Bayern

Ministerium fördert Zuweisungs-App

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Berlin -

Auf dem Land sind die Wege für Patienten weit. Da kann es für Apotheken zum Wettbewerbsvorteil werden, wenn sie diese Wege verkürzen. Entsprechend wichtig sind Botendienste und Rezeptsammelstellen. Eine Apothekengruppe in der Oberpfalz ist noch einen Schritt weitergegangen und hat ein System entwickelt, das Ärzte mit Apotheken und Sanitätshäuser vernetzt – bislang allerdings nur die der „Schug-Gruppe“.

Das Modellprojekt, das seit März 2014 läuft, trägt den Titel „Mediheld“. Die Idee dafür hatte Apotheker Hubert Schug, der die Leistungserbringer besser miteinander vernetzen wollte. „Auf dem Land ist die Versorgung schwierig, da können schon ein bis zwei Tage vergehen, bis das Medikament beim Patienten ist“, erklärt Apotheker Dr. Markus Schäfer, der das Projekt in der Schug-Gruppe betreut.

Zur Schug-Unternehmensgruppe gehören vier Apotheken, drei Sanitätshäuser sowie ein Verwaltungs- und Logistikzentrum in Eschenbach und Umgebung. Schug Medical stellt Medizinprodukte für Ärzte und medizinisches Fachpersonal her, etwa Verbandstoffe oder Produkte zur Desinfektion, und Schug Medical Service unterstützt die Ärzte beim Hygiene, Qualitäts- und Praxismanagement.

Zusammen mit dem Softwarehersteller GroupXS hat Schug eine App entwickelt, die die verschiedenen Akteure miteinander verbinden soll: Apotheken, deren Fahrer, Ärzte, Pflegedienste, Sanitätshäuser und Patienten. Diese können sich beim Arzt dafür entscheiden, das System zu nutzen. Der Arzt kann das benötigte Arzneimittel in der Apotheke vorbestellen und angeben, dass der Patient es geliefert bekommen möchte. Die Apotheke kann das Medikament bereits bestellen und holt das Rezept später in der Praxis ab.

„Der Patient kann sich aber auch dafür entscheiden, das Rezept mitzunehmen und es dann in einer anderen Apotheke einlösen“, betont Schäfer. Entscheide sich der Patient für die Nutzung von Mediheld, stimme er zu, dass die Arzneimittel von den Schug-Apotheken geliefert würden. Auch bei Hausbesuchen ist das Programm aus Schäfers Sicht sinnvoll: „Der Arzt bekommt ein Tablet, kann dann die Apotheke oder das Sanitätshaus auswählen und die nötigen Produkte bestellen.“ Zudem würden auch die Pflegedienste darüber informiert, dass Präparate oder Medizinprodukte bereits geordert wurden.

Rezeptfreie Arzneimittel und Folgeverordnungen können Patienten auch direkt über Mediheld bestellen, ähnlich wie bei dem Portal Ordermed von Markus Bönig. Ist das Präparat verschreibungspflichtig, fordern die Patienten über die Plattform ein Rezept beim Arzt an. Damit initiieren sie auch die Auslieferung über die Schug-Apotheken: Der Arzt stellt das Rezept aus und leitet es – wie vom Patienten gewünscht, betont Schäfer – an die Apotheke weiter. Die schickt einen Boten oder hält das Arzneimittel zur Abholung bereit.

Da der Patient die Hoheit über seine Daten hat und jedes Mal aufs Neue entscheiden kann, ob sein Rezept über Mediheld den Schug-Apotheken zugeleitet wird oder ob er es in einer anderen Apotheke einlösen möchte, sieht sich die Schug-Gruppe mit ihrem Projekt rechtlich auf der sicheren Seite. Um ganz sicher zu gehen, habe man außerdem ein Gutachten bei Professor Dr. Stephan Rixen in Auftrag gegeben, der an der Universität Bayreuth den Lehrstuhl für öffentliches Recht inne hat.

Auch die Botenfahrten sollen mit Mediheld besser organisiert werden. „Wir haben zwischen 30 und 60 Lieferungen pro Tag“, so Schäfer. Mit Mediheld kann die Apotheke schon am HV-Tisch angeben, dass ein bestimmtes Arzneimittel ausgeliefert werden soll und was dabei zu beachten ist: Unterliegt das Arzneimittel der Kühlpflicht? Ist es ein Betäubungsmittel? Muss noch kassiert werden? Wurde bereits pharmazeutisch beraten? Ist Letzteres nicht der Fall, muss der Fahrer den Patienten noch darauf hinweisen, dass er jederzeit in der Apotheke anrufen könne und ihm im Zweifelsfall sein Smartphone dafür zur Verfügung stellen. Der Bote wiederum erfährt auf diese Weise im Laufe des Tages, welche Fahrten auf ihn zukommen, und kann seine Route entsprechend planen.

Das Mediheld-System wurde von März 2014 bis August 2015 erprobt. In dieser Phase waren die Schug-Apotheken in Eschenbach und Windischeschenbach, das Schug-Sanitätshaus und eine Gemeinschaftspraxis mit drei Ärzten miteinander vernetzt. Insgesamt wurden Schäfer zufolge 3500 Lieferungen aus dem Sanitätshaus und 10.000 Auslieferungen aus den Apotheken über die App organisiert. Die Möglichkeit, selbst Arzneimittel zu bestellen, hat hingegen nur eine Handvoll Kunden genutzt.

Die Entwicklung von Mediheld hat laut Schäfer rund 800.000 Euro gekostet – davon entfielen 500.000 Euro auf die IT-Entwicklung. Das Bayerische Wirtschaftsministerium hat das Projekt mit 400.000 Euro gefördert.

Schug habe sich mit seiner Idee an den Verein „Medical Valley Europäische Metropolregion Nürnberg“ gewandt, erzählt Schäfer. Der Verein ist eines der größten Medizintechnik-Cluster mit mehr als 100 Mitgliedern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Gesundheitsversorgung, die es sich zum Ziel gesetzt haben, die Gesundheitsversorgung dauerhaft zu verbessern. Derzeit werden mehr als 40 Produkte und Dienstleistungen entwickelt. Über das Cluster kam der Kontakt zu dem Softwarehersteller GroupXS zustande.

Nun will die Schug-Gruppe die App in die Fläche bringen, „damit auch andere Apotheken und Sanitätshäuser sie nutzen können“, so Schäfer. Die Lizenz wird von der IT-Firma GroupXS vergeben, die Schug-Gruppe ist für Vertrieb und Schulungen zuständig. „Das System ist modular aufgebaut, denn nicht jede Apotheke braucht alles“, erklärt alles. Für das Komplettpaket sollen Apotheken und Sanitätshäuser einmalig eine Einrichtungsgebühr von jeweils 1400 Euro und eine monatliche Pauschale von rund 300 Euro zahlen. Ärzte sollen einen kostenlosen Zugang bekommen.

Eine ähnliche Kooperation zwischen Praxis und Apotheke hat im November 2015 das Landgericht Dessau-Roßlau abgesegnet: Aus Sicht der Richter durfte der Arzt Rezepte in großem Stil an eine bestimmte Apotheke schicken, weil die Patienten schriftlich eingewilligt hatten und es immer noch „Selbstabholer“ gab. Ärzte dürfen nur in Einzelfällen an andere Leistungserbringer verweisen. Der Bundesgerichtshof hatte 2011 hingegen entschieden, dass ungefragte Empfehlungen unzulässig seien – Plakate, Flyer und Visitenkarten in Arztpraxen damit tabu. Nach einer Empfehlung gefragt, dürften Ärzte zwar Leistungserbringer nennen, es müssten allerdings hinreichende Gründe vorliegen, etwa eine Gehbehinderung.

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