Psychische Störungen

Amoklauf als Suizidweg

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Bei dem Amokläufer von Ansbach könnten nach Einschätzung des Nürnberger Neurologen Dr. Dr. Günter Niklewski neben Gewalt- und Machtfantasien auch Selbstmordmotive eine Rolle gespielt haben. „Der Selbstmord-Aspekt wird derzeit in der Diskussion über junge Amokläufer unterschätzt“, sagte der Chefarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Nürnberg in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. Solche Amokläufer riskierten nicht nur ihren Tod, sondern kalkulierten ihn geradezu ein, gab der Mediziner zu bedenken.

Um diese Jugendlichen rechtzeitig zu erreichen, müsse es „dringend einen Ausbau des Schulpsychologischen Dienstes sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie“ geben, appellierte Niklewski an die verantwortlichen Politiker. Modellversuche mit besonders frühzeitigen Therapien für suizidgefährdete Erwachsene seien erfolgreich. Die Patienten seien wieder zu menschlichen Bindungen befähigt. Zudem müssten Eltern und Lehrer frühzeitig das entsprechende Sensorium für Probleme von Kindern und Jugendlichen entwickeln.

Nicht zu unterschätzen ist nach Einschätzung des Experten bei solchen Taten auch der Nachahmer-Effekt. So sei auffällig gewesen, dass nach einem „Tatort“-Krimi, in dem sich ein junger Mann umgebracht habe, die Zahl von Selbstmorden Jugendlicher plötzlich gestiegen sei. Als Hauptmotiv sieht Niklewski die Sehnsucht der Betroffenen nach stärkerer Beachtung. „Sie sehen die große Bedeutung, die ihnen bei einem Selbstmord, bei dem sie andere mit in den Tod reißen, plötzlich zuteil wird“, sagte der Experte. „Oft haben die Betroffenen in der zweiten Reihe gestanden und ein großes Selbstwertproblem.“

Dass vor allem Jugendliche für solche Nachahmungseffekte anfällig sind, ist nach der Erfahrung von Niklewski keineswegs überraschend. Sie verfügten meist noch nicht über eine ausreichend stabile Persönlichkeit und können die Konsequenzen ihres Handels oft noch nicht ganz überblicken, sagte der Chefarzt. Auf keinen Fall dürfe ein solcher Fall wie der in Ansbach dazu führen, dass Menschen mit Kontaktproblemen stigmatisiert würden. „Wichtig ist, ihnen Hilfe anzubieten und ihnen die Hand zu reichen“, sagte Niklewski.

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