Billiger als Konkurrenz

dm-med: Aggressive Preisstrategie

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Berlin -

dm-Gefühl statt Schnäppchen-Offensive: Eigentlich war die Drogeriekette mit der Ansage an den Start gegangen, mit ihrer Versandapotheke nicht als Preisführer aufzutreten. Doch eine Analyse des Startsortiments zeigt: Das Angebot ist fast durchweg günstiger als bei Shop Apotheke. Offenbar wurden die Preise des Konkurrenten gezielt als Anker gesetzt – und das für mindestens vier Monate.

Nach Eröffnung von dm-med, dem Bereich des Webshops für Apothekenprodukte, waren die Aktienkurse von Redcare und DocMorris zunächst ins Plus gedreht. Denn der Webshop des neuen Konkurrenten schien mit heißer Nadel gestrickt: Die Produktsuche war nicht nur übersichtlich, sondern das Angebot auch überschaubar: Viele Schnelldreher fehlten, einige Hersteller waren gar nicht vertreten. Und selbst im bestehenden Sortiment gab es viele Lücken: Nicht wenige gelistete Produkte waren als nicht lieferbar gekennzeichnet – und zwar in der Regel jene Artikel, die derzeit auch in der Apotheke fehlen. Kurzum: Auch wenn dm von vornherein nur ein ausgewähltes Sortiment anbieten wollte – vieles deutete darauf hin, dass der Konzern noch nicht zu allen großen Lieferanten eine Geschäftsbeziehung aufbauen konnte, sondern vorerst erneut auf den Graumarkt angewiesen ist.

Keine Rabatte, keine Preisvergleiche

Hinzu kommt, dass im Webshop überhaupt nicht mit Preisvorteilen geworben wird. Rabatte oder UVP-Vergleiche sucht man vergebens. Stattdessen wird mit einem „dm-med Dauerpreis“ geworben: Für mindestens vier Monate werde der Preis eines Produkts nicht erhöht, so das Versprechen: „Du kannst Dich auf dauerhaft günstige Preise verlassen und musst nicht kurzfristige Aktionsangebote vergleichen. Der dm-med Dauerpreis gilt für alle Produkte, die von der Partner-Apotheke dm-med im dm-Onlineshop und der dm-App verkauft werden.“ Nur einen Vorteil scheint es zu geben: Payback-Mitglieder haben die Möglichkeit, mit einer Bestellung bei dm-med Punkte zu sammeln und Coupons einzulösen.

Das entspricht der Strategie, die der Konzern intern von Anfang an ausgegeben hatte: Mit dem Einstieg in den OTC-Versand solle das „dm-Gefühl“ beim Arzneimittelkauf entstehen, hieß es: „Wir bieten ein kuratiertes und selbstmedikationsgerechtes Sortiment.“ Auf manipulative Kaufanreize, die dazu bewegen, über den eigentlichen Bedarf hinaus zu kaufen, werde man verzichten: „Die Dauerpreisgarantie schafft Preiswahrheit, Preisklarheit und Preisvertrauen in einem in besonderer Weise von intransparenten Preisalgorithmen gekennzeichneten Markt.“

Denn: Die klassischen Versender hätten mit einem „geringen (Preis-)Vertrauen der Kund:innen bei hoher Preissensibilität“ zu kämpfen. dm stehe für Dauerpreise und damit hohes Preisvertrauen. Darüber hinaus gebe es im klassischen Versandhandel nur eine geringe Kundentreue. dm dagegen habe „hohe Vertrauens-, Beliebtheits- und Zufriedenheitswerte“ und biete damit ein „hochwertiges und pharmaadäquates Umfeld“.

Zwei von drei PZN günstiger

Doch eine Analyse des Startsortiments ergibt ein ganz anderes Bild. Auf Anfrage von APOTHEKE ADHOC hat die Unternehmensberatung Prosoom die Preise vom dm-med untersucht und mit denen des Konkurrenten Shop Apotheke verglichen. Insgesamt wurden rund 2400 PZN einbezogen; es handelt sich damit um die komplette Produktliste zum Zeitpunkt des Launches. Analysiert wurden jeweils die Preise vom Freitag, wie sie beim direkten Besuch der Website angezeigt wurden; bei den großen Versendern variieren die Angebote teilweise je nachdem, über welchen Kanal man auf die Website kommt. So können beim Zugriff über Google Shopping oder Billiger.de andere Preise angezeigt werden.

Das Ergebnis sieht wie folgt aus:

  • Rund 600 PZN sind bei dm-med mehr als 10 Prozent preiswerter als bei Shop Apotheke.
  • Rund 1000 PZN sind bei dm-med zwischen 1 und 9 Prozent preiswerter als bei Shop Apotheke.
  • Bei rund 600 PZN sind die Preise bei beiden Anbietern exakt gleich.
  • Rund 100 PZN sind bei dm-med teurer als bei Shop Apotheke.

Betrachtet man die wichtigsten Schnelldreher im Versandhandel, ergibt sich fast durchweg ein Preisvorteil im zweistelligen Prozentbereich:

  • Voltaren Schmerzgel forte 180 g – dm: 21,65 Euro / Shop Apotheke: 24,99 Euro – Preisvorteil: 13 Prozent
  • Nasenspray Ratiopharm 15 ml – dm: 3,85 Euro / Shop Apotheke: 4,49 Euro – Preisvorteil: 14 Prozent
  • Regaine Männer 180 g – dm: 50,95 Euro / Shop Apotheke: 60,10 Euro – Preisvorteil: 15 Prozent
  • Grippostad C 24 Kapseln – dm: 10,85 Euro / Shop Apotheke: 10,96 Euro – Preisvorteil: 1 Prozent
  • Iberogast classic 50 ml – dm: 18,95 Euro / Shop Apotheke: 22,04 Euro – Preisvorteil: 14 Prozent
  • Bepanthen Wund- und Heilsalbe 100 g – dm: 11,85 Euro / Shop Apotheke: 13,69 Euro – Preisvorteil: 13 Prozent
  • Norsan Omega 3 Tropfen 100 ml – dm: 25,45 Euro / Shop Apotheke: 26,79 Euro – Preisvorteil: 5 Prozent

Die einzige Marke aus den Top-10 im Versandhandel ist Priorin. Hier kosten 270 Kapseln bei dm 77,35 Euro, bei Shop Apotheke nur 75,39 Euro. Allerdings wird das apothekenexklusive Produkt schon seit Jahren bei dm verkauft und ist auch derzeit im Shop nicht unter dm-med, sondern im Drogeriebereich erhältlich.

Teurer sind bei dm ansonsten vor allem einige niedrigpreise Artikel wie Ibuprofen Heumann oder Marken wie Sterillium und Fresubin. Meist handelt es sich um Unterschiede im einstelligen Prozentbereich; vereinzelt sind Produkte aber auch deutlich teurer gelistet. Bei Fresubin müssten Verbraucher bei der Drogeriekette teilweise das Doppelte zahlen wie bei der Konkurrenz.

Bei knapp 150 PZN konnte kein Preisvergleich ermittelt werden, da die Suche bei Shop Apotheke keine Treffer ergab. Außerdem scheint es bei einigen Produkten große Schwankungen zu geben; so wurden einige größere Ausreißer bei Shop Apotheke mittlerweile korrigiert beziehungsweise die Preise wieder angepasst. Umgekehrt sind einige Produkte bei dm offenbar wieder offline gegangen. Allerdings kommen solche Anpassungen auch bei anderen Anbietern immer wieder vor – es sind klassische Repricing- und Portfolio-Optimierungsmechanismen.

Highrunner im Fokus

„dm baut momentan ein Produkt- und Service-Portfolio auf, was für viele Kunden sehr interessant sein wird“, so Prosoom-Geschäftsführer Marco Leithner. Dabei agiere der Konzern ganz anders als viele Versandapotheken: Als klassischer Händler von Konsumgüterprodukten (FMCG) biete die Drogeriekette auch über ihren Ableger in Tschechien kein Vollsortiment an, sondern eher die wichtigen „Highrunner“. „Häufig wird nicht das x-te vergleichbare Produkt auf Lager genommen, sondern ein Produkt.“

Wichtig sind aus seiner Sicht ergänzende und unterscheidende Services. „WKZ-Maßnahmen wie bei Versandapotheken sind nachrangig, sondern es geht um den Verkauf von Produkten und Services“, so der Experte, der seit mehr als 20 Jahren den Markt aus der E-Commerce- und Endkundenperspektive betrachtet. Eine große Präsenz entlang der CustomerJourney sei für dm normal, so habe der Konzern einen deutlich stärkeren Fokus auf Google.

„Wir erkennen es immer wieder, dass im E-Commerce günstige Preise zum Markteinstieg gewählt werden und es sich danach ‚beruhigt‘. Es ist also ein üblicher, nicht zu überbewertender Vorgang“, so Leithner. Zu ergänzen wäre aus seiner Sicht, dass Shop Apotheke auch jetzt schon häufig über Marketplaces deutlich günstiger anbiete.

Sein Fazit steht aber fest: „Erkennbar ist jedoch jetzt schon, dass dm für Shop Apotheke und DocMorris ein ernstzunehmender Gegenspieler sein wird – und nicht erst in drei bis fünf Jahren.“

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