Mutmaßlicher Betrug

Falsche Bürgerbroschüre: Apothekerin tappt in Abo-Falle

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Berlin -

Christina Bohlmann stimmte nach der Übernahme der Westfalen-Apotheke im nordrhein-westfälischen Lotte einer Anzeige in der Bürgerbroschüre der Gemeinde zu. Nach Anzeigenentwurf erhielt sie einen Anruf eines angeblichen Mitarbeiters der Gemeinde zur Abstimmung der Druckfreigabe und vermutete zunächst nichts Böses. Auch als der angekündigte Vertreter mitten im Weihnachtsstress die Offizin betrat, ließ sich die Täuschung nicht sofort erkennen: Bohlmann unterzeichnete im Glauben, sie würde lediglich den Anzeigendruck freigeben. Wenige Tage später folgte eine Rechnung zum Entsetzen der Apothekerin.

Bohlmann ist seit 2021 Inhaberin der Westfalen-Apotheke: „Bei Übernahme der Apotheke sprach mich die Gemeinde Lotte direkt an, ob ich auch in der Bürgerbroschüre eine Anzeige schalten möchte. Dem stimmte ich zu, und es wurde etwas für mich entworfen und in der Gemeindebroschüre gedruckt.“ Am 22. Dezember folgte ein Anruf eines angeblichen Mitarbeiters der Gemeinde: „Es ging um die Druckfreigabe für die neue Auflage der Bürgerbroschüre. Der Mitarbeiter würde in den nächsten zwei Stunden vorbeikommen, ich solle den Druck freigeben.“

Weihnachtsstress ausgenutzt

Wie angekündigt, erschien der angebliche Vertreter und hatte die Anzeige der angeblich originalen Bürgerbroschüre dabei: „Es war mitten im stressigen Weihnachtsgeschäft. Wir waren nur zu zweit in der Offizin, es musste also schnell gehen.“ Bohlmann bemerkt in dem Moment nicht, dass es sich nicht um die Originalbroschüre handelte und ging immer noch davon aus, sie unterschreibe eine Druckfreigabe: „Die Broschüre sah echt aus, und als ich gefragt wurde, ob sich etwas an meinen Daten geändert habe oder ob alles so bleiben kann, gab ich den Druck per Unterschrift frei.“

Die Überraschung folgt mit der Rechnung

Erst als die Rechnung der WSK-Media in Höhe von 1071 Euro zugestellt wurde, folgte das böse Erwachen. „Das war arglistige Täuschung! Das Vorhaben war genau geplant, und es wurde ausgenutzt, dass wir uns mitten im Weihnachtsgeschäft befanden“, empört sich die Apothekerin. Dabei ist Bohlmann bewusst, dass sie sich die Broschüre hätte genauer anschauen müssen: „Wenn ich mir das im Nachhinein ansehe, entdecke ich zwei bis drei Ungereimtheiten, wo man hätte stutzig werden können. Ich bin einem Anzeigenbetrug der WSK-Media zum Opfer gefallen, der ziemlich gut vorbereitet war.“

Bohlmann widerspricht der Zahlungsaufforderung schriftlich mit der Begründung, „es wurde zu keiner Zeit ein neuer Vertragsabschluss erwähnt“. Die Antwort des Unternehmens: „Wir haben den Auftrag vereinbarungsgemäß ausgeführt und berechnet. Die Vergütung steht uns zu. Um die Angelegenheit dennoch gütlich zu beenden, schlagen wir einen Vergleich
von 50 Prozent vor, um unsere entstandene Kosten zu decken.“

Von Justiz und Polizei gebe es aktuell nicht viel Unterstützung: „Da heißt es nur, Sie haben etwas unterschrieben, ohne richtig zu lesen, Sie sind selber schuld“, so die Apothekerin. „Ich habe allerdings etwas im Internet recherchiert, und die WSK-Media ist für Betrügereien bekannt. Da bin ich sicher kein Einzelfall.“

Hintergrund

Gewerbetreibende und Freiberufler erhalten Schreiben des als UG firmierenden Unternehmens, wobei Betroffene oftmals davon ausgehen, es handele sich um eine Druckfreigabe für eine bereits bestehende Werbeanzeige. Bei Unterzeichnung eines Vertrages mit der WSK-Media schließen Inhaber:innen jedoch einen Vertrag über „vermeintliche“ Werbeanzeige ab.

Im Kleingedruckten offenbart sich, dass es sich um einen Abo-Vertrag handelt, den sich die WSK-Media pro Ausgabe mit etwa 1000 Euro bezahlen lässt. Dabei bleibt die Gegenleistung – in welchem „Druckobjekt“ eine Veröffentlichung erfolgt – unklar.

Auf Anfrage wollte sich die WSK-Media nicht zu solchen Vorfällen äußern und wies alle Vorwürfe pauschal zurück.

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