Wie wird KI das Gesundheitswesen verändern? Was sind die Vorteile, Risiken und Chancen durch KI – auch für die Apotheke? Zu diesen Fragen äußerte sich der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium (BMG), Dr. Georg Kippels (CDU), heute im Rahmen der diesjährigen VISION.A. „Wir sollten uns offen und diskussionsbereit gegenüber dieser Technologie zeigen“, erklärte Kippels.
KI sei ein ernstes, aber auch ein sehr innovationsträchtiges Thema, erklärte Kippels. „Ich glaube, es ist heutzutage überhaupt nicht mehr wegzudenken, dass man beim Stichwort Digitalisierung im nächsten Atemzug sofort zur Künstlichen Intelligenz übergeht.“ Das Thema Digitalisierung beschäftige das Gesundheitswesen bereits seit fast 20 Jahren, aber die Perfektion an dieser Stelle sei bisher noch nicht erreicht worden. „Nun ereilt uns seit jüngerer Zeit ein weiterer Baustein, der unbeschreibliche Aufmerksamkeit in diesem Kontext auslöst und auf den natürlich auch ungeheure Hoffnungen gesetzt werden“, so Kippels.
Während Digitalisierung Abläufe optimieren oder Organisationsabläufe ordnen und somit viel Zeit einsparen könne, liege die Hoffnung bei KI in der analytischen Seite der Datenverarbeitung. Die Erkenntnisse aus der Zusammenführung zahlreicher Erfahrungen und Daten aus dem Gesundheitswesen sollen der KI zur Verfügung gestellt werden, um darauf basierend „präzise und zukunftsorientierte Entscheidungen und Entscheidungsprozesse“ zu ermöglichen.
Diese Erkenntnisse müssten dann interaktiv mit den Patientinnen und Patienten kommuniziert werden. „Ich glaube, das ist ein Faktor, der vielleicht an dieser Stelle nochmal ganz besonders hervorgehoben werden muss: das aktive Kommunizieren“, betonte Kippels. „KI wird nicht irgendwelche Menschen in unserem Versorgungssystem ersetzen können und sollen – und in der Apotheke schon mal überhaupt nicht“, stellte Kippels klar. Apotheker würden in der Bevölkerung ein hohes Vertrauen genießen, das durch die persönliche Beratung geprägt sei.
Die Apotheke sei im Gesundheitssystem einer der entscheidenden „Tatorte“, wo KI tatsächlich „messerscharf“ angewendet werden könnte. Als Beispiel nannte Kippels die Frage der unbeabsichtigten Wechselwirkung. Bei Patienten, die beispielsweise mehr als fünf Medikamente regelmäßig einnehmen, sei bei zunehmender Komplexität der Behandlungsabläufe das Risiko hoch, dass durch das Aufeinandertreffen verschiedener Wirkstoffe bei unterschiedlicher körperlicher Gegebenheit Risiken entstehen, die vorher weder absehbar waren.
„Hier muss schnell, präzise und patientenorientiert reagiert werden, und hier glauben wir, dass gerade in der Apotheke durch die Anwendung von KI und die sekundenschnelle Auswertung der Medikationspläne ein großer Nutzen und Mehrwert für die Patienten generiert werden kann“, so Kippels. Aber auch bei anderen medizinischen Fragestellungen, die von Patienten an die Apotheke gerichtet werden, könnte durch die Einschaltung von KI präzise ein Mehrwert entstehen.
Das BMG setze sich aktuell „äußerst intensiv“ mit KI auseinander, bestätigte Kippels. Bei KI handle es sich um einen internationalen Prozess, „den wir weder entgehen können noch entgehen wollen, von dem wir uns aber auch insbesondere nicht überholen lassen dürfen“, mahnte Kippels. Es sei eine wichtige Aufgabe, bei den großen internationalen Playern auch die KI-Forschung im europäischen Raum zu stärken und weiterzuentwickeln. Dies gelinge nur, wenn auf den gesamten europäischen Datenraum zurückgegriffen werden könne. „Das ist die relevante Größe, die wir berücksichtigen müssen“, so Kippels.
Man dürfe zudem nicht den Fehler machen, einem „technologischen Perfektionswahn“ nachzulaufen, dass man durch theoretische Überlegungen in einem Ministerium 100 Prozent Sicherheit, Perfektion und Präzision schaffen könne. Dies müsse im Laufe des Versorgungsprozesses gesichert und begleitet hergestellt werden.
„Mit dem Forschungsdatenzentrum und dem europäischen Gesundheitsdatenraum haben wir genug Mitstreiter, die uns in der Entwicklung, aber auch im Füttern dieses Systems kompetent begleiten können“, erläuterte Kippels. So könnten treffgenaue Diagnostik und vor allem eine präzise auf den Patienten abgestellte Therapie auf den Weg gebracht werden.
Die Bevölkerung sei der KI überwiegend positiv eingestellt, so Kippels, auch wenn es immer wieder Debatten bezüglich der Datensicherheit und der Beherrschbarkeit des Systems gebe. „Wir müssen uns hier auch auf die Gewissenhaftigkeit und vor allem die Kompetenz unserer eigenen Wissenschaftler und unserer Forschungssysteme verlassen.“
Auch ethische Fragen stellten sich in der Anwendung von KI, erklärte Kippels. Beispielsweise in der Frage, wann und wie Erkenntnisse aus der KI im Hinblick auf Risikofaktoren oder Früherkennung an den Patienten weitergegeben werden sollen und den Patienten möglicherweise unnötig verunsichern oder beängstigen könnten. Hier müssten die Vorteile einer frühzeitigen Offenbarung von entsprechenden Erkenntnissen aus der KI gegenüber den Nachteilen einer dann daraus resultierenden noch langen Entwicklungsphase des Gesundheitszustands des Patienten abgewogen werden.
„Die Zukunft passiert auch ohne uns; sie wird aber besser, wenn sie mit uns passiert“, schloss Kippels.
Die gesamte Konferenz zum Nachschauen gibt es hier (ab 31:21):
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