Ganze drei SMC-B hat es gebraucht, damit Christiane Harms-Fritsche, Inhaberin der Stern Apotheke in Barmbek bei Hamburg, wieder E-Rezepte beliefern konnte. „Ich war zweieinhalb Tage vom System abgekoppelt“, beklagt sie. Dabei hatte sie ihre Folgekarte rechtzeitig bestellt: „Das bedeutet für mich einen Umsatzverlust von 90 Prozent.“
Am 13. Juli orderte Harms-Fritsche ihre SMC-B-Folgekarte bei Medisign. „Ich habe sie rechtzeitig bestellt, da diese am 21. September auslief.“ Am 13. August wurde der Apothekerin dann mitgeteilt, dass ihr Antrag „durch ein IT-Problem nicht bearbeitet werden konnte“.
Auf Anraten von Medisign stellte sie den Antrag noch am gleichen Tag erneut, bestellte folglich parallel noch eine zweite SMC-B-Karte beim Hersteller. In der Woche darauf erhielt sie PIN und PUC per Brief für die erste SMC-B, „aber die Karte blieb verschwunden“.
Nach zwei Wochen tauchte sie schließlich auf; am 29. August wollte Harms-Fritsche diese Karte „endlich freischalten“, doch Wartungsarbeiten bei Medisign verhinderten dies. Erst am 9. September konnte sie sich wieder ins System einloggen, „aber leider war kein Freischalten möglich, weil diese permanenten Updates nicht den gewünschten Erfolg brachten“.
Die Inhaberin zog alle Register: Sie telefonierte mit der Apothekerkammer, sprach mit Juristen und setzte Medisign schließlich eine Frist via Einschreiben mit Rückschein. „Ich habe alles gemacht, was man sich vorstellen kann.“
Am 21. September lief ihre aktuelle Karte aus, und Harms-Fritsche war zweieinhalb Tage ohne Telematik-Anbindung. „Ich habe eine Strichliste geführt, wie viele E-Rezepte mir in der Zeit entgangen sind.“ Apotheken gehe es grundsätzlich nicht mehr gut, sagt sie. „Jedem Selbstständigen, der an den HV gehen und Kunden eine Absage erteilen muss, blutet das Herz. Wenn der Kunde sagt: ‚Sie tun mir leid, aber ich brauche mein Medikament jetzt‘ – was will man da machen?“
Probleme wie eine fehlende SMC-B-Karte seien für die Kundschaft nur schwer nachzuvollziehen. „Man ist machtlos. Die Menschen denken dann – und das finde ich besonders furchtbar – die Leute in der Apotheke, die sind zu dämlich, die können das mit dem E-Rezept nicht.“
Dennoch hoffe sie, dass einige Kundinnen und Kunden wiederkommen und ihre E-Rezepte noch einlösen. Einige hätten Harms-Fritsche umgehend unterstützt. „Was wirklich in dieser Zeit geholfen hat, waren vor allem tolle junge Leute, die mit einem Muster-16-Rezept zurückkamen und sagten: ‚Hier bin ich wieder, ich will Sie supporten.‘“
Ausfälle wie diese gehen laut der Inhaberin schnell ins Existenzielle. „Einem wird die Luft zum Atmen genommen. Im Grunde genommen konnte ich in zweieinhalb Tagen keinen Umsatz generieren. Mittlerweile laufen 90 Prozent über die Gesundheitskarte.“
Vor lauter Verzweiflung hatte sie zusätzlich noch eine dritte Karte über das Fastlane-Verfahren bei D-Trust bestellt. „In der Hoffnung, dass wenigstens das funktioniert.“ Aber auch dieser Versuch schlug fehl: „Die Karte habe ich zwar, aber bislang keinen PIN/PUC-Brief.“
Zur aktuellen Sachlage hat D-Trust mittlerweile Stellung bezogen. Medisign räumt ein: „Durch die Umstellung auf ein neues System ist es leider zu einem Zeitverzug in der Produktion von etwa vier Wochen gekommen, was wir sehr bedauern“, so eine Sprecherin. „Die Daten vom Altsystem mussten auf das neue System migriert werden, was sich als sehr komplex und aufwändig erwiesen hat.“ Weiter heißt es: „Unsere neue, deutlich leistungsstärkere Produktionsstraße konnte am vergangenen Samstag (27.September) vollständig in Betrieb genommen werden.“
Man arbeite mit Hochdruck aktuell daran, „verschiedene Prozesse und Funktionalitäten im Antragsportal zu optimieren“ und den entstandenen „Produktionsrückstand durch Mehrarbeit“ auszugleichen, so die Sprecherin. „Aufgrund der Verzögerungen bei der Antragsbearbeitung und Kartenproduktion ist es zu einem sehr großen Aufkommen an Kundenanfragen gekommen“, erklärt sie. „Dies führt bedauerlicherweise zu Wartezeiten bei telefonischen Kundenanfragen sowie zu einem Rückstau bei der schriftlichen Kommunikation.“
Teilweise hätten die Arztpraxen laut Harms-Fritsche zwar Verständnis gezeigt, aber bei der SMC-B-Problematik könne eine Apotheke grundsätzlich kaum etwas tun. „Ich war wirklich völlig machtlos gegen diese beiden Unternehmen in ihrer Monopolstellung.“ Von Medisign habe es nur die Information gegeben, dass gerade eine Umstellung auf SMC-B 2.0 laufe. „Aber was ich besonders furchtbar fand: Man bekam keinerlei Support, gar nichts. Man wird mit seinem Problem völlig im Regen stehen gelassen.“
Am darauffolgenden Mittwoch kam die zweite, im August bestellte Karte von Medisign an. „Diese ließ sich am frühen Nachmittag mit dem dazugehörigen PIN/PUC freischalten und in Betrieb nehmen.“ Seitdem könne sie wieder E-Rezepte beliefern. „Theoretisch wäre ich ohne Eigeninitiative bis heute nicht an die Telematik angebunden“, beklagt Harms-Fritsche. „Bezahlen werde ich definitiv nur eine Karte.“
Harms-Fritsche blickt auf eine Zeit der Ungewissheit und schlaflosen Nächte zurück: „Es war eine sehr, sehr unangenehme Zeit. Ich finde ein solches System, von der Gematik betreut und von Karl Lauterbach ins Leben gerufen, das muss 100-prozentig stehen, bevor wir in den Apotheken damit beschäftigt werden.“ Immerhin habe sie Pharmazie und nicht Informatik studiert. „Mittlerweile beschäftige ich mich aber mehr mit irgendwelchen Informatikgeschichten als mit meinem eigentlichen Beruf.“
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