Arztpraxen verzweifeln an KIM

E-Rezept-Heimbelieferung: „Wir fahren Chipkarten spazieren“

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Berlin -

Wann kommt endlich eine Lösung für die sichere Versorgung der Heimbewohner und Pflegedienstpatienten? Das fragt sich eine Apothekerin aus Thüringen, die sich mit Hilfe ihres Teams täglich um die Arzneimittelversorgung von etwa 300 Patient:innen kümmert. „KIM hätte die Antwort auf alle Fragen sein können, aber es gibt momentan nicht eine Arztpraxis, die mit KIM umgehen kann und sich traut, ein E-Rezept über diesen Weg an unsere Apotheke zu schicken“, ärgert sich die Approbierte.

Insgesamt versorgt die Apotheke drei große Heime. Keine dieser insgesamt 300 Patient:innen betreuenden Einrichtungen weiß über die Thematik „Kommunikation im Medizinwesen“ (KIM) richtig Bescheid. „Ich dachte erst, das wird gar kein Problem. Die Ärzte können uns die Rezepte einfach per KIM übermitteln. Aber das war eine ganz falsche Annahme“, so die Apothekerin. „Nicht eine Arztpraxis, die mit KIM umgehen kann, traut sich noch, ein E-Rezept per KIM an unsere Apotheke zu schicken. Und das auch bei ganz normalen Apothekenkunden. Ich frage mich, warum.“

Verpflichtend soll die Nutzung von KIM ab April 2024 für Apotheken werden. Nutzen können Praxen und Apotheken den Kommunikationsweg aber schon jetzt, auch für das E-Rezept – theoretisch. Praktisch hakt es aber an allen Enden: „Die Ärzte sind insgesamt eher schlecht informiert und wollen die E-Rezepte nicht an konkrete Apotheken übermitteln“, so die Apothekerin. Der Grund: „Es heißt immer wieder, dass es nicht erlaubt sei, den Patienten eine bestimmte Apotheke zuzuweisen“, ärgert sich die Approbierte. „Dabei haben die Patienten, die zu uns kommen, bereits bewusst gewählt.“

Per Gesetz ist dies tatsächlich geregelt: Die Übermittlung ist im Rahmen der Heimversorgung rechtlich unzulässig, wenn die Praxis den Token via KIM direkt an die Apotheke übermittelt. Denn Versicherte haben nach § 31 Absatz 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch (SGB V) im Rahmen der Arzneimittelversorgung in der GKV die freie Apothekenwahl.

Chipkarten werden rumgefahren

Dabei haben sich die Heimbewohner und -bewohnerinnen für die Apotheke entschieden: „Es wurde in jedem einzelnen Fall der von uns betreuten Patienten unsere Apotheke gewählt und dafür unterschrieben. Es wäre so viel einfacher, wenn die Arztpraxis entsprechende E-Rezepte direkt per KIM an uns sendet“, so die Apothekerin.

Stattdessen fahre man die elektronischen Gesundheitskarten (eGK) spazieren: „Eine Kollegin fährt morgens die Heime an und sammelt die Chipkarten ein, die dann in der Apotheke ausgelesen werden. Sie muss diese aber zeitnah wieder zurückbringen, denn wenn die Patienten spontan ins Krankenhaus müssen, brauchen sie die Karte“, so die Apothekerin.

Um die Situation ein wenig zu entspannen, habe man zumindest für eines der Heime bereits Kopien der Karten angefertigt: „So kann wenigstens der Versicherungsnachweis erbracht werden, wenn die Karte gerade unterwegs ist“, so die Approbierte. Neulich habe die Kollegin auf Verdacht einmal komplett alle Karten eingesammelt: „Wir haben dann wirklich zufällig noch drei offene Rezepte gefunden. Es sieht also keiner mehr richtig durch“, ärgert sie sich.

Auch der Zeitpunkt der Rezeptausstellung bleibt ungewiss: „Auf der einen Seite wartet das Heim auf Rezepte, auf der anderen ist die Praxis fest davon überzeugt, längst welche ausgestellt zu haben. Was den Pflegern aber leider niemand verraten hat“, so die Apothekerin. Denn: „Die Chipkarten blinken und vibrieren nicht, wenn ein neues Rezept vorliegt. Wie soll da der Überblick behalten werden?“

Hinzu komme, dass die Arztpraxen sich weigern, die QR-Codes für jedes Rezept auszudrucken: „Ich kann es absolut nachvollziehen, das sind enorme Papierkosten. Es kann auf keinen Fall Sinn der Sache sein“, so die Apothekerin. „Zudem ist es doch paradox: Im Digitalisierungszeitalter druckt man E-Rezepte aus und schickt sie dann per Post“, so die Approbierte.

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