Noventi hat einen Apotheker aus Eschweiler wegen Auskunfts- und Zahlungsansprüchen aufgrund Nichterfüllung vertraglicher Pflichten verklagt. Der Inhaber kündigte den Vertrag, nachdem die Gebühren erhöht wurden, eine vorherige E-Mail mit Verweis auf ein Sonderkündigungsrecht habe er nicht erhalten. Der Rezeptabrechner argumentierte, dass die angekündigte Frist nicht eingehalten wurde. Das Landgericht München I wies die Klage zurück: Es sei die Pflicht von Noventi, der Informationspflicht vollständig nachzukommen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Seit Anfang 2021 war Joost Ney Kunde bei Noventi und die Rezepte wurden in der Marien Apotheke abgeholt. Ende 2022 erfolgte eine Erhöhung der Abrechnungsgebühren. Zuvor erkundigte sich der Apotheker nach einem Sonderkündigungsrecht. Per E-Mail antwortete Noventi kurz darauf, dass dies bis Ende Oktober gelte. Diese Information per Mail hat Ney laut eigenen Angaben jedoch nicht bekommen.
Mitte Dezember kam dann die erste Abrechnung auf Basis der angepassten Preise. Im Anschluss kündigte der Apotheker den Rezeptabrechnungsvertrag per E-Mail. Seit Februar reicht er die Verordnungen beim ARZ Haan ein. Eigentlich sollte der Vertrag mit Noventi noch bis Anfang 2025 laufen. Die außerordentliche Kündigung wurde seitens Noventi nicht angenommen und der Abrechner forderte die ausbleibenden Rezepte und Schadensersatz.
Das Gericht in München jedoch hält die Klage für unbegründet. Die Kündigung des Apothekers sei wirksam. Deshalb gebe es keinen Auskunftsanspruch und folglich auch keinen Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz wegen Verletzung vertraglicher Pflichten, heißt es in dem Urteil. Der Streitwert lag bei rund 6100 Euro.
Die Kündigung des Apothekers sei nicht verspätet gewesen, da ihm wegen der Preisanpassung laut den Vertragsbedingungen ein Sonderkündigungsrecht zugestanden habe. Dass die E-Mail mit der Ankündigung der Frist den Inhaber erreicht habe, habe Noventi nicht ausreichend beweisen können.
Das Wirksamwerden einer per E-Mail übermittelten Erklärung richtet sich nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Demnach wird eine gegenüber einem Abwesenden abgegebene Erklärung in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm zugeht. Voraussetzung für den Zugang einer Erklärung sei, dass sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit habe, vom Inhalt der ErklärungKenntnis zu nehmen. „Dies ist im geschäftlichen Verkehr jedenfalls dann der Fall, wenn eine E-Mail während üblicher Geschäftszeiten abrufbereit auf dem Empfängerserver eingeht.“ Für den tatsächlichen Zugang einer E-Mail ohne Empfangs- oder Lesebestätigung allein aufgrund des feststehenden Absendens sah das Gericht nicht ausreichend Beweise vorliegen.
Der Inhaber freut sich über die Entscheidung, wenn sie auch noch nicht rechtskräftig ist. „Ich habe dieses Schreiben nie erhalten. Alleine vom Stil her sollten solche Preisänderungen anders angekündigt werden“, sagt er. Besser wäre ein Einwurfeinschreiben und der postalische Weg gewesen. Digital lande im Arbeitsalltag nun einmal viel im Papierkorb.
Noventi hält sich mit einer Stellungnahme zurück. „Wir bitten um Verständnis, dass wir uns zu laufenden Verfahren nicht äußern können“, sagt eine Sprecherin.