Strüngmann, Wort & Bild, Noventi

Honic/Temedica: Investoren setzen auf Patientendaten

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Berlin -

Real-World-Daten aus der Versorgung sollen der neue Goldstandard im Gesundheitswesen werden. Ex-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat mit dem Gesundheitsdatenforschungsgesetz (GDFG) die rechtliche Grundlage geschaffen. Zwei Unternehmen wollen ganz vorne mitspielen – und haben sich bereits viel Geld bei prominenten Investoren gesichert.

Alle im Zuge der Digitalisierung des Gesundheitswesens zentral erfassten Daten sollen laut Bundesgesundheitsministerium „pseudonymisiert und verschlüsselt“ an das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) übermittelt werden, das wiederum beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelt ist. Grundsätzlich sollen die Daten nur für gemeinwohlorientierte Zwecke genutzt werden, etwa zur Forschung und Verbesserung von Prävention, Versorgungsqualität und Patientensicherheit.

Aber: Auch private Unternehmen können in diesem Rahmen Zugriff erhalten. Bis Ende August soll die Gematik „ein Konzept für ein technisches Verfahren zur sicheren und datenschutzkonformen Ausleitung und Bereitstellung von Daten der elektronischen Patientenakte an Dritte“ vorlegen.

Zwei Unternehmen, die sich auf Analysen von Real-World-Daten spezialisiert haben, dürften besonderes Interesse haben.

Honic

Die Ursprünge von Honic gehen auf das Health Innovation Hub (HIH) des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zurück. Der Think Tank war 2019 vom damaligen Minister Jens Spahn (CDU) ins Leben gerufen und nach Amtsübernahme durch Karl Lauterbach (SPD) aufgelöst worden.

Gemeinsam gründeten der bisherige HIH-Vorsitzende Professor Dr. Jörg Debatin (ehemals Chef des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE)) und HIH-Geschäftsführer Dr. Henrik Matthies in Neckarsulm die Firma Health Data Technologies. Ihr Ziel war der Aufbau der Plattform „Honic Medhive“, bei der anonymisierte Patientendaten aus der Versorgung für die Forschung zugänglich gemacht werden. Gemeinsam mit dem Landesdatenschutzbeauftragten wurde ein Konzept aufgesetzt, dieses Ziel DSGVO-konform zu erreichen.

Zum Gründerteam gehörten außerdem Apotheker Ralf König und Denitza Larsen, beide ebenfalls aus dem HIH, sowie IT-Chef Ralf Schramm.

Dr. Henrik Matthies, Professor Dr. Jörg Debatin, Ralf König
Dr. Hendrik Matthies, Professor Dr. Jörg Debatin und Ralf König sind Gründer von Honic (von links)Fotos: Honic

Bei der Umsetzung kooperiert Honic mit Partnern, darunter E-Health-Anbieter wie Secunet, aber auch die Bundesdruckerei und IT-Firmen wie Adesso oder StackIT (Schwarz-Gruppe). Adesso gehört mittlerweile auch zu den Gesellschaftern von Honic, deren Kreis im Rahmen von Finanzierungsrunden stetig gewachsen ist.

Zu den Investoren gehört etwa der Digital Health Fund (DHV), ein Gemeinschaftsprojekt von Noventi, Wort & Bild sowie der Eigentümerfamilie von Ursapharm. Weitere kleinere Pakete haben außerdem der Wort & Bild Verlag sowie Marc Becker aus der Gesellschafterfamilie übernommen. Zu den zahlreichen kleineren Anteilseignern zählen private Investoren, Klinikärzte sowie einflussreiche Personen aus dem Netzwerk.

Vor einem Jahr wurde eine strategische Kooperation mit dem Praxissoftwareanbieter Medatixx geschlossen. Lieferten bis dahin 2000 Ärztinnen und Ärzte ihre Versorgungsdaten in anonymisierter Form an die Honic-Plattform X.Panel, flossen nun in großem Stil medizinische Versorgungsdaten. Laut Honic entstand eine der größten Plattformen für Real World Data (RWD) in Deutschland; bis dahin seien solch großvolumigen, aktuellen Daten direkt aus der medizinischen Versorgung kaum und nur sehr aufwendig verfügbar gewesen.

Temedica

Zweiter Player in der Pole Position ist Temedica. Das Unternehmen mit Sitz in München ist bereits seit 2016 am Markt und kann eine lange Liste an Präferenzen vorweisen. Die Plattform für Real-World-Daten heißt hier „Permea“ und wird unter anderem gespeist aus Betreuungsprogrammen und Apps, die das Unternehmen gemeinsam mit seinen Partnern entwickelt hat. Bis heute hat das Unternehmen unter anderem die Produkte Pelvina (für einen starken Beckenboden), Mineo (für einen starken Rücken) und Waya (für gesunde Ernährungs- und Bewegungsabläufe) entwickelt.

Nicht nur die Patientinnen und Patienten sollen eine Hilfe zur Bewältigung ihrer Erkrankung erhalten, auch die Hersteller sollen in die Lage versetzt werden, ihren jeweiligen Markt besser verstehen und bearbeiten zu können. Zu den Kunden gehören zahlreiche führende Pharma- und Generikakonzerne. Für Roche und Novo Nordisk etwa wurden ebenfalls Therapiebegleitungsprogramme aufgelegt.

Firmenchefin Gloria Seibert ist Wirtschaftsjuristin und hat früher für McKinsey gearbeitet. Durch eine MS-Erkrankung ihrer Familie, so erzählte sie es gegenüber Medien, wurde sie auf den Bedarf aufmerksam, zusätzlich zur eigentlichen Therapie auch weitere Unterstützung zu erfahren. Von da aus war es zur Nutzung der Daten nur ein kleiner Schritt. Dass es um einen großen Wurf geht, zeigt eine Personalie: Im vergangenen Jahr holte Seibert den früheren Gematik-Chef Dr. Markus Leyck Dieken in den Aufsichtsrat.

Der frühere Gematik-Chef Dr. Markus Leyck Dieken mit den Temedica-Gründern Gloria Seibert (CEO) und Benjamin Friedrich (Chief Medical Officer), von linksFoto: Temedica

Mittlerweile hat Seibert bei Investoren einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag eingesammelt, 2020 unter anderem bei der Strüngmann-Familie, die etwas mehr als 50 Prozent der Anteile hält. Mit MIG Capital ist ein weiterer Finanzinvestor aus München an Bord, der schon bei den Strüngmann-Investments Ganymed und Biontech beteiligt war. Bernd Wendeln ist über seine Investmentgesellschaft Wenvest Capital investiert, die parallel Plattformen wie Kranus Health und Apoteka.dk finanziert. Ebenfalls beteiligt sind G+J Digital Ventures sowie diverse Berater und Privatinvestoren, darunter Rennfahrer Philipp Stahlschmidt.

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