„So bricht das System zusammen“

Wegzug von Praxen: Apothekerin fürchtet „immensen Umsatzeinbruch“

, Uhr
Berlin -

Apothekerin Antje Oesberg ist die Inhaberin zweier Apotheken. Schon seit 1998 leitet sie die Plantagen-Apotheke in Potsdam, 2016 übernahm sie auch die Kirchsteig-Apotheke. „Die Arbeitswelt hat sich seit 1998 stark verändert, damals hatten wir noch eine andere Preisverordnung und keinerlei digitale Abläufe“, sagt sie. Neben dem Fachkräftemangel und der fehlenden Honoraranpassung machten es auch Schließungen und Praxisumzüge den Apotheken schwerer, sich zu halten.

Das größte Problem sei die Diskrepanz zwischen immensen Kostenerhöhungen und der Tatsache, dass die Honorare seit 13 Jahren nicht angepasst wurden – „bitter“, findet die Apothekerin. Das zweite große Problem sei der Nachwuchs- und Fachkräftemangel. Auch hier spiele die fehlende Honorarerhöhung mit hinein, weil man die Jobs nicht durch ein entsprechendes Gehalt attraktiver gestalten könne. Das wirke abschreckend auf junge Approbierte. Die Apotheke sei damit nicht allein: Auch Praxen hätten Probleme hinsichtlich der Personalakquise oder bei der Nachfolgersuche im Falle des Ruhestands.

Zusätzlich wirke in Apotheken und Praxen auch der hohe bürokratische Aufwand abschreckend auf die Niederlassungsbereitschaft junger Approbierter. „So bricht das System zusammen“, erklärte sie.

Konkurrenz durch die Versender

Auch die wachsende Marktkraft des Versandhandels mache den Apotheken zu schaffen. Spürbar sei beispielsweise, dass attraktive Produkte aus der Sicht- und Freiwahl nicht mehr in der Apotheke gekauft werden, sondern online bestellt würden – „das hatten wir 1998 natürlich auch nicht“.

Mit dem E-Rezept verbindet die Apothekerin sowohl positive als auch negative Aspekte. „Wenn es läuft, ist es schneller und einfacher; oft funktioniert es aber nicht und dann kann es eine deutliche Mehrbelastung sein“, erklärte sie. Dann müsse man mit den Praxen hin- und hertelefonieren, die auch oft nicht rangingen, weil ihnen dafür ebenfalls das Personal fehle.

Belastung durch Wegzug von Praxen

Eine weitere Belastung für die Apotheke seien schließende oder wegziehende Praxen. „Das hat Auswirkungen auf die Apotheken, weil Patienten sich umorientieren müssen“, erklärt sie. Entweder die Patienten fänden Apotheken in der Nähe der neuen Praxis oder wanderten zum Versandhandel ab.

Auch aktuell drohe eine urologische Praxis direkt über der Kirchsteigapotheke wegzuziehen. Grund dafür seien Probleme zwischen dem Arzt und der Vermietung, einer größeren Wohnungsbaugesellschaft. „Wir befinden uns im Kiez, nicht an einer Ausfallstraße. Ein Wegzug würde für uns einen immensen Umsatzeinbruch bedeuten“, erklärte sie.

Die Wohnungsbaugesellschaft biete keine vernünftigen Konditionen. „Der Erhalt der Praxis scheint nicht interessant für die Wohnungsbaugesellschaft zu sein“, kritisiert die Apothekerin. Die Wohnungsbaugesellschaft besitze einen Großteil der Wohnungen im Kiez. „Sie haben Verantwortung für die medizinische Versorgung“, mahnt die Apothekerin und betont, dass Wohnungsbaugesellschaften soziale Verantwortung hätten.

Um das System zu erhalten, sei es notwendig, es finanziell auf andere Füße zu stellen. „Es kann nicht sein, dass an den Leistungserbringern gespart wird, die täglich am Patienten arbeiten“, erklärt sie. Sie müssten angemessen für ihre Tätigkeit bezahlt werden und die Möglichkeit haben, auch ihr Personal vernünftig zu bezahlen.

Guter Journalismus ist unbezahlbar.
Jetzt bei APOTHEKE ADHOC plus anmelden, für 0 Euro.
Melden Sie sich kostenfrei an und
lesen Sie weiter.
Bitte geben Sie eine gültige E-Mail-Adresse ein.
Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz