Porträt

100 Jahre Max-Planck-Gesellschaft

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Sie ist die deutsche Nobelpreisschmiede: 17 Mal haben Forscher der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) diese höchste Auszeichnung seit 1948 nach Deutschland geholt. Am 11. Januar blickt die MPG, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) hervorging, auf 100 Jahre Grundlagenforschung von Weltruf zurück.

Die Erinnerung an 100 Jahre exzellente Wissenschaft ist nicht ungetrübt: Zu tief waren Forscher in Rüstungsexperimente für zwei Weltkriege und auch in das Morden im Nationalsozialismus verstrickt. Wie in einem Brennglas bündeln sich Licht und Schatten in den Lebenswegen mancher Geistesgrößen.

Am 11. Januar 1911 gab Kaiser Wilhelm II auf dem Berliner Bebel-Platz die Gründung einer neuen Forschungsgesellschaft bekannt. Sie trug seinen Namen und sollte Grundlagenforschung in den aufstrebenden Naturwissenschaften betreiben. Und das sehr komfortabel für die Wissenschaftler: Ohne Lehrverpflichtung, mit großzügigem Etat und modernster Forschungstechnik. Die fortschrittliche Idee stammte von führenden preußischen Wissenschaftlern.

Reiner Selbstzweck war die Forschung aber nie. Der Kaiser erhoffte sich von Entdeckungen und Erfindungen Vorteile für den erträumten Griff nach der Weltmacht. Die Industrie setzte auf gute Profite.

Die Institution errang schnell Weltruhm. Sie band Albert Einstein an sich, sie holte auch Fritz Haber in ihre Mitte. Historiker halten den Chemiker und Nobelpreisträger für einen großen Forscher und weitsichtigen Wissenschaftsorganisator. Seine Experimente mit reaktionsfähigem Stickstoff führten zu künstlichen Düngemitteln, die eine viel effizientere Landwirtschaft möglich machten. Doch Haber nutzte seine Stickstoff-Forschung auch für die Entwicklung von Giftgas, das 1915 in Ypern eingesetzt wurde und Tausende französische Soldaten zu Tode quälte. Die Experimente waren der Anfang eines Weges, der in den Gaskammern der Konzentrationslager endete.

„Insgesamt war keine Mehrheit der Wissenschaftler in der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft an Nazi-Verbrechen beteiligt“, berichtet der Forscher und Historiker Professor Dr. Reinhard Rürup, der die Geschichte der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft mit aufgearbeitet hat. „Viele haben mit ihrer Forschungstätigkeit aber ein verbrecherisches Regime gestützt und stabilisiert.“ Ethisch-moralische Grenzen fielen - auch in der Medizinforschung.

Was das hieß, klingt heute unvorstellbar: KWG-Biologen bestellten die Augen ermordeter Menschen direkt bei KZ-Arzt Josef Mengele in Auschwitz. „Es waren Augenpaare von Zwillingen, von Sinti und Roma“, so Rürup. Andere Wissenschaftler ließen sich die Gehirne ermordeter behinderter Kinder aus Konzentrationslagern in Brandenburg liefern. Außerhalb der Gesellschaft versuchten Forscher die Kernspaltung, die KWG-Physiker Otto Hahn 1938 entdeckt hatte, für den Bau einer Atombombe zu nutzen. Das gelang bis Kriegsende nicht mehr.

Nach 1945 konnten viele Forscher der Gesellschaft ihre Karrieren fortsetzen. „Da wurde unterschieden, ob jemand ein guter oder ein schlechter Forscher war“, sagt Rürup. „Es ging nicht darum, ob jemand Nazi gewesen war oder nicht.“ Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft änderte ihren Namen. Nobelpreisträger Max Planck, der wie Otto Hahn als integer und unbelastet galt, übernahm im hohen Alter noch einmal die Präsidentschaft. Die Gesellschaft erhielt seinen Namen.

Heute hat die MPG auf alle Bundesländer verteilt 80 Institute und Forschungseinrichtungen für Natur-, Bio-, Geistes- und Sozialwissenschaften. Rund 5000 Wissenschaftler und fast 10.000 Mitarbeiter arbeiten für sie. Der Hauptsitz ist in München. Im Jahr hat die MPG einen Etat von rund 1,3 Milliarden Euro zur Verfügung, die von Bund und Ländern finanziert werden. Ein Nobelpreis wurde zuletzt 2007 an den Chemiker Professor Dr. Gerhard Ertl, der am Berliner Fritz-Haber-Institut der MPG forschte.

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