Wegen Verdachts der besonders schweren Bestechung im Gesundheitswesen und bandenmäßigen Abrechnungsbetruges hat die Staatsanwaltschaft Hamburg im Sommer im Zusammenhang mit Geschäftspraktiken des Herstellbetriebs Zytoservice Anklage zum Landgericht Hamburg (LG) erhoben. Diese wurde jetzt zur Hauptverhandlung zugelassen. Der Prozess findet vor der Wirtschaftsstrafkammer statt.
Angeschuldigt sind zwei Apotheker sowie vier in geschäftsführender oder leitender Funktion in deren Unternehmen beschäftigte Personen. Ihnen wird vorgeworfen, in 37 Fällen Ärzte durch Gewährung von Vorteilen bei der Verordnung von Arzneimitteln unlauter an sich gebunden zu haben. Die Angeschuldigten sollen bewirkt haben, dass erstellte Rezepte, insbesondere solche für hochpreisige Krebsmedikamente, nur noch über die von beiden Apothekern betriebene Apotheken-OHG und deren vornehmlich mit der Herstellung von Zytostatika befasste Unternehmen eingelöst wurden.
Um möglichst viele Abnehmer für ihre Medikamentenzubereitungen zu gewinnen und zugleich das gesetzliche Verbot der Zusammenarbeit von pharmazeutischen Leistungserbringern und Vertragsärzten zu umgehen, sollen die Angeschuldigten über einzelne Firmen ein Krankenhaus erworben und sodann medizinische Versorgungszentren (MVZ) gegründet und geführt haben. Auf diese Weise vereinnahmten sie sowohl die Erlöse aus der ambulant onkologischen Behandlung als auch der pharmazeutischen Betreuung von Patienten.
Die Angeschuldigten müssen sich laut LG zudem wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in 340 Fällen verantworten, da sie aufgrund des vorstehenden Sachverhalts nicht abrechnungsfähige Arzneimittelverordnungen bei Krankenkassen eingereicht und jene täuschungsbedingt zu Zahlungen von über 75 Millionen Euro veranlasst haben sollen. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gilt die Unschuldsvermutung; das Gericht weist darauf hin, dass im Ermittlungsverfahren keine Anhaltspunkte für eine unsachgemäße Krankenbehandlung zu Tage getreten sind.
Der Mutterkonzern Alanta sieht den anstehenden Prozess als Gelegenheit, die Vorwürfe im Zusammenhang mit der rechtlichen Konstruktion der MVZ und einzelner geschäftlicher Tätigkeiten durch ein kundiges Gericht umfassend und transparent zu klären. Man sei zuversichtlich, dass die Vorwürfe nicht haltbar seien. „Alanta ist seit vielen Jahren ein verlässlicher und systemrelevanter Bestandteil der onkologischen Versorgung in Deutschland. Wir arbeiten strikt innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen und nach höchsten medizinischen, organisatorischen und abrechnungstechnischen Standards“, so eine Sprecherin.
Die gegen Gründer und Geschäftsführung erhobenen Vorwürfe seien sämtlich unbegründet. „Seit nunmehr sechs Jahren wird unser Unternehmen in ein Licht gerückt, das nicht unserem tatsächlichen Handeln entspricht. Um es unmissverständlich zu sagen: Der von der Staatsanwaltschaft behauptete Abrechnungsbetrug zu Lasten der Krankenkassen hat in unserem System nicht stattgefunden“, so die Sprecherin weiter. Bereits in der Vergangenheit habe man die Behauptung zurückgewiesen, das unternehmensübliche Konstrukt der MVZ sei nicht rechtskonform. Vielmehr sei richtig: Die Verbindung aus Herstellungsbetrieb für onkologische Infusionen, Arzneimittelgroßhandel und ambulantem medizinischem Netzwerk sei seit Jahren ein marktübliches, etabliertes und politisch ausdrücklich vorgesehenes Versorgungsmodell. „Es wird von zahlreichen Akteuren im deutschen Gesundheitswesen in gleicher oder ähnlicher Weise praktiziert.“
Auch die von der Staatsanwaltschaft kritisierten Kooperationen des Unternehmens mit niedergelassenen Ärzten zur Förderung der Versorgungsforschung seien nicht unzulässig oder unlauter – das hätten diverse rechtliche Experten geklärt und hervorgehoben. „Sämtliche Abläufe und Prozesse innerhalb unseres MVZ-Systems entsprechen den geltenden gesetzlichen Vorgaben. Dies haben auch umfassende Rechtsgutachten von berufenen Rechtsexperten ergeben. Unsere Einrichtungen sind politisch gewollt und sichern die Versorgung von jährlich rund 100.000 Krebspatientinnen und -patienten auf höchstem Niveau. Gerade in ländlichen Regionen wäre ohne unsere Standorte eine adäquate wohnortnahe onkologische Behandlung vielfach nicht gewährleistet. Die Therapiefreiheit der behandelnden Ärztinnen und Ärzte war und ist dabei zu jedem Zeitpunkt vollständig gewahrt – alle medizinischen Entscheidungen lagen und liegen ausschließlich in ihrer Verantwortung“, so die Sprecherin.
Alanta betreut nach eigenen Angaben jährlich mehr als 100.000 krebskranke Patientinnen und Patienten, beschäftigt rund 850 Mitarbeitende, betreibt 32 MVZ und verantwortet wichtige Teile der medizinischen Versorgung in Hamburg, darunter die SKH Stadtteilklinik und die Psychiatrische Tagesklinik TK PIA in Hamburg Mümmelmannsberg. Darüber hinaus stelle das Unternehmen kontinuierlich Infusionstherapien in eigener Herstellung bereit und leiste damit einen bedeutenden Beitrag zur Stabilität der onkologischen Versorgung in Deutschland.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Apotheker, Ärzte und Pharma-Manager laufen seit Jahren. 2019 waren bei Razzien in den Geschäftsräumen mehr als 6000 Aktenordner und etwa 100 Datenträger beschlagnahmt worden.
Auch gegen 47 Ärzte wird in dem Zusammenhang wegen Bestechlichkeit ermittelt. Das Verfahren gegen sie sei jedoch abgetrennt worden, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Die Ermittlungen in diesem Verfahren dauerten auch noch an.
APOTHEKE ADHOC Debatte