Nach dem kompletten Patentablauf von Xarelto (Rivaroxaban) wurden viele Apotheken mit neuen Generika versorgt – ohne diese aktiv bestellt zu haben. Die Hersteller berufen sich dabei auf die Klausel zur Erstbevorratung. Wie von Inhaberinnen und Inhabern befürchtet, steht nur wenige Tage später der nächste Schritt an: Die Unternehmen senken die Preise der neu eingeführten Waren deutlich – und bei den Apotheken entsteht ein Lagerwertverlust.
Die neuen Rivaroxaban-Generika sind vor einigen Tagen über den Großhandel in den Apotheken eingetroffen. Nach einem Urteil des Bundespatentgerichts, das gegen den Originalhersteller Bayer ausfiel, sind gleich mehrere Generikaanbieter mit Produkten auf den Plan gekommen und wetteifern um Marktanteile.
1A Pharma verschickte etwa verschiedene Stärken. „Ich habe eine Packung à 15 mg und eine à 20 mg erhalten“, sagt ein Inhaber. Dass er „irgendwie unaufgefordert“ Ware geschickt bekomme, sei wegen der Konditionenvereinbarung nun einmal Tatsache. Doch die Preispolitik der Hersteller „ist nicht fair, auch wenn es üblich ist“, kritisiert er. „Die Preissenkung nur wenige Tage nach der Lieferung ist dreist.“
Bei einem Blick in sein Preisvergleichsprogramm wurde ihm für die zwei Packungen ein Lagerwertverlust von rund 56 Euro angezeigt. „Der Preisverfall setzt still und heimlich ein“, so der Inhaber. „Viele Apotheken prüfen das nicht und bleiben darauf sitzen. Da geht es einfach durch.“
Die Lieferung bereite ihm deutlich Mehrarbeit. Zum einen müsse er den Preis und die Möglichkeit eines Lagerwertverlustausgleichs prüfen. Tatsächlich bietet das Sandoz-Tochterunternehmen dies an. Doch sein EDV-Anbieter stellt diesen nicht digital zur Verfügung und damit warte mehr Büroarbeit auf ihn.
Hintergrund für die Preissenkung ist, dass nach § 130a Absatz 3b alle Preissenkungen auf den Herstellerabschlag angerechnet werden können. Daher führen Generikahersteller ihre Produkte in der Regel zu einem höheren Preis ein, um ihn danach sofort abzusenken. Bei Rivaroxaban hat 1A Pharma die Großpackung à 98 Stück zum Einkaufspreis von 186,26 Euro eingeführt und diesen zum 1. September direkt auf 157,97 Euro abgesenkt. Bei anderen Herstellern fällt die Differenz sogar noch höher aus: Bei Ratiopharm und Zentiva etwa hat sich der Preis halbiert, bei Aristo ist er um zwei Drittel gesunken. Allerdings haben diese Firmen keine Erstbevorratung durchgeführt.
Mehr als 100 Anmeldungen neuer Präparate sind laut Pro Generika bereits registriert. Einen Patentablauf in dieser Größenordnung hatte es demnach zuletzt 2018 beim Rheumamittel Adalimumab gegeben. Die Preise für die neuen Produkte dürften weiter fallen: Der mit diesem intensiven Wettbewerb einhergehende Preisverfall werde bei den Krankenkassen für Einsparungen in Höhe von circa einer halbe Milliarde Euro pro Jahr sorgen, so der Generikaverband. Das zeigten langjährige Analysen des Generikawettbewerbs durch das Iges-Institut. Die Erfahrung zeige, dass oft auch mehr Patient:innen ihrem medizinischen Bedarf entsprechend mit diesem Wirkstoff versorgt werden.
Auch Zentiva informierte in Apotheken über den Ausgang des Urteils und das neue Angebot. Zusätzlich zu der bereits bei der AOK exklusiv rabattierten Stärke von 2,5 mg sollten ab Mitte August die Stärken 10 mg,15 mg und 20 mg dazukommen. Bayer hingegen wollte die Entscheidung des Gerichts nicht auf sich sitzen lassen und kündigt an, vor den Bundesgerichtshof (BGH) ziehen zu wollen.