KKH

Kailuweits Hausaufgabenliste

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Berlin -

Wehmut in der Parlamentarischen Vertretung: Der „22.Berliner Dialog“ war der letzte für Ingo Kailuweit. Der Vorstandsvorsitzende der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) geht im September nach 45 Jahren in Rente. Vorher hat er eine Art Hausaufgabenliste für die Branche gemacht.

„Wir glauben, dass es ungenutzte Möglichkeiten gibt“, sagt Kailuweit. „Der Markt reagiert sofort, das Gesundheitswesen nicht.“ In seiner Präsentation „Ambulante Versorgung in der Sackgasse? Chancen und Lösungsansätze für eine bessere und zukunftsorientierte Versorgungsqualität“ bot der KKH-Chef ein Potpourri an Zahlen, die aktuelle und künftige Probleme der Gesundheitsbranche dokumentieren.

Chronische Erkrankungen verursachen in Deutschland demnach rund drei Viertel aller Todesfälle und ein Viertel der Krankheitskosten. Positiv ist zu verzeichnen, dass bei Krankheiten wie Alzheimer und Demenz ein Rückgang des Erkrankungsrisikos erwartet wird. Anders sieht es bei Diabetes mellitus aus: Rund 4,1 Millionen Menschen zwischen 18 und 79 Jahren sind an Typ 2 Diabetes erkrankt.

62 Prozent der über 65-Jährigen sind multimorbid: Durchschnittlich bestehen sieben Erkrankungen gleichzeitig – darunter Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, koronare Herzkrankheiten, Diabetes mellitus, Rückenschmerzen in Verbindung mit einer Gelenkarthrose.

Statistische Zahlen und die Ängste der Menschen sind, was Gesundheit betrifft, seit Jahren besorgniserregend. So glauben zum Beispiel 78 Prozent der befragten 20- bis 34-Jährigen einer Allensbach-Umfrage von 2014, dass die Gewährleistung der Pflege älterer Menschen in Zukunft schwieriger werden wird. 64 Prozent befürchten, dass die Krankenkassen weniger Leistungen übernehmen werden, 61 Prozent meinen, dass viele Jüngere ältere Familienangehörige pflegen werden.

„Die Zahl der altersbedingt aus dem Arbeitsleben scheidenden Ärzte wird in den nächsten Jahren überproportional steigen. Die Frage ist, ob der Nachwuchs den zusätzlichen Bedarf decken kann“, sagt Kailuweit. 2015 lag das durchschnittliche Alter niedergelassener Vertragsärzte und Psychotherapeuten bei 54 Jahren. Zum Vergleich: 2005 waren es 51 Jahre.

Rund 9500 Studenten nahmen 2015 ihr Medizinstudium auf, 6000 davon sind Frauen. Die neue Ärzte-Generation, so Kailuweit, brauche neue Lösungen. „Der Fokus liegt zunehmend auf Work-Life-Balance und besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf.“

Auch die Nachfrage nach Teilzeitangeboten steige, für die Wahl des Wohnortes seien die Verfügbarkeit von Kinderbetreuung und Schulen entscheidend und der Trend der Urbanisierung zeige sich auch bei den Ärzten. Eine Landarztpraxis ist im 21. Jahrhundert für viele Ärzte nicht mehr erstrebenswert.

Das ist keine neue Erkenntnis, nur Klagen allein hilft nicht, das Problem zu lösen. Interessantes Detail: Knapp ein Viertel der Medizinstudenten stammt aus ländlichen Regionen – nur neun Prozent wollen später dorthin zurück.

Langeweile wird bei Kailuweits Nachfolger Wolfgang Matz nicht aufkommen, auf der Agenda der Kassenärztlichen Vereinigungen stehen laut Einschätzung des aktuellen KKH-Chefs vier Hauptpunkte: Die Morbidität der Bevölkerung und die ärztliche Versorgung entwickeln sich nicht im Gleichklang. Die Überversorgung wird nicht abgebaut. Die Unterversorgung nimmt strukturell zu und verschiedene Maßnahmen zu ihrer Vermeidung erzielen bisher nicht den gewünschten Effekt. Auf allgemeine gesellschaftliche Trends wird nur zögernd reagiert. Kurzum: Für Kassen und die nächste Bundesregierung bleibt viel zu tun.

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