Trier

Törtchen aus der Offizin

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Berlin -

Manchmal ist ein Törtchen die beste Medizin. Als der Konditor und Hotelbesitzer Christian Fritzen erfuhr, dass in Trier eine schöne alte Jugendstil-Apotheke leersteht, nahm er sofort mit der Besitzerin Kontakt auf. Heute werden dort erstklassige Törtchen verkauft. Hier lesen Sie, warum die älteste Stadt Deutschlands eine Sommer-Reise wert ist.

Die Engel-Apotheke in der Saarstraße 40 ist ein wunderschönes Jugendstil-Ensemble, jahrzehntelang gingen hier Medikamente über den OTC-Tisch. Und jetzt ist es eben ein Törtchen-Tisch. Nach zwei Jahren erfolgloser Suche nach einem Nachfolger war die Besitzerin kurz davor, die Einrichtung an ein Museum zu verkaufen. Da hörte Christian Fritzen (43) von dem leerstehenden Juwel. „Ich mag alte Sachen und ganz besonders Jugendstil. Diese Apotheke ist einer der schönsten überhaupt“, schwärmt er.

Ursprünglich träumte er von einem kleinen Café im Jugendstil-Ambiente. Diesen Plänen machte die Realität in Form der Stadtverwaltung einen Strich durch die Rechnung. „Die Apotheke und die Labor- und Lagerräume für ein Café zu nutzen wäre zu teuer gewesen, weil eine Nutzungsänderung erforderlich gewesen wäre“, erzählt Fritzen, „außerdem hätte das einen Mehrbedarf an Parkplätzen ergeben.“

Schilda in Trier: „Ich hätte sechs Parkplätze vorweisen müssen, aber weil es hier keine gibt, hätte ich mich praktisch freikaufen können. Die Ablöse kostet 11.000 Euro pro Platz, also hätte ich insgesamt 66.000 Euro investieren müssen – für nichts.“ Er plante um und beschloss, hier die beliebten Süßwaren seiner Törtchenmanufaktur anzubieten. Ein Außer-Haus-Verkauf muss in Trier nämlich keine Parkplätze haben. „Wir haben nicht viel umgebaut, nur neu gestrichen und acht Kühltheken gekauft.“ Rund 15.000 Euro hat Fritzen investiert.

Im vergangenen Februar eröffnete der Unternehmer, der in Trier auch ein kleines Hotel betreibt, die Apotheke in neuer Funktion. Für Menschen, die gerne Ordnung im Leben schaffen, ist so eine alte Apotheke das reinste Paradies. Regale und Schubladen hat die Engel-Apotheke ausreichend: „Insgesamt sind es rund 150, wir bewahren darin unter anderem Verpackungsmaterial, zum Beispiel Tütchen für die Kekse, auf“, erzählt der Manufaktur-Betreiber. „Rund hundert stehen allerdings leer, weil wir gar nicht so viel Platz brauchen.“

Die süße Ware wird nicht vor Ort, sondern in der Manufaktur in Aachen hergestellt. 3000 bis 3500 Törtchen werden hier täglich produziert, fünf fest Angestellte und sechs Aushilfen sind in der Törtchenmanufaktur tätig. Es gibt 40 Variationen, die Törtchen kosten zwischen 2,50 und 3,30 Euro. Am besten verkauft sich das „Haustörtchen“: „Das sind Mandelböden mit Schokocreme, mit Vollmilchschokolade überzogen“, erklärt der Konditor. „Holländer Kirsch“, ein süßer Traum aus Blätterteig, Kirschen und Vanillesahne, wird ebenfalls gern gekauft. Auch in Fritzens „Landhotel & Café im Gartenfeld“ werden die Gäste mit den Törtchen verwöhnt – auf der Buchungsplattform booking.com schwärmen sie vom „außergewöhnlichen Frühstück“.

In der Test- und Planungsphase befinden sich derzeit vegane Törtchen: „Wir sind am Probieren“, sagt der Konditor. Und obwohl er sein Handwerk gelernt hat und seine Produkte höchsten Qualitätsansprüchen unterliegen, hat er noch nicht das vegane Ei des Kolumbus gefunden: „Die veganen Törtchen liegen derzeit im Trend, aber sie schmecken alle irgendwie komisch. Der Geschmack leidet halt immer, wenn man zum Beispiel versucht, eine klassische deutsche Buttercreme mit Sojamilch herzustellen.“

Verkauft werden die veganen Törtchen erst dann, wenn der Chef völlig zufrieden ist: „Mittelmaß kann jeder, wir wollen besser sein.“ Derzeit experimentiert er mit seinem Team zum Beispiel an veganen Muffins, in die unter anderem Bocksklee kommt. Dann vielleicht doch ein klassisches Obsttörtchen? Mit Buttercreme mit Butter drin?

Auch als Souvenir eignen sich die süßen Teilchen, ordentlich im Karton verpackt, gut. Wer nach Trier in Rheinland-Pfalz kommt, besucht die älteste Stadt Deutschlands, die vor mehr als 2000 Jahren unter dem Namen Augusta Treverorum gegründet wurde. Schon für die Römer war Trier nicht irgendein Heerlager oder eine Siedlung, sondern eine stolze Stadt.

Wer Geschichte mag, wird Trier lieben: Ein Juwel sind die Kaiserthermen, deren Baubeginn im 4. Jahrhundert war, sie gehörten zu den größten Badeanlagen des Römischen Reiches. Heute kann man dort den früheren Warmbadesaal besuchen, der dereinst für Theateraufführungen mit bis zu 650 Besuchern genutzt wurde. Die Thermen und weitere römische Baudenkmäler, darunter das Amphitheater, die Barbarathermen, Porta Nigra, Römerbrücke, Dom und Liebfrauenkirche gehören seit 1986 zum UNESCO-Welterbe. Verglichen damit scheint die Jugendstil-Apotheke mit ihren Törtchen dem Reisenden wie ein junger Hüpfer.

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