfegruppen zur Vorsicht bei der Annahme von Spenden und Sponsoring. Unter dem Titel „Ungleiche Partner – Patientenselbsthilfe und Wirtschaftsunternehmen im Gesundheitssektor“ gibt sie Organisationen Tipps an die Hand im Umgang mit angebotenen Pharma-Finanzspritzen. Die überarbeitete Broschüre soll Akteure der Selbsthilfe für das Problem der Einflussnahme sensibilisieren – vor allem ihre Verbände.

Laut dem Vorsitzenden der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AKDÄ), Professor Dr. Wolf-Dieter Ludwig, versuchten die Hersteller die Patienten immer mehr über vermeintliche Informationen zur Selbsthilfe in ihrem Sinne zu beeinflussen – genau wie die Mediziner selbst. Dies gelte vor allem für Präparate mit zweifelhaftem medizinischen Nutzen, von denen in diesem Jahr so viele wie noch nie auf den Markt gekommen seien.

„Die Industrie ist kein geeigneter Ratgeber“, sagte Ludwig. Er sprach sich generell gegen eine finanzielle Förderung der Selbsthilfe durch die Pharmabranche aus. Diese versuche auch über die Ärzte, Zugriff auf die Patienten zu bekommen – etwa über Gastbeiträge in Mitgliederzeitschriften der Selbsthilfeorganisationen.

Doch auch die Apotheker sind aus seiner Sicht nicht unabhängig: Als Marktteilnehmer seien sie vor allem am Verkauf von Arzneimitteln interessiert, so Ludwig, der besonders im OTC-Segment falsche Anreize sieht.

Pro Jahr überweisen die Pharmafirmen laut Schätzungen 5,6 Millionen Euro an die Selbsthilfeorganisationen. Von den Krankenkassen kommen dieses Jahr insgesamt rund 45 Millionen Euro. Die Ersatzkassen als größte Kassenart haben nach eigenen Angaben mit 16,9 Millionen Euro daran den größten Anteil. Laut der Sozialgesetzgebung sind aktuelle 64 Cent pro Versicherten für die Selbsthilfe fällig. Diese Zuwendungen haben sich seit 1999 versechsfacht.

Der VDEK begrüßt angesichts der begrenzten öffentlichen Mittel für die Selbsthilfe die Beteiligung der Privatwirtschaft – allerdings nur im Rahmen von Lösungen, die eine gezielte Beeinflussung von Patienten durch Unternehmen ausschließen. Ansonsten drohe die Gefahr, dass die Organisationen ihre Unabhängigkeit verlieren. „Damit haben wir ein Problem“, sagte VDEK-Chefin Ulrike Elsner.

Sie forderte die Pharmaindustrie auf, ihre Zuwendungen mindestens einmal im Jahr detailliert zu veröffentlichen. Außerdem solle ein Fördertopf eingerichtet werden, in den spendenwillige Unternehmen einzahlten. Eine unabhängige Instanz würde das Geld dann verteilen. Die Industrie lehne solche Pool-Lösungen bislang rigoros ab.

Um die Mittel der Pharmaindustrie trotzdem weiter nutzen zu können, hat die BAG ihren mehr als 100 Mitgliedern schon 2003 Leitlinien an die Hand gegeben und betreibt ein aufwendiges Monitoring. Maßgabe der BAG ist, dass der Anteil der Pharmamittel an den Budgets der Selbsthilfeorganisationen so niedrig sein muss, dass die Industrie keinen Einfluss auf ihre inhaltliche Arbeit haben kann. Die Grenze liegt bei 15 Prozent. Wird diese überschritten, müssen sich die Organisationen vor einem Ausschuss rechtfertigen.

Ab 40 Prozent liegt ein Verstoß gegen die Leitlinien vor. Falls ein Verband nichts gegen den Verstoß unternimmt, droht ihm die Veröffentlichung auf der Homepage der BAG. Die Selbstverpflichtung der Pharmaunternehmen, beim Sponsoring von Patientenorganisationen selbst für Transparenz zu sorgen, hält BAG-Geschäftsführer Danner für nicht ausreichend.











 

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