Zusatzbeitrag oder Bundesdarlehen

2 Milliarden Euro: Schätzerkreis sieht Reserve

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Berlin -

Im kommenden Jahr droht der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ein Defizit von 17 Milliarden Euro – das bekanntlich mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) ausgeglichen werden soll. Der Schätzerkreis bestätigte die Prognose zwar, sieht aber ein klein wenig Luft bei den Zusatzbeiträgen. Die Kassen sehen keinen Anlass für Entwarnung und fordern weitere Sparmaßnahmen.

Weil im Gesundheitsfonds zusätzliche Reserven von zwei Milliarden Euro ausgemacht wurden, empfehlen die Experten die Anhebung des Zusatzbeitrags um 0,2 statt 0,3 Prozentpunkte, wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sie in Aussicht gestellt hatte. Entsprechend würde der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz auf 1,5 Prozent steigen, was Lauterbach noch formal beschließen muss.

Lauterbach selbst gab prompt zu Protokoll, dass aus den Berechnungen nicht unmittelbar der durchschnittliche Zusatzbeitrag abgeleitet werden könne. Er sprach von „guten Nachrichten für die gesetzlich Krankenversicherten“. Wenn der Bundestag das GKV-FinStG verabschiede wie geplant, könne auf das ursprünglich geplante Darlehen des Bundes von einer Milliarde Euro verzichtet werden. „Ein Darlehen, auf das man verzichtet, muss auch im nächsten Jahr nicht zurückgezahlt werden.“ Unnötige Schulden seien zu vermeiden. „In diesem harten Winter müssen wir alle Möglichkeiten nutzen, um die Bürgerinnen und Bürger zu entlasten. Deshalb ist es unsere Pflicht, erst das System effizienter zu machen, bevor die Beiträge steigen.“

Keine Entwarnung

Die Kassen reagierten prompt: Während der GKV-Spitzenverband es richtig findet, die etwas höheren Rücklagen im Gesundheitsfonds dafür zu nutzen, den Zusatzbelastungen für die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler abzumildern, warnt der AOK-Bundesverband vor falschen Schlüssen: Keinesfalls sollte die Ampel-Koalition jetzt angesichts etwas moderaterer Prognosen der Versuchung erliegen, Einsparpotentiale auf der Ausgabenseite nicht anzugehen: „Die im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz geplante Abschaffung der teuren, aber unwirksamen Neupatienten-Regelung sowie sinnvolle Weiterentwicklungen bei der Arzneimittelpreisfindung dürfen jetzt nicht kassiert werden. Das würde die ohnehin im Gesetz enthaltene Unwucht zulasten der Beitragszahlenden noch weiter verschärfen.“

Die Ersatzkassen warnen vor unkalkulierbaren Risiken auf der Ausgabenseite. „Inflation, Energiekrise und der Angriffskrieg auf die Ukraine – die aktuelle Krisensituation und deren mögliche Auswirkungen sehen wir in den Berechnungen nicht ausreichend berücksichtigt. Entwarnung ist daher das falsche Signal“, so der Kassenverband vdek. Daher fordere man nach wie vor von der Bundesregierung einen kostendeckenden Pauschalbeitrag für die Gesundheitsversorgung von ALG II-Empfängern und die überfällige Absenkung der Mehrwertsteuer für Arzneimittel von 19 auf 7 Prozent. „Allein diese beiden Maßnahmen würden die GKV um jährlich etwa 15 Milliarden Euro entlasten. Wir brauchen langfristig wirksame Veränderungen und echte Reformen, um die Qualität der Versorgung sicherzustellen. Der Griff ins Portemonnaie der durch die aktuelle Krise besonders belasteten Versicherten ist der falsche Weg.“

Auch der BKK-Dachverband fordert im Nachgang zum GKV-FinStG strukturelle Reformen, um die Versorgung zu verbessern und perspektivisch Effizienzreserven zu heben. Auch müssten im Bereich der GKV-Finanzierung schnell zumindesten das umgesetzt werden, was man im Koalitionsvertrag vereinbart hat: eine Dynamisierung des Bundeszuschusses zur GKV und höhere Beiträge des Bundes für die ALG-II-Beziehenden.

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