Kommentar

Der Rezeptsammelbus

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Berlin -

Früher waren es 500 Apotheken, heute sind es 50 Busse: DocMorris will Computer zu den Leuten auf dem Land fahren. Innovativ ist die Idee trotz aller Technik nicht – und auch nicht im Sinne der Versorgung: In Wirklichkeit ist der Jumbo eine rollende Rezeptsammelstelle, die dem „Arzt auf Rädern“ aus rein wirtschaftlichen Gründen hinterherfährt. Es geht um das Stück Papier, das der Patient in seinen Händen hält. Wenn es doch einmal ernst wird, sollen ausgerechnet jene Apotheken einspringen, deren Existenz der Bus eigentlich in Frage stellt.

Wenn man krank wird, wo kein Arzt mehr ist, dann muss man sich wohl oder übel ins Auto setzen oder ist auf die Hilfe von Freunden und Verwandten angewiesen. Magenverstimmung und Infektion halten sich nicht an den Turnus, mit dem die rollende Arztpraxis unterwegs ist. Wie auch immer man zu mobilen Angeboten für die Routineversorgung steht: Für Akutfälle wird es auch in Zukunft unerlässlich sein, Leistungserbringer in erreichbarer Nähe zu halten.

Natürlich sucht DocMorris als Unternehmen neue Geschäftsmodelle. Und natürlich geht es Kapitalgesellschaften nicht darum, Versorgungslücken zu schließen. Ebenso natürlich ist es, dass die Betreiber genau diesen Eindruck erwecken möchten, um Rückenwind für politische Veränderungen zu bekommen. Die Promotion-Tour ist von heute bis zwei Tage vor der Bundestagswahl getaktet.

Bei der PR-Kampagne greift die Versandapotheke zum bewährten Robin-Hood-Image aus Gründerzeiten: Nach gewohnter Manier ließ DocMorris bei der Auftaktveranstaltung wissen, dass fünf Zusagen von Kommunen kurzfristig zurückgezogen wurden – womöglich wegen Protesten von Apothekern vor Ort. Aber sollte der Bus nicht eigentlich dort halten, wo es gar keine Apotheken gibt?

Genau das ist der Denkfehler bei Apothekenbussen: Es gibt keine pauschalen Lösungen in wirklich ländlichen Gebieten. Dort kostet Versorgung viel Kreativität, Einsatz und Selbstverpflichtung – und ist selten kreativ.

Im DocMorris-Bus gibt es in einer Kabine Beratung von Angesicht zu Angesicht – wobei damit der Videoapotheker in Heerlen gemeint ist. Am Tresen soll es die wichtigsten Akutmedikamente direkt zum Mitnehmen geben, der Rest wird kurzfristig nachgeschickt. Und für ganz dringende Notfälle wird die nächstgelegene Apotheke eingespannt. Unabhängig davon, ob sich das Modell jemals für seine Betreiber rechnen würde: Es sind solche Widersprüche, die den Apothekenbus als Mogelpackung entlarven.

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