Apotheker Christopher Hummel aus Bayern scheut sich nicht, seine Meinung zu Missständen im Gesundheitssystem zu äußern. Öffentlichkeitswirksam kritisierte er in überregionalen Medien etwa die Lieferengpässe und jüngst ausländische Versandkonzerne. Der Inhaber der Michaeli-Apotheke in Gaißach bezeichnete sie in einem Interview als „Schmarotzer unseres Systems“ und verwies auf nicht gezahlte Steuern. Das gefiel Redcare gar nicht. Der Betreiber von Shop Apotheke zog vor Gericht – und gewann im August vor dem Oberlandesgericht München (OLG) in zweiter Instanz.
Redcare wollte vor dem Landgericht München II eine Unterlassungsverfügung erwirken. Auch wenn die Marke Shop Apotheke in dem Interview mit der Lokalzeitung gar nicht vorkam, missbilligte der niederländische Versandkonzern verschiedene Äußerungen, die Hummel getätigt hatte. Die 2. Kammer für Handelssachen wies den Antrag im Eilverfahren zurück.
Nachtrag vom 7. August 2025: Mittlerweile hat das OLG in der Sache anders entschieden, den Beitrag dazu finden sie hier.
Hummel, der auch Sprecher des Bayerischen Apothekerverbandes für die Region Bad Tölz-Wolfratshausen ist, sagte etwa, dass „der Onlinehandel ja ganz viele Posten, für die wir Händler vor Ort hohe Ausgaben haben, gar nicht hat“. Ein Beispiel sei die Gewerbesteuer. „Dazu sitzen die Online-Apotheken in Holland, da fallen dann schon mal die 19 Prozent Mehrwertsteuer weg. Wie sollen wir da mithalten?“
Online-Apotheken seien „Schmarotzer unseres Steuersystems“, es gebe „keine Beratung mehr und keinen Apotheker, der noch mal drüberschaut, ob sich das Medikament mit den anderen verträgt, oder erwähnt, dass die Tablette zu teilen ist – manche können nämlich nicht geteilt werden, und so weiter“.
Das LG wies den Antrag zurück. Einerseits sei das Interview im Lokalteil der Zeitung schon dem Grunde nach nicht als geschäftliche Handlung im Sinne des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) einzustufen.
Zudem habe Redcare auch gar nicht glaubhaft gemacht, dass die angegriffenen Tatsachenbehauptungen falsch seien. Tatsächlich sei der Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel in Deutschland 19 Prozent, in den Niederlanden 9 Prozent. Und im niederländischen Recht gebe es keine Gewerbesteuer.
Auch die Betonung der persönlichen Beratung, die Hummel im Interview als Vorteil der Vor-Ort-Apotheken erwähnte, ließ das Gericht in erster Instanz gelten: Die Vorteile einer aktiven persönlichen Ansprache in der Apotheke lägen auf der Hand, hieß es. Der Begriff „Schmarotzer“ ist demnach nicht zu weit gegriffen. Der Ausdruck „Schmarotzer“ sei schließlich im Zusammenhang des Interviews zu sehen und weise auf „die Nachteile niedergelassener Apotheker hin, welche mit Versandapotheken nicht mithalten könnten“, da die niedergelassenen Apotheker stärker belastet seien als Versandapotheken.
Der Begriff „Schmarotzer“ meine grundsätzlich jemanden, der sich eigennützig und rücksichtslos auf Kosten anderer bereichere. Da es, im Gesamtzusammenhang gesehen, dem Apotheker vorrangig um eine Auseinandersetzung in der Sache gegangen sei, sei „dieser Begriff als polemische Zuspitzung von der Meinungsfreiheit gedeckt“ gewesen.
Im August hob das OLG die Entscheidung auf: Einige Aussagen seien unzutreffend, und im Grunde gehe es ihm nur ums eigene Geschäft: Laut Beschluss erfolgten die angegriffenen Äußerungen des Apothekers im Rahmen einer „geschäftlichen Handlung“ gemäß Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). „Aufgrund einer Würdigung der gesamten Umstände dienten die angegriffenen Äußerungen vorrangig der Förderung des eigenen Absatzes des Antragsgegners“, heißt es im Beschluss des OLG. Dies sei auch vorrangig gegenüber etwaigen ideellen Aspekten.