Natürliches Pflanzengift

Multiresistente Keime: Hoffnungsträger Albicidin

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Berlin -

Die Suche nach neuen Breitband-Antibiotika ist ein Wettlauf gegen die Zeit, zuletzt zeigte sich die WHO im Dezember besorgt über die Entwicklung der Resistenzlage. Eine neue Hoffnung könnte Albicidin sein, das natürliche Pflanzengift blockiert ein Enzym, das auch in Bakterien vorkommt.

An der Technischen Universität Berlin untersucht Professor Dr. Roderich Süssmuth mit seinem Team und Wissenschaftlern aus Großbritannien und Polen das Pflanzengift Albicidin. 2015 hatte Süssmuth mit seiner Arbeitsgruppe und französischen Forschern bereits die chemische Struktur des Giftes aufklären können, das durch Xanthomonas albilineans produziert wird und die Blattbrandkrankheit beim Zuckerrohr verursacht.

Das Bakterium verwendet Albicidin, um die Pflanze anzugreifen, diese als Wirtsorganismus zu nutzen und sich weiter auszubreiten. Inzwischen haben die Wissenschaftler:innen herausgefunden, dass Albicidin dabei auf die DNA-Gyrase abzielt. Die Gyrase dockt an die DNA an und windet diese auf – der Prozess ist wichtig für die Zellteilung. Dabei wird die Doppelhelix der DNA für einen kurzen Zeitraum durchgeschnitten. Das Enzym fügt die Enden normalerweise auch schnell wieder zusammen, der Prozess des Zusammenfügens wird allerdings durch Albicidin aufgehalten. Mit Hilfe von Kryo-Elektronenmikroskopie konnte der Wirkmechanismus von Albicidin visualisiert werden – es ähnele einem Schraubenschlüssel, der zwischen zwei laufende Zahnräder geworfen werde und diese blockiere. Durch die geschädigte DNA kommt es in der Pflanze zum Zelltod.

Die Gyrase kommt auch in Bakterien vor, beim Menschen nicht direkt. Die Enzyme beim Menschen sind lediglich mit der Gyrase verwandt und die Unterschiede ausreichend groß, sodass die Wahrscheinlichkeit laut den Forschenden gering sei, dass Albicidin für den Menschen gefährlich ist.

Wirksam gegen Escherichia coli und Salmonella typhimurium

Die Erkenntnisse bildeten die Grundlage für Visualisierungen am Computer, mit denen chemische Synthesen erfolgten, um Varianten des Albicidin-Moleküls herzustellen. In Tests hätten sich diese Varianten als wirksam gegen Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Pseudomonas aeruginosa und Salmonella typhimurium erwiesen. Dabei sei Albicidin bereits in kleinen Konzentrationen hoch wirksam gewesen. Um die Wirksamkeit zu verbessern, wolle man laut Kay Hommernick, dem an der Arbeit beteiligten Doktoranden, die Anzahl der Bindestellen zwischen Gyrase und Albicidin erhöhen.

Ein Unterschied zu der Wirkungsweise bestehender Antibiotika ist wichtig, damit auch die Wirksamkeit gegen multiresistente Bakterien gegeben sein kann. Zur Gefahr der Resistenzbildung sagt Süssmuth: „Es scheint, dass Albicidin aufgrund der Art der Wechselwirkung auf einen wirklich wesentlichen Teil des Enzyms abzielt und es für Bakterien schwierig wäre, dagegen eine Resistenz zu entwickeln“.

Klinische Studien am Menschen stehen noch aus, aber „sind diese erfolgreich, würde Albicidin eine ganz neue Klasse von Antibiotika begründen – und könnte vielen Tausenden von Menschen jährlich das Leben retten", so Süssmuth.

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