Die geplante PTA-Vertretung führt nach Auffassung der Arbeitsgemeinschaft der Pharmazieräte Deutschlands (APD) „zu fundamentalen Veränderungen in der Struktur des deutschen Apothekenwesens“ und damit „zu erheblichen qualitativen Einschnitten in der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung in Verbindung mit erheblichen Gesundheitsrisiken“. Dies könne nicht im Sinne des Gesetzgebers sein, heißt es in der Stellungnahme zum Apotheken-Versorgungsverbesserungsgesetz (ApoVWG). „Daher lehnen wir dieses Vorhaben entschieden ab.“
Grundsätzlich gelte im Apothekenrecht das Prinzip des „Apothekers in seiner Apotheke“ – inklusive der kompletten persönlichen Haftung für sämtliche Geschäftsvorgänge. Vertretungen seien nur in sehr begrenztem Rahmen erlaubt. „Dies ist unserer Auffassung völlig zu Recht damit begründet, das der Staat den Apotheken – und damit den approbierten Erlaubnisinhabern als eigenverantwortlichen Leitern […] umfassende Aufgaben übertragen hat.“ So seien die Apotheken zur „ordnungsgemäßen vollumfänglichen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung“ verpflichtet, stets unter fachlicher Verantwortung des Apothekenleiters oder seiner approbierten Vertretung.
„Der Gesetzgeber ist also der Auffassung, dass viele Tätigkeiten zu anspruchsvoll oder zu komplex sind, um alleinig von einer PTA überwacht werden zu können, beziehungsweise, dass der zusätzlich ordnungsrechtliche Schutz durch die persönliche Verantwortung eines Apothekers zum Bevölkerungsschutz notwendig ist“, so die APD. „Hintergrund ist, dass PTA weder aufgrund ihrer Ausbildung, noch nach jahrelanger praktischer Erfahrung im Beruf, einen erforderlichen Informations-, Beratungs- oder sonstigen Handlungsbedarf vollumfassend und hinreichend sicher erkennen, beurteilen oder erfüllen können.“
„Im Apothekenalltag ergeben sich im Minutentakt Fragestellungen aus den Fachbereichen der Chemie, Pharmakologie, klinischen Pharmazie, Technologie (Arzneimittelherstellung), Biologie, Biochemie, Apothekenrecht und vielem mehr. Die Befähigung, in diesem interdisziplinären Umfeld Problemfelder sicher erkennen und sachgerechte Entscheidungen treffen zu können, kann ausschließlich durch das acht Semester umfassende Hochschulstudium mit dem sich anschließenden einjährigen praktischen Jahr unter Einschluss der drei staatlichen Examina erworben werden.“
Auch die vorgesehene 650-stündige Weiterbildung könne „diese Basis für eine fachlich fundierte und sachgerechte Entscheidungsfindung in den vielfältigen teils hochkomplexen Fragestellungen des Apothekenalltags im Zuge der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung niemals erreichen“. Dies werde auch im Gesetzesentwurf selbst bestätigt; eine Vertretung würde daher „die Notwendigkeit des Pharmaziestudiums in Verbindung mit der gültigen Approbationsordnung als Begründung für den Berufsvorbehalt für Apotheker ad absurdum führen“.
„Sollte eine derartige Vertretungsbefugnis dennoch vom Gesetz-/Verordnungsgeber ermöglicht werden, dann sehen wir somit gravierende Qualitätseinbußen in Verbindung mit erheblichen Gesundheitsrisiken für die Bevölkerung.“ Dies sei als besonders bedenklich einzustufen, da der Staat die Aufgabe habe, das Gemeinwohl zu schützen. „Durch die hier verfolgte bewusste Abkehr von der qualitativ bestmöglichen Arzneimittelversorgung durch jederzeit vorhandenes approbiertes Personal und der damit verbundenen ausgeführten Risikosteigerung in der Arzneimittelversorgung wird das nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG vorhandene Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit aktiv durch den Gesetzgeber beschnitten.“
Auch der Vergleich zu Pharmazieingenieuren und Apothekerassistenten geht laut APD fehl: „Das Vertretungsrecht dieser Berufe, die ihre Berufsqualifikation erworben haben, bevor sie in den Geltungsbereich des Grundgesetzes eintraten, wurzelt nicht in organisatorischen, wirtschaftlichen oder strukturellen Planungen seitens des Gesetzgebers wie bei einer gegebenenfalls vertretungsberechtigten PTA, sondern in deren Recht auf Berufsausübung nach der Umstellung der Approbationsordnung beziehungsweise der Wiedervereinigung.“
Darüber hinaus würde die Regelung aber das Fremd- und Mehrbesitzverbot gefährden: „Sollten PTA die auch nur teilweise Vertretungsbefugnis erlangen, so werden zwangsläufig Fälle vor den deutschen Gerichten landen, die sich mit dem Ausmaß dieser Gestattung befassen müssen. Mit welcher Begründung soll dann ein Gericht eine maximal 20-tägige Vertretung hin zu einer eingeklagten beispielsweise 30-tägigen oder einer noch längeren Vertretung abgrenzen können? Wir sehen hier eindeutig die Gefahr einer schrittweisen Abschaffung der Anwesenheitspflicht von Approbierten in den Apotheken hin zu einem System der ‚Apotheke light‘ mit allen bereits geschilderten Risiken.“
Eine derartige Entwicklung würde die Tür zu Apothekenketten immer weiter aufstoßen. „Solche Vorgänge würden sich dann sicher nicht mehr – auch gesetzgeberisch nicht – aufhalten lassen und müssen vom Gesetzgeber deshalb von vorne herein unterbunden – also gar nicht erst ermöglicht – werden. Somit würde der Gesetzgeber durch eine Etablierung einer Vertretungsbefugnis durch PTA die Beantwortung fundamentaler struktureller Fragen wie die der Arzneimittelsicherheit oder des Fremd- und Mehrbesitzverbotes in die Hände der Gerichte legen. Nach unserer Auffassung ist dies jedoch eine originäre Verantwortung und Verpflichtung des Gesetzgebers, weshalb wir dies ebenfalls entschieden ablehnen.“
Laut APD ist der Vorschlag auch widersprüchlich, weil PTA auch in Zukunft bestimmte Tätigkeiten wie die Sterilherstellung nicht eigenständig durchführen dürfen, gleichzeitig aber vertretungsberechtigt bei der Überwachung aller anderen Arzneimittelherstellungen in der Apotheke sein sollen. „Einen wichtigen Teil der Arzneimittelherstellung in Apotheken machen pädiatrische Formulierungen für schwerkranke Neugeborene aus, die Dosierungen oder Formulierungen brauchen, die anders nicht im Handel erhältlich sind. Es ist nicht ersichtlich, warum zum Beispiel diese Arzneimittelherstellungen weniger stark geschützt werden als die Herstellung von Parenteralia.“
Aus Sicht der Pharmazieräte ist auch nicht nachvollziehbar, warum und nach welchen Kriterien bestimmte Tätigkeiten ausgeschlossen sind: „Warum ist die Vertretung in Apotheken mit Krankenhausversorgung verboten, bei Apotheken mit Heimversorgung jedoch erlaubt? Warum kann die PTA keine Impfung beaufsichtigen, aber die Durchführung von pharmazeutischen Dienstleistungen? Warum kann die PTA keinen Inhaber einer Betriebserlaubnis für mehrere Apotheken vertreten, wohl aber einen Inhaber einer Versandhandelserlaubnis, der deutschlandweit und in beliebigem Umfang Arzneimittel versendet?“ Fazit: „Die Ausschluss- und Erlaubnisliste für eine Vertretung durch PTA wirkt nicht durch ordnungsrechtlich oder sachlich fundierte Überlegungen motiviert und ist in sich nicht schlüssig. Es ist anzunehmen, dass es zu Anfechtungen oder strittigen Auslegungen dieser Kataloge kommen wird.“
Im Übrigen gehörten PTA nicht zu den freien Berufen und unterlägen daher keiner Berufsgerichtsbarkeit. „Sie sind daher ordnungsrechtlich deutlich weniger greifbar und haben eine deutlich geringere persönliche Verantwortung als eine Apothekerin oder ein Apotheker.“ Laut APD könnte sich ein Apothekenleiter bei der Ausführung besonders kritischer Tätigkeiten also von PTA vertreten lassen, um sich der direkten Berufsgerichtsbarkeit zu entziehen. „Bei einem entsprechenden Vergehen müsste nur glaubhaft dargelegt werden, dass die Leitung der Apotheke zu diesem Zeitpunkt der PTA oblag. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum der Gesetzgeber dies bis zu 20 Tage im Jahr gestatten sollte.“
Außerdem sei der Gesetzentwurf dazu geeignet, Fehlverhalten zu fördern und zu belohnen, da keine ordnungsrechtlichen Absicherungen gegen Missbrauch der neuen Bestimmungen vorgesehen seien: So wäre denkbar, dass ein Apothekenleiter, sobald er eine vertretungsberechtigte PTA beschäftigt, der Apotheke ohne Meldung an die zuständige Behörde dauerhaft fernbleibe. „Es müssten mindestens elf täglich aufeinanderfolgende (für einen einzelnen 10-Tagesabschnitt) oder 21 Kontrollen im Jahr für die 20-tägige Gesamtzeit (ca. 200 Arbeitstage : 10-Tagesabschnitte = 20 mögliche Zeiträume) durchgeführt werden, um ein Fehlverhalten des Apothekenleiters nachzuweisen. Das ist in der Überwachungspraxis nahezu unmöglich.“
„PTA sind ohne Frage eine tragende Säule in der Arzneimittelversorgung in Deutschland“, beteuern die Pharmazieräte. „Allerdings sehen wir wie geschildert in den Vorschlägen zur Vertretungsbefugnis durch PTA so gravierende sachlich-fachliche, wie auch strukturelle Bedenken, dass diese Pläne nach unserem Dafürhalten nicht geeignet sind, in Bezug auf die angespannte Personalsituation in den Apotheken dem deutlich höher wirkenden Rechtsgut einer qualitativ und fachlich hochwertigen, patientenorientierten, sicheren und risikoarmen Arzneimittelversorgung gerecht zu werden. Insofern lehnen wir diese Pläne entschieden ab.“
Ohnehin seien die Personalprobleme in den Apotheken nicht auf mangelnde liberale Ausgestaltung des Personaleinsatzes zurückzuführen, sondern vielmehr auf die angespannten finanziellen Gegebenheiten, die ein erfolgreiches Konkurrieren um PTA-Arbeitskräfte mit anderen Berufszweigen mangels tariflicher Perspektiven in den Apotheken nahezu unmöglich mache. Abgesehen davon gebe es aber andere Maßnahmen, um ohne Qualitätseinbußen in der Arzneimittelversorgung den Apotheken mehr Freiheiten in der Personalplanung zu ermöglichen. Positiv zu bewerten sei die Möglichkeit zur Aufteilung und Haftung der Filialleitung auf mehrere approbierte Personen, die man bereits 2023 vorgeschlagen habe. „Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass diese Idee im vorliegenden Gesetzesentwurf aufgegriffen wurde.“
Darüber hinaus sei zu prüfen, inwieweit die Zulassungsvoraussetzungen zum Pharmaziestudium für PTA ohne Abitur länderübergreifend erleichtert und harmonisiert werden könnten. Derzeit gebe es hier ein heterogenes Bild mit deutlichen Erschwernissen vor allem in den neuen Bundesländern. „Durch bundeseinheitliche Richtlinien oder konkrete Vorgaben des Bundes könnte hier der Zugang zum Pharmaziestudium für PTA erleichtert werden. Dies würde direkt die beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten für PTA stärken, damit den Beruf auch für Nichtabiturienten attraktiver machen und dadurch auch dem Personalmangel insgesamt, sowie dem mittelfristig flexibler handhabbaren Einsatz von Approbierten in Leitungsfunktionen gerecht werden.“