Nebenwirkungen

Beipackzettel: Sammlung von Zufällen

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Berlin -

Für Laien sind Beipackzettel oftmals eine Herausforderung, und das hört nicht beim Falten auf, sondern betrifft häufig Verständnisprobleme. Gesundheitswissenschaftler der Universität Hamburg und des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin haben in einer explorativen Studie kürzlich untersucht, ob Laien die Häufigkeiten der Nebenwirkungen falsch interpretieren und alternativ gestaltete Packungsbeilagen diese Fehler reduzieren können. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Plos One” veröffentlicht. Allerdings sind auch Experten nicht vor Missverständnissen gefeit.

Die Gesetzesgrundlage für Packungsbeilagen sind in § 11 des Arzneimittelgesetzes (AMG) zu finden. Demnach dürfen Fertigarzneimittel nur mit einer Packungsbeilage auf den Markt gebracht werden, die Liste der Anforderungen ist lang. Der Zulassungsinhaber muss unter anderem genaue Angaben zu den Anwendungsgebieten, zur ordnungsgemäßen Anwendung oder Gegenanzeigen. Außerdem müssen Nebenwirkungen gelistet werden sowie dazugehörig zu ergreifende Gegenmaßnahmen. Unter anderem bei homöopathischen oder traditionellen Arzneimitteln, Tierarzneimitteln, Impfstoffen oder Sera sind weitere Angaben vorgeschrieben.

Derzeit wird in deutschen und europäischen Packungsbeilagen (package leaflet, PL) nicht unterschieden, ob und in welchem ​​Umfang die aufgeführten Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Einnahme des Medikamentes stehen oder unabhängig davon auftreten. Diese fehlende Unterscheidung ist zwar gesetzeskonform, laut Viktoria Mühlbauer, Studienautorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Hamburg, aber irreführend: „Die größte Gefahr besteht darin, dass die Angaben zu Nebenwirkungen im Beipackzettel weder von den Patienten noch den Angehörigen der Gesundheitsberufe richtig verstanden werden können.” Es sei nicht auszuschließen, dass fehlendes Verständnis Entscheidungen rund um die Arzneimitteltherapie beeinflusse, zum Beispiel Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Arzneimittel oder die Adhärenz.

Um zu sehen, wie Laien mit der Liste der Nebenwirkungen umgehen, hat die Apothekerin im Rahmen ihres Promotionsprojekts eine Online-Umfrage mit 397 Personen durchgeführt. Die Studienteilnehmer wurden zu einer der vier PL-Formate randomisiert. Es gab drei alternativ gestaltete PL (Arzneimittelereignisse mit und ohne Leseanweisung, Erzählformat mit Zahlen) sowie eine Standard-PL, als Kontrolle diente und nur Informationen über Häufigkeiten in Zusammenhang mit einer Arzneimitteleinnahme hatte. In jeder PL waren vier Nebenwirkungen (Hyperglykämie, Bradykardie, Anämie, Depression) für ein fiktives Medikament namens „Suffia” gelistet. Zwei kamen sehr häufig, eine häufig und eine selten vor.

Die alternativen Formate umfassten Angaben zu Häufigkeiten mit und ohne Medikamenteneinnahme sowie eine Aussage zum Kausalzusammenhang. Die Teilnehmer wurden zum allgemeinen Auftreten und zur Kausalität von Nebenwirkungen befragt.

So sah exemplarisch eine alternative Packungsbeilage mit Leseanweisung aus:

Wie alle Medikamente kann „Suffia” Nebenwirkungen haben. Nicht alle unerwünschten Symptome sind notwendigerweise auf die Einnahme des Medikaments zurückzuführen. Unerwünschte Symptome können auch ohne Einnahme des Medikaments auftreten.

Beispiel Hyperglykämie als UAW:
Blutzuckerspiegel steigt bei 16 von 100 Personen, die Suffia einnehmen.
Blutzuckerspiegel steigt bei 13 von 100 Personen, die Suffia nicht einnehmen.
Suffia verursacht daher einen Blutzuckeranstieg bei drei von 100 Menschen.

Beispiel Depression als UAW:
Eine Depression tritt bei 9 von 100 Personen ein, die Suffia einnehmen.
Eine Depression tritt bei 12 von 100 Personen ein, die Suffia nicht einnehmen.
Suffia verhindert drei von 100 Personen eine Depression.

Teilnehmer, die die Standard-PL erhielten, hatten in der Studie insgesamt ein schlechteres Verständnis für den Kausalzusammenhang von Nebenwirkungen; nur rund 2 bis 3 Prozent dieser Personen lieferten korrekte Antworten. Bei den alternativen PL lag dieser Wert bei bis zu mehr als 80 Prozent. „Wir haben gezeigt, dass verständlichere Darstellungen möglich sind. Nun wäre es Aufgabe der zuständigen Behörden, zum Beispiel der EMA, sich um die Umsetzung zu kümmern”, sagt die Apothekerin.

Ihrer Ansicht nach stehen beim Thema Beipackzettel jedoch meist andere Aspekte, wie Design und Verständlichkeit der Fachsprache im Vordergrund. Um das Verständnisproblem bezüglich der Nebenwirkungen zu beheben, brauche es zwei zusätzliche Angaben: „Wie häufig Symptome auch ohne Arzneimitteleinnahme auftreten und die Erläuterung, welcher Anteil der Nebenwirkung folglich durch das Arzneimittel verursacht wird. Dadurch konnte das Verständnis im Vergleich zum derzeitigen Beipackzettel deutlich verbessert werden.”

Dass es nicht nur bei Laien, sondern auch bei Ärzten und Apotheker Wissenslücken gibt, zeigte bereits eine vorherige Studie von Mühlbauer. Demnach waren 66 Prozent der Apotheker und Pharmaziestudenten der Meinung, dass die gelisteten Nebenwirkungen in der PL in direktem kausalem Zusammenhang mit der Arzneimitteleinnahme stehen. Bei Ärzten lag der Wert bei 60 bis 80 Prozent, für Medizinstudenten traf diese Aussage sogar zu 100 Prozent zu.

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