Mit eigener Videosprechstunde und eigener Versandapotheke will DocMorris ein eigenes Ökosystem aufbauen. Doch das kommt weder in den Apotheken noch in den Praxen gut an. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) erwirkte jetzt am Sozialgericht München (SG) ein Urteil, das weite Teile des Konzepts rund um Teleclinic für unzulässig erklärt.
Das Gebahren von telemedizinischen Plattformen beschäftigt seit einiger Zeit schon die Gerichte; der Bundesgerichtshof (BGH) hatte die Zusammenarbeit von Shop Apotheke und Zava schon vor zwei Jahren für unzulässig erklärt. Doch im Grunde muss jedes Konzept einzeln geprüft werden – von der Cannabisplattform bis hin zum Potenzmittelversender. Und auch wenn die meisten Landgerichte zu dem Schluss kommen, dass die Angebote schon nicht dem fachlichen Standard entsprechen: So lange über die Modelle nicht höchstrichterlich entschieden würde, können die Betreiber einfach weiter machen.
Auch Teleclinic schlägt sich mit verschiedenen Gegnern, die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) konnte bereits vor einem Jahr verschiedene Aspekte erfolgreich vor dem Landgericht München I (LG) angreifen. Auch die KV Nordrhein hat bereits vor dem Landgericht gegen die DocMorris-Tochter geklagt. Die KVB hat nun erstmals auch ein Urteil vor einem Sozialgericht erwirkt.
Das Verfahren hatte sich zwar in die Länge gezogen, dafür setzt sich das Gericht jetzt auf 85 Seiten ausführlich mit den mehr als zwei Dutzend Punkten auseinander, die die KVB angegriffen hatte. Dabei geht es um zahlreiche ärzterechtliche Belange, aber auch um die Werbung und um die Kooperation mit DocMorris.
So darf Teleclinic laut Urteil nicht mehr auf DocMorris hinweisen, wenn es um die Einlösung von digitalen Rezepten gehe. Das Unternehmen müsse rechtlich dafür einstehen, wenn es Vertragsärzte, die die Plattform nutzen, zu einem Verstoß gegen die beiden relevanten Marktverhaltensnormen anstifte, so das Gericht.
Nach Berufsordnung für die Ärzte Bayerns (BayBOÄ) darf der Arzt seinen Patienten nicht ohne hinreichenden Grund bestimmte Apotheken empfehlen oder seine Patienten an diese verweisen.
Ebenso regelt § 31 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB V), dass die Versicherten unter den Apotheken, die dem Rahmenvertrag beigetreten sind, frei wählen können: „Vertragsärzte dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen.“
Nach Ansicht des Sozialgerichts liegt mit der Benennung von DocMorris als Versandapotheke auf der Website von Teleclinic eine unzulässige Verweisung im Sinne dieser Vorschriften vor. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Ärztinnen und Ärzte womöglich gar nicht selbst im Rahmen der Videosprechstunde auf die Möglichkeit zur Bestellung beim Versender hinwiesen. „Ausreichend für einen Verstoß gegen das Verbot ist es, wenn der Arzt dem Versicherten eine bestimmte Apotheke nahelegt.“
Eine solches Nahelegen ergebe sich hier schon aus dem Umstand, dass der Vertragsarzt seine Videosprechstunde über die Teleclinic erbringe und dem Versicherten der Zugang zu der Videosprechstunde nur über die Homepage von Teleclinic möglich sei. Bereits beim Öffnen der Homepage werde man darauf hingewiesen, dass ein Rezept ausgestellt werden könne, was unter „häufige Fragen“ noch einmal konkretisiert werden. Es sei offensichtlich, dass der Versicherte den Hinweisen nachgehen werde, sobald ihm ein Rezept ausgestellt werde.
„Dem Vertragsarzt sind daher die werbenden Anpreisungen der Beklagten zuzurechnen und damit auch die Benennung der Versandapotheke DocMorris.“ Teleclinic könne auch nicht einwenden, dass die Vertragsärzte verpflichtet würden, ihre vertragsärztlichen Verpflichtungen einzuhalten.
Das bedeute aber nicht, dass Teleclinic gar keine Rezepte an DocMorris weiterleiten dürfe, sofern sich der Patient entschieden habe, das ihm ausgestellte Rezept auf diesem Weg einzulösen. „Nicht zu akzeptieren ist alleine die Benennung von DocMorris auf der Homepage.“
Im Zusammenhang mit GoEasy (Wellster Healthtech) hatte das Landgericht München I zuletzt entschieden, dass das Weiterleiten von Aufträgen an eine Partnerapotheke als Verstoß gegen das Zuweisungsverbot einzustufen ist, die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Auch das Landgericht Hamburg untersagte DoktorABC (Sky Marketing), „in Deutschland bestimmten Apotheken unmittelbar Verschreibungen zuzuweisen“.
Dagegen kam das Landgericht Frankfurt im selben Fall in einem Eilverfahren zu einem anderen Ergebnis: Dadurch, dass dem Patienten die Auswahl zwischen Lieferung und Abholung angeboten werde, er im Rahmen der letzteren Option auch selbst eine Apotheke auswählen könne und er ausdrücklich darauf hingewiesen werde, dass ansonsten automatisch eine Apotheke für ihn ausgewählt werde, werde „insgesamt das Recht des Patienten auf freie Apothekenwahl nicht in unzulässiger Weise beschränkt“.