Das Honorar muss rauf, nicht die Qualität runter. So lässt sich die Stellungnahme der Freien Apothekerschaft (FA) zur Apothekenreform auf einen Punkt bringen. Weder PTA-Vertretung noch Zweigapotheken, freie Öffnungszeiten, Verbundlabore oder externe Räumlichkeiten werden die Apotheke stärken, ist sich die FA sicher. Auch der Zuschlag für Landapotheken wird abgelehnt, stattdessen wird ein Rx-Versandverbot gefordet und eine Streichung der Zuzahlung bei Rabattarzneimitteln.
Nach Ansicht der FA ist es wichtig, die hohen Voraussetzungen des Betriebs und der Gründung einer Apotheke „im Sinne eines höchstmöglichen Sicherheitsniveaus“ aufrecht zu erhalten. Die vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) geplanten Erleichterungen für die Neugründung von Apotheken sehe man aus Sicht des Verbraucherschutzes kritisch.
Daher gebe es erheblichen Konkretisierungs- und Änderungsbedarf, um „die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Apotheken, die therapeutische Qualität der Versorgung sowie die Gleichbehandlung aller Apothekenformen nachhaltig zu gewährleisten“. Ferner verpasse es der Entwurf, strukturelle Vorgaben im Bereich des Arzneimittelversands, der den Fortbestand vieler Apotheken vor Ort gefährde, festzulegen.
Die Erhöhung des Fixums auf mindestens 9,50 Euro wird als „zwingend notwendig“ erachtet, um die wirtschaftliche Grundlage der Apotheken zu sichern und einen Inflationsausgleich zu gewährleisten. „Eine faire Apothekenhonorierung und deren regelmäßige Anpassung durch ein Gesetz sind notwendig, um die wohnortnahe Arzneimittelversorgung langfriåstig zu sichern und die wirtschaftliche Existenz der Apotheken zu gewährleisten.“ Die Apotheken leisteten eine unverzichtbare Aufgabe von öffentlichem Interesse, die über die reine Abgabe von Arzneimitteln hinausgehe und zunehmend durch Beratungsleistungen, Impfungen und andere gesundheitsbezogene Dienstleistungen geprägt sei. „Diese Entwicklung spiegelt sich in dem seit 2013 unangepassten Fixum nicht wider.“
Auch die Verhandlungslösung müsse auf dem höheren Betrag aufbauen. Die geplante Sonderregelung für Landapotheken lehne man ab, da sie dem Grundsatz eines einheitlichen Apothekenabgabepreises zuwider laufe: „Außerdem ist abzusehen, dass es zu Rechtsstreitigkeiten kommen wird, in denen sich Behörden und Gerichte mit der Frage auseinanderzusetzen haben, wann die Voraussetzungen einer Landapotheke gegeben sind.“
Stattdessen sollten die Notdienstpauschale verdoppelt und die Notdienstgebühr von 2,50 Euro auf 10,00 Euro erhöht werden. Rezepturen müssten voll abgrechnet werden können, damit die erbrachte Leistung und die Kosten wirtschaftlich vergütet und bürokratische Hürden abgebaut werden: „Sämtliche finanzielle Verluste beim Wareneinsatz zuzüglich der Arbeitspreiskosten müssen berücksichtigt werden können.“
Die Vertretung durch PTA wird abgelehnt, da sie Patientensicherheit und Verbraucherschutz gefährde und das Fremdbesitzverbot unterlaufe. „Dieser Entwicklung ist entschieden entgegenzutreten.“ Die verpflichtende Anwesenheit eines Apothekers sei kein Selbstzweck, sondern diene der Sicherstellung, dass die Vielzahl der sie treffenden Rechtsvorgaben in einer staatlicherseits überprüfbaren Weise eingehalten würden. „Bei der geplanten Neuregelung, die eine Vertretung des leitenden Apothekers durch PTA in einem bisher nicht vorgesehenen Umfang zulässt, handelt es sich insofern um einen Paradigmenwechsel.“
Mit der geplanten Rechtsänderung gehe ein „nicht unerheblicher Grundrechtseingriff für die betroffenen Apotheker“ einher, für den es keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung gebe. Jedenfalls sei eine Änderung auf dem reinen Verordnungsweg ausgeschlossen: „Die mit der Einführung der Abkehr vom Leitbild der Präsenzapotheke einhergehenden (Abwägungs-)Fragen sind derart wesentlicher Natur, dass nur eine parlamentsgesetzliche Regelung ihrer Bedeutung und Tragweite gerecht werden kann.“
Stattdessen spricht sich die FA ausdrücklich für die Einführung von Weiter- und Fortbildungsangeboten für PTA aus, Stichwort: „Job-Enrichment“. So wird die Einführung eines neuen Berufsbilds vorgeschlagen, dessen Zugang durch Weiterbildungen für PTA erreicht werden kann. „Nach erfolgter Weiterbildung sollten Absolventen insbesondere die Befugnis erhalten, weitere pDL durchzuführen und Impfungen vorzunehmen.“ Zu begrüßen wären auch Angebote, die den Zugang zum Pharmaziestudium erleichtern oder die Dauer des Pharmaziestudiums verkürzen.
Die vorgeschlagenen Erleichterungen für Zweigapotheken werden abgelehnt, weil sie die Anforderungen an die Gründung zu sehr absenken; es sollte weiterhin ein Notstand nachzuweisen sein und das behördliche Ermessen maßgeblich bleiben. „Durch die geplante und nur defizitär begründete Neuregelung zur Gründung von Zweigapotheken werden Grundgedanken des Apothekenrechts erschüttert, ohne dass ein dafür erforderlicher Grund ersichtlich ist. Im Sinne des größtmöglichen Verbraucherschutzes und zum Zwecke der Wahrung der Patientensicherheit sollte an der bisherigen Rechtslage festgehalten werden.“
Die Abschaffung der zwingenden Raumeinheit wird abgelehnt, da damit die Sicherheit und Kontrolle bei der Arzneimittelabgabe beeinträchtigt und die Dokumentationsanforderungen verwässert würden.
Auch die geplante Aufgabe der Laborpflicht in jeder Filialapotheke lehnt die FA ab. „Jede Apotheke muss für die Medikamentenherstellung und für die Überprüfung von Arzneimitteln voll ausgestattet sein, um – auch in Krisensituationen – eine vollständige Medikamentenversorgung gewährleisten zu können.“
Die Änderung der Regelungen zu Dienstbereitschaft und Öffnungszeiten wird abgelehnt, weil sie eine unmittelbare Absenkung des Sicherheitsniveaus für Patienten sowie einen erhöhten Bürokratieaufwand zur Folge hätte. „Die neue Regelung birgt das Risiko, dass wirtschaftliche Erwägungen in den Vordergrund gestellt und die Öffnungszeiten zu Lasten der Patientensicherheit verkürzt werden. Gerade in strukturschwachen Regionen kann die Festlegung individueller Dienstzeiten dazu führen, dass Apotheken nur noch eingeschränkt geöffnet haben oder für längere Zeitintervalle ganz schließen. Es droht ein Versorgungsdefizit in Randzeiten, das insbesondere für berufstätige Menschen und in Notfallsituationen gravierende Auswirkungen haben wird.“
Die Abgabe von Rx-Medikamenten ohne Rezept wird begrüßt, sollte aber praxisnaher gestaltet werden: Insbesondere auf die Festlegung eines starren Mindestzeitraums von vier Quartalen sowie auf die Nachweispflicht auf Grundlage der elektronischen Patientenakte (ePA) sollte verzichtet werden. „Statt eines Abgabeaufschlags sollte überdies die Einführung eines Sonderentgelts eingeführt werden, um die Einheitlichkeit des Apothekenabgabepreises zu wahren.“
Und noch ein eigener Vorschlag: Rabattarzneimittel sollten grundsätzlich von der Zuzahlung befreit werden. „Gerade in den Anfangsjahren nach Einführung der Rabattverträge waren zahlreiche rabattierte Arzneimittel von der gesetzlichen Zuzahlung befreit, sodass ein spürbarer Nutzen für die Versicherten bestand. Heute – fast zwei Jahrzehnte später – sind kaum noch Arzneimittel von der Zuzahlung befreit. Damit ist der Patientenvorteil faktisch entfallen.“
Vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte über die finanzielle Stabilisierung der GKV und einer möglichen Anpassung der Zuzahlungsregelungen wäre es erforderlich, die ursprüngliche patientenorientierte Zielsetzung der Rabattverträge wieder stärker in den Blick zu nehmen. „Eine solche Regelung würde die Attraktivität der Vor-Ort-Apotheken gegenüber dem ausländischen Versandhandel stärken, der teils unzulässige Preisnachlässe gewährt, und zugleich die Akzeptanz von Rabattverträgen durch direkte finanzielle Vorteile für Patientinnen und Patienten erhöhen. Darüber hinaus trüge sie zur sozialen Ausgewogenheit bei, da insbesondere chronisch Kranke und einkommensschwächere Versicherte entlastet würden. Insgesamt läge diese Maßnahme im Interesse der Versicherten, der Patienten sowie der Chronikerverbände und würde die Stabilität der flächendeckenden Arzneimittelversorgung stärken.“
Am liebsten hätte die FA ein Rx-Versandhandelsverbot. „Dieses ist unionsrechtlich zulässig und zwingend erforderlich, um die Zukunftsfähigkeit der systemrelevanten Vor-Ort-Apotheken zu wahren. Jedenfalls müsste eine Negativliste für sensible Medikamente, die nicht versendet werden dürfen, geschaffen werden. Das Cannabis-Versandverbot zeigt, dass dies möglich ist.“ Gerade wenn es tatsächlich keine Erhöhung des Apothekenhonorars geben sollte, sei es umso dringlicher, wenigstens diesen Schritt unverzüglich zu gehen. „Andernfalls bleiben die politischen Willensbekundungen zur Stärkung und Sicherung der Apotheken nichts anderes als hohle Versprechungen. Während Apotheken um ihre Existenz kämpfen, darf die Politik sich nicht länger hinter vermeintlichen Unsicherheiten verstecken.“
Zumindest aber sollten Versender einen zusätzlichen verpflichtenden Nachweis zur Einhaltung aller GDP-Vorgaben erbringen müssen, damit die Qualitäts- und Sicherheitsstandards des Präsenzhandels auch für den Versand uneingeschränkt gelten. „Auf diese Weise kann dem Überwachungsdefizit von ausländischen Arzneimittelversändern Rechnung getragen werden.“
Die Haftung der paritätischen Stelle sollte gesetzlich auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt werden, um zu verhindern, dass aus Angst vor weitgehenden Schadensersatzforderungen das geltende Recht faktisch nicht angewendet wird.
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