Kommentar

Apothekenpolitik auf der langen Bank?

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Berlin -

Die Krankenkassen geraten zunehmend in Schieflage – zu diesem Ergebnis kommt nun auch der Bundesrechnungshof (BRH). Er rät der Bundesregierung zu Einsparungen auf der Ausgabenseite. Davon werden wohl auch die Leistungserbringer im System nicht verschont bleiben: Im Bericht fordern die Prüfer, kürzlich gestrichene ausgabendämpfende Regelungen umgehend wieder einzuführen. Guter Plan, die Sparpolitik hat uns schließlich auch bis hier hin getragen! Ein Kommentar von Lilith Teusch.

Die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben wächst laut BRH jährlich um 6 bis 8 Milliarden Euro. Bis 2029 könnte der Zusatzbeitrag auf 4,05 Prozent steigen. „Dies dämpft das Wirtschaftswachstum“, warnt der BRH. Eine Botschaft, die besonders der Union Angst machen wird­­ ­ – nicht zuletzt angesichts der aktuellen Umfragewerte, in denen sie teilweise hinter der AfD liegt. Eine weiter schwächelnde Wirtschaft kann sich die Merz-Regierung schlicht nicht leisten – und auch keine steigende Unzufriedenheit, wenn wegen steigender Beiträge weniger Geld auf den Konten der Bürger:innen bleibt. Kann die Koalition ihr Wachstumsversprechen nicht halten, wird es einen nächsten Versuch in knapp vier Jahren vermutlich vorerst nicht geben.

Um die Finanzen der Kassen zu stabilisieren, plant die Gesundheitsministerin die Einrichtung einer Expertenkommission, die bis zum Frühjahr 2027 Maßnahmen erarbeiten soll – viel zu spät, findet der BRH. Notwendige Schritte würden auf „die lange Bank“ geschoben, so die Kritik. Laut BRH gibt es doch eine viel schnellere und einfachere Lösung für die Finanznot, nähmlich einfach die Ausgaben zu begrenzen – auch auf Kosten der Leistungserbringer im System: Bereits ausgelaufende Regelungen zur Beitragsstabilisierung müssten zum Teil wieder eingeführt werden, so das Votum.

Konkret nennt der BRH hier die Entkopplung von Vergütungssteigerungen vom Grundlohnsatz, die Ist-Kosten-Finanzierung von Pflegepersonalkosten und die Entbudgetierung bestimmter Teile der ambulanten ärztlichen Versorgung. Auch bei den Arzneimitteln sollte man genauer hinschauen: Insbesondere die Erstattungsbedingungen von innovativen und hochpreisigen Arzneimittel sollten in den Blick genommen und Arzneimittelpreise stärker an den patientenrelevanten Mehrwert gekoppelt werden.

Zwar listet der BRH hier den 2020 eingeführten erhöhten Kassenabschlag und Herstellerrabatt nicht direkt, sondern nur in dem Abschnitt zur Finanzielle Entwicklung der GKV – aber weit weg von den aufgelisteiten Sparmaßnahmen ist das nun wirklich nicht. Warum nicht auf das alte GKV-Finanzstabilisierungsgesetz zurückgreifen, um noch den ein oder anderen Euro für die Kassen rauszuquetschen?

Außerdem braucht es laut BRH schnell Strukturreformen: Einsparpotentiale sieht die Behörde bei den Krankenhäusern und der Notfall- und Akutversorgung – alles auf der Vorhabenplanung der Ministerin zu finden. Warum sollten bei drohender Beitragserhöhung zum Jahreswechsel ausgerechnet die Apotheken den Cut schaffen?

Bei all den Einsparungen, die der BRH fordert, wird eine Erhöhung des Apothekenhonorars wohl eher schwer zu rechtfertigen sein. Zumal der BRH das „Gießkannenprinzip“, mit dem die Krankenhäuser gestützt werden sollen, bereits als „verfehlt“ verurteilt – wer glaubt da, ausgerechnet jetzt die längst überfällige Honorarerhöhung zu bekommen, lebt in einer Parallelwelt. Klar, der Koalitionsvertrag verspricht sie – aber der steht, wie die Regierungsparteien nicht müde werden zu betonen, komplett unter Finanzierungsvorbehalt. In der Realität bleibt für die Apotheken also genau: null Cent übrig.

Auch wenn Warken es hält wie ihr Vorgänger – sprich die BRH-Kritik gekonnt ignorieren und die eigene Linie einfach kompromisslos durchziehen – werden die Kassen nicht magisch voller. Warken hat bereits mehrfach Steuergelder zur kurzfristigen Finanzierung der Kassen gefordert. Erstens wird der Bund, wenn es tatsächlich zu Steuergeschenken in großem Stil kommt, sicherlich nicht gleich neue Löcher in die gestopfte Krankenkasse schlagen, indem er sie anweist, die Leistungserbringer besser zu bezahlen. Aber vor allem: SPD-Chef und Finanzminister Lars Klingbeil hat so wenig Geld zu verteilen, dass er trotz der klar ablehnenden Haltung seines Koalitionspartners Steuererhöhungen für Vermögende vorschlägt.

Wenn weder der Bund Geld für die Kassen übrig hat, noch die Beiträge explodieren dürfen, dann können sich die Leistungserbringer schon mal auf ein paar mickrige Jahre einstellen – mehr wird es nicht geben.

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