Kommentar

Das rettende Ufer brennt

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Düsseldorf -

Mehr Geld für die Anfertigung von Rezepturen, die Dokumentation bei Betäubungsmitteln (BtM) und den Nachtdienst, neue Honorare für neue Leistungen und ein höheres Fixum – die Forderungen der Apotheker sind auch zum diesjährigen DAT umfassend. Kernthema bleibt das Medikationsmanagement – Honorarhoffnung und Lieblingsprojekt des ABDA-Präsidenten in einem. Das ist sehr ehrgeizig.

Eine Erhöhung ihres Fixhonorars werden die Apotheker in dieser Legislaturperiode kaum durchsetzen können. Die Politik macht jedenfalls bislang keine Anstalten. Bei Nachfragen wird allenfalls auf die schon länger nicht angepassten BtM- oder Rezeptur-Honorare hingewiesen. Hier den Apothekern Zugeständnisse zu machen, wäre notfalls auch massenkompatibel und kostet nicht viel Geld. Die Apotheker können allenfalls Peanuts erwarten.

Die Politik verspürt beim Fixum keinen Druck. Der kontinuierliche Rückgang an Apotheken hat für die ABDA noch nicht die nötige Schwungkraft erreicht, um die Verantwortlichen zumindest auf lokaler Ebene in Bewegung zu versetzen. Ob die Apotheker selbst zu einem Protestmarsch bereit wären, traut sich die Standesvertretung bislang gar nicht zu fragen.

Beim Medikationsmanagement hat die ABDA dagegen klare Vorstellungen davon, was sie will. Und das ist alles mehr als nachvollziehbar: So sind tatsächlich nur gesammelte Informationen über die Medikation eines Patienten eine ernsthaft nutzbare Grundlage. Ein unvollständiger Plan ist kaum das Papier wert, auf dem er steht. Logisch ist auch, dass eine umfassende Medikationsanalyse mit -management nach den Kriterien der ABDA so umfassend ist, dass sie extra vergütet werden müsste. Wer sich Zeit nehmen will, mit Patienten auch einmal über Farbe und Geschmack ihrer Tabletten zu sprechen, der muss sie sich auch nehmen können. Genau das fordern die Apotheker. Und genau das ist das Problem.

Was für Apotheker logisch klingt, muss sich dem Gesetzgeber noch lange nicht erschließen. Ein Beleg ist die fast böswillige Beharrlichkeit, mit der die Regierung den Apothekern den Zutritt zum E-Health-Gesetz verwehrt. Die Hoffnung der ABDA auf die dritte Lesung im Bundestag ist eine vage.

Da sind auf der einen Seite die Kassen. Sie befürchten unkalkulierbare Kosten und insgeheim eine Selbstbedienungsmentalität seitens der Apotheker – und sei es nur zur Bindung umschmeichelter Kunden. Deshalb werden die Apotheker von schmaleren Projekten links und rechts überholt, die Aktivität demonstrieren, dabei aber eine regelhafte Honorierung torpedieren.

Der GKV-Spitzenverband hat zu der Frage eine sehr klare Haltung: Die Arzneimittelberatung ist mit dem aktuellen Apothekenhonorar voll abgegolten. Damit sind die Apotheker bereits in der Zwickmühle, wollen sie ihre aktuelle Leistung nicht schlecht reden.

Mehr Geld darf es aus Sicht der Kassen nur für echte Mehrleistung geben. Weil damit die Standardleistung automatisch in ihrem Wert herabgesetzt wird, wird der GKV-Spitzenverband also schnell mit dem Rotstift ans Fixum gehen. Das ist der Weg, den Professor Dr. Gerd Glaeske den Kassen seit Jahren weist.

Honorar nach Leistung klingt gerecht. Aber man verliert dabei schnell die Unschärfen und administrativen Reibungsverluste aus dem Blick. Der Vergleich mag weit her geholt sein: Aber der „Toilettenmann“ bekommt mehr Geld auf seinen Teller, wenn er daneben sitzt, als wenn er sauber macht. Vielleicht wird er auch deshalb neudeutsch Facility-Manager genannt.

Die Apotheker wollen Arzneimittel-Manager werden. Sie wollen aber ihr packungsbezogenes Honorar auf keinen Fall aufgeben und das wäre auch brandgefährlich. Doch wenn eine zusätzliche Leistung zusätzlich vergütet werden soll, muss diese auch zusätzlich erbracht werden.

Ein umfassendes Medikationsmanagement müssen im neuen Verteilungskampf – und ohne den wird es nicht gehen – nicht nur alle Apotheken leisten wollen, sie müssen es auch können. Kommt alles so wie die ABDA es sich bei der Neuausrichtung des Berufsstandes wünscht, wird sich die Personalknappheit in der Offizin weiter verschärfen.

Doch angenommen, die Apotheker überzeugen beide – Politik und Krankenkassen – von ihrer Medikationsanalyse. Dann warten am anderen Ufer die Ärzte mit Brandfackeln und Äxten. Sie werden den Apothekern keinen Zoll Raum abgeben. Sobald auf der einen Seite bestimmte Reizworte fallen, tönt es „Dispensierrecht“ zurück. Die Ärzte – insbesondere die Hausärzte – fühlen sich allein für ihre Verordnungen verantwortlich. Und den Apothekern trauen sie die Kontrolle auch nicht wirklich zu.

Das Dilemma der Apotheker: Je plausibler sie gegenüber der Politik den Bedarf für ihre zusätzliche Leistung darlegen, desto mehr werden sich die Ärzte angegriffen fühlen. Es ist ein Naturgesetz der Gesundheitspolitik, dass Misstrauen und Neid exponentiell zum Geldbetrag steigen, den es zu verteilen gibt.

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