Dorfapotheke schließt

Rabattaktion am Terminal: „Das ist unkollegial“

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Berlin -

In Rieseby in Schleswig-Holstein gibt es bald keine pharmazeutischen Ansprechpartner mehr vor Ort; die Schulhaus-Apotheke schließt für immer. 500 Meter entfernt wurde von einem anderen Apotheker unterdessen im Edeka-Markt ein Rx-Terminal aufgebaut. Da sich zwischenzeitlich auch eine weitere Inhaberin mit einem Terminal ins Spiel brachte, setzt dieser jetzt auf eine Rabattaktion – zum Missfallen der schließenden Apothekerin, die deshalb um ihre letzten Abverkäufe bangt.

Mit 75 Jahren steht Sigrun Kramer vor den letzten Wochen ihrer Berufstätigkeit. Die Inhaberin der Schulhaus-Apotheke fand keinen Nachfolger und entschloss sich, ihren Betrieb nach 41 Jahren Ende Juni zu schließen. „Es bleibt immer weniger übrig“, sagt sie. Da sie Eigentümerin des Gebäudes ist, wird keine Miete fällig. Käme diese als Kostenpunkt dazu, wäre die Apotheke nicht im Plus.

Personal geht in Rente

Dazu komme der Personalmangel. Bis jetzt habe sie genügend Fachkräfte gehabt. „Ich hatte zuverlässiges Personal. Doch das wird jetzt auch dünner, denn viele sind seit Anfang an dabei und gehen jetzt auch in Rente.“ Nachdem sie die Schulden für das Haus abbezahlt habe, könne sie sich jetzt leisten, ebenfalls in den Ruhestand zu gehen.

Tatsächlich war sie mit potenziellen Kaufinteressenten im Gespräch. Einer davon war Matthias Fischer. Der Inhaber von Fischers Apotheken wohnt selbst in Rieseby und überlegte lange, ob er wieder eine kleine Dorf-Apotheke übernehmen und aufbauen sollte. 2019 übernahm er die einzige Apotheke im nordfriesischen Ostenfeld, nachdem die Inhaberin keinen Nachfolger fand. „Ich weiß, wie wichtig Dorf-Apotheken sind“, sagt er. „2023 habe ich diese Apotheke lukrativ übergeben.“

Doch im Fall von Rieseby entschied sich Fischer gegen eine weitere Filiale, denn angesichts des Fachkräftemangels und der gestiegenen Kosten lohne sich die Übernahme und der zeitintensive Aufbau nicht mehr. „Ich hatte Lust es nochmal zu tun, aber es kostet viel Kraft, einen Betrieb mit über 40 Jahren umzustellen.“ Dazu kämen die zusätzlichen rund 30 Notdienste und eine unsichere politische Lage, betont er. „Ich wollte eine andere Lösung finden.“ Der Apotheker brachte ein Terminal ins Spiel und stieß beim örtlichen Edeka auf Interesse.

Rx-Terminal im Supermarkt

Seit Ende April steht dort am Eingang das Gerät, über das Rezepte gescannt und OTC- und Freiwahlprodukte in seiner Apotheke in Schwesig bestellt werden können. „Edeka unterstützt uns komplett.“ Kosten für die Aufstellung fallen für Fischer nicht an. Beliefert werden die Aufträge über den Botendienst. Momentan wird das Gerät Interessierten noch von einem Angestellten erklärt. „Die Kunden sollen in der Anfangsphase wissen, dass es funktioniert.“ Fischer wohnt selbst in Rieseby und sieht Synergien: „Ich fahre jeden Tag durch und kann selbst mal etwas mitnehmen.“

Doch zuletzt gab es Verwirrung um das Terminal-Angebot in Rieseby, denn auch Marina Greßmann hatte ein Auge auf den Ort geworfen. Die Inhaberin der Neuen Apotheke am Dehnthof in Kappeln war mit Kramer von der Schulhaus-Apotheke im Gespräch und wollte ebenfalls ein Terminal aufstellen. Kramer informierte die Kundschaft in einem Lokalblatt von diesen Plänen und kündigte an, in einer Tankstelle werde es ein neues Angebot geben.

Diese Konkurrenzsituation war wiederum für Fischer neu, wie er sagt, und ließ bei ihm die Alarmglocken angehen. Er wirbt seitdem mit einem Nachlass von 20 Prozent auf Bestellungen über das Terminal. „Man muss den Standort sichern, deshalb haben wir die Aktion gemacht“, erklärt er. In erster Linie gehe es ihm um die Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner, allerdings machte er auch beim Terminalanbieter auf die Situation aufmerksam. Denn auch Greßmann wollte ein Gerät von der selben Firma nutzen.

Ärger wegen Rabattaktion

Bei Kramer, die noch bis Juli im Dienst ist, kam die Rabattaktion nicht gut an. „Er ist sehr geschickt und macht Werbung.“ Dass er jedoch zwei Monate vor der Schließung mit einem 20 Prozent-Rabatt auf alles werbe, sei „unkollegial“. Immerhin müsse sie ihr Warenlager leer bekommen. „Ich finde es unfair, dass er es macht, solange ich noch da bin.“ Letztlich wolle sie sich aber nicht beklagen.

Und auch bei Greßmann gibt es offenbar neue Pläne. Eigentlich wollte die Inhaberin ein Terminal in dem Ort aufstellen lassen. „Was aus Rieseby wird, kann ich zurzeit nicht sagen“, sagt Greßmann aktuell. Eigentlich habe sie ebenfalls den Edekamarkt im Blick gehabt. Doch wegen einer Verwechslung sei daraus nichts geworden. Die Inhaberin schaut in die Zukunft. „Es gibt neue Pläne“.

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