Nicht nur die Verbände, sondern auch die Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister der Länder äußern sich kritisch zur Apothekenreform des Bundes. Insbesondere die ausgebliebene Fixumserhöhung und der Vorschlag zur PTA-Vertretung lösen scharfe Kritik aus.
Apotheken seien ein zentraler Teil der Gesundheitsversorgung in Deutschland und müssten sowohl in der Stadt als auch auf dem Land gut erreichbar sein. „Wir müssen jetzt die Weichen stellen, damit die inhabergeführte Vor-Ort-Apotheke auch künftigen Generationen erhalten bleibt“, erklärt NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU). Er begrüße die Entwürfe von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU), die sich deutlich von den Plänen der vorherigen Regierung unterschieden. So sei die Erhöhung der Nacht- und Notpauschalen ein wichtiger Schritt zur Entlastung der Apothekerschaft. Zudem sei es ein Schritt in die richtige Richtung, dass pharmazeutische Leistungen wie Impfungen und Präventionsleistungen gestärkt werden sollen.
Zugleich enthalte die Reform auch Regelungen, die man sich im weiteren Gesetzgebungsverfahren nochmal im Detail anschauen müsse. „Maßgeblich für die Reform muss insgesamt und immer sein, dass das verfassungsrechtliche ‚Leitbild des Apothekers in seiner Apotheke‘, welche das Mehr- und Fremdbesitzverbot begründet, auch zukünftig Bestand hat“, betont er. Vor diesem Hintergrund müssten auch die angedachten selbst erwählten Öffnungszeiten diskutiert werden. Auch unter anderem die angedachten Regelungen für Zweigapotheken bis zur Laborzentralisierung im Filialverbund, die möglicherweise zu einer „Apotheke Light“ führen könnten, sollten in Hinblick auf die Gesamtstabilität und notwendigen Krisenvorsorge kritisch hinterfragt werden. „Wir werden daher den weiteren Reformprozess eng begleiten und uns aktiv einbringen.“
„Apotheken sind für die Berlinerinnen und Berliner eine tragende Säule der Gesundheitsversorgung und eine unverzichtbare, niedrigschwellige Anlaufstelle. Deshalb begrüße ich die Initiative des Bundes zur Stärkung der Apotheken ausdrücklich“, erklärt die Berliner Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege, Ina Czyborra (SPD). Die Reform komme zur richtigen Zeit. „Präsenzapotheken leisten mit Beratung und Prävention einen wichtigen Beitrag, den Onlinehandel oder Drogerien nicht ersetzen können. Sie verdienen unsere volle Unterstützung.“
„Positiv zu bewerten sind die Vorschläge zur Ausweitung des Impfens mit Totimpfstoffen und zur Abgabe von verschreibungspflichtigen Medikamenten ohne ärztliche Verordnung in bestimmten, akuten Krankheitsfällen“, findet Bremens Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz, Claudia Bernhard (Linke). Diese Maßnahmen könnten zu einer Entlastung in den Praxen führen. Positiv sei auch der Wegfall der Verpflichtung, in Filialapotheken ein Labor vorzuhalten. „Die Anhebung der Abgabevergütung pro Packung war eine der wesentlichen Forderungen, der im aktuellen Referentenentwurf nun nicht nachgekommen wird. Das sehe ich kritisch.“
„Es ist gut, dass die Referentenentwürfe jetzt vorliegen. Eine Reform der apothekenrechtlichen Bestimmungen ist lange überfällig“, erklärt die Thüringer Gesundheitsministerin Katharina Schenk (SPD). Die wohnortnahe Arzneimittelversorgung stehe vor großen strukturellen und wirtschaftlichen Herausforderungen. „Dass die angekündigte Honoraranpassung verschoben werden soll, steht im klaren Widerspruch zum Koalitionsvertrag, der ausdrücklich eine wirtschaftliche Stärkung und eine auskömmliche Vergütung der Apotheken für die Arzneimittelversorgung ankündigt“, betont Schenk. Statt einer Anpassung an die realen Kostenentwicklungen bleibe das Honorar seit Jahren auf dem Stand von 2013. Die Apothekenzahl sei gleichzeitig seit Jahren rückläufig. Eine zentrale Triebfeder sei, dass die Arzneimittelabgabe betriebswirtschaftlich nicht mehr darstellbar sei.
Die Ministerin lehnt Apotheken ohne Apothekerinnen und Apotheker ab. Diese trügen Sorge für die Qualität und Sicherheit der Arzneimittelversorgung. „Sie sind gesetzlich zur höchstpersönlichen Leitung verpflichtet und haften auch persönlich. Mit diesem Grundsatz ist sichergestellt, dass die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung ordnungsgemäß stattfindet und sich nicht ausschließlich an Gewinnen orientiert. Das halte ich für essenziell, um die bestmögliche Versorgung der Patientinnen und Patienten zu gewährleisten“, erklärt die Ministerin.
„Die strukturellen Herausforderungen im Apothekenwesen sind vielschichtig und seit Langem bekannt“, so die Ministerin für Soziales, Gesundheit und Sport des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Stefanie Drese (SPD). Die größte Herausforderung sei das trotz stetig steigender Kosten seit Jahren unveränderte Apothekenhonorar. „Das erklärte Ziel des Referentenentwurfs, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Apotheken nachhaltig zu verbessern, wird mit den vorliegenden Regelungen nicht erreicht“, erklärt die Ministerin.
Drese fordere, die auskömmliche Finanzierung der Apotheken sicherzustellen, um das flächendeckende Netz zu erhalten. „Deshalb sind aus meiner Sicht gezielte Änderungen an den geplanten Regelungen hinsichtlich der Öffnungszeiten, der Zweigapotheken und der Möglichkeit der PTA-Vertretung notwendig. Die vorgesehene Vergütung von Teilnotdiensten ist ein wichtiger Schritt – bedarf jedoch einer praxistauglicheren Ausgestaltung.“
„Apothekerinnen und Apotheker sind die Garanten für eine niederschwellige und hochwertige Beratung in der Stadt und auf dem Land. Darauf haben die Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch und dafür macht die hessische Landesregierung sich stark“, erklärt ein Sprecher des Ministeriums für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege (HMFG). Die inhabergeführte Apotheke dürfe nicht geschwächt werden. Apotheken seien Teil der Gesundheitsversorgung der Menschen, sie gehörten in die intersektorale Betrachtung einer adäquaten und zukunftsfesten Versorgung und sie trügen entscheidend zur Arzneimittelsicherheit bei. „Es gilt, die Apotheke zu stärken.“
Hessen begrüße das Signal von Warken, die Reform als eines der ersten Projekte anzugehen, sowie wichtige Ansätze zur Attraktivitätssteigerung des Apothekerberufs. Zu begrüßen seien die Erweiterung der pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) mit Schwerpunkt auf präventive Maßnahmen und die Maßnahmen zum Abbau administrativer Belastungen, wie die Abschaffung der Nullretaxation aus formalen Gründen und die Erweiterung der Austauschmöglichkeiten von Arzneimitteln.
Allerdings sehe man kritisch, dass in den vorliegenden Entwürfen nicht die vereinbarte einmalige Erhöhung des Apothekenpackungsfixums auf 9,50 Euro vorgesehen sei. Mit der vorgesehenen Vergütungsverhandlung erhielten die Apotheken keine ausreichende Planungssicherheit und wirtschaftliche Perspektive. Eine Erhöhung des Apothekerhonorars erscheine daher trotz der schwierigen Finanzsituation der GKV angezeigt. Hessen stehe zur inhabergeführten Apotheke. Um einen Ausgleich zu finden, wäre zum Beispiel eine stufenweise Anpassung des festen Vergütungsanteils ein denkbarer Weg.
Kritisch wird in Hessen auch der Vorschlag zur PTA-Vertretung gesehen: „Den vorliegenden Vorschlag zur Ermöglichung einer zeitweisen Apothekenleitung durch Pharmazeutisch-technische Assistentinnen oder Assistenten (PTA) lehnen wir ab.“ Die Erweiterung der heilberuflichen Befugnisse der Apotheken erfordere umso mehr die Anwesenheit eines Apothekers oder einer Apothekerin. „Wir stehen zur inhabergeführten Apotheke und dem Grundsatz: keine Apotheke ohne Apothekerin oder Apotheker.“
Die aktuelle Lage der Apotheken sei zunehmend von verschiedenen großen Herausforderungen geprägt, die sowohl wirtschaftliche als auch strukturelle Aspekte beträfen, erklärt Clemens Hoch (SPD), Minister für Wissenschaft und Gesundheit in Rheinland-Pfalz. Im Kontext des Gesundheitswesens spielten Apotheken sowohl in der direkten Arzneimittelversorgung der Patienten als auch in der Beratung und Prävention eine wichtige Rolle. In den letzten Jahren hätten sich jedoch die Rahmenbedingungen für Apotheken verändert, was zu einer steigenden Belastung der Apothekeninhaber und -mitarbeiter geführt habe. „Hier ist es wichtig, gemeinsam Lösungen zu finden, um die Attraktivität von Apotheken durch eine angemessene Honorierung der Leistungen zu erhöhen. In diesem Zusammenhang muss auch die Arzneimittelpreisverordnung überarbeitet und an die heutige Zeit angepasst werden. Aus diesem Grund finden wir es sehr bedauerlich, dass die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Erhöhung des Packungsfixum keinen Eingang in den nun vorliegenden Referentenentwurf gefunden hat“, so Hoch.
Der Erhalt und die Sicherung der Vor-Ort-Apotheken hätten für das Land eine hohe Bedeutung. Man begrüße grundsätzlich das Vorhaben des Bundes, sowie die vorgesehenen Änderungen und Erweiterungen der Kompetenzen der Apotheken auf die Durchführung von Schutzimpfungen mit Totimpfstoffen. „Wir wünschen uns, dass der Bund die Vorschläge der Länder zur Optimierung des Reformgesetzes berücksichtigt, um weiterhin eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Arzneimittelversorgung im Land sicherzustellen.“
„Der vorliegende Gesetzesentwurf stellt keine inhaltliche Weiterentwicklung gegenüber den bisherigen Reformansätzen aus den letzten Jahren dar, sondern führt im Gesamten die bereits kritischen Punkte fort, die eine flächendeckende Arzneimittelversorgung und Versorgungsstruktur gefährden. Insbesondere fehlt weiterhin eine umfassende strukturelle Honoraranpassung, die die wirtschaftliche Lage der Apotheken nachhaltig stärken würde“, erklärt Petra Grimm-Benne (SPD), Gesundheitsministerin in Sachsen-Anhalt. Besonders kritisch bewerte das Ministerium auch die Fortführung der Möglichkeit, eine Apotheke ohne Apotheker, wenn auch nur im Vertretungsfall. „Nur im Zusammenspiel von Apotheke und Apotheker lassen sich Qualität, Sicherheit und wohnortnahe Versorgung gewährleisten“, so Grimm-Benne.
„Wichtig ist, dass die Apothekenreform die notwendigen Rahmenbedingungen für die Sicherung der Arzneimittelversorgung durch Apotheken vor allem auch jenseits der Großstädte gestaltet. Ich werde mich deshalb immer mit Nachdruck für die Zukunftssicherung der öffentlichen Apotheken einsetzen“, verspricht die sächsische Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD). „Es ist unser Ziel, jede weitere Schließung einer Apotheke in Sachsen zu verhindern. Denn Apotheken sind wichtige Akteure insbesondere im ländlichen Raum, die ihre Kunden intensiv beraten, informieren und damit ein wichtiger Kommunikator bei medizinischen Themen sind. Dafür möchte ich ihnen meinen Dank aussprechen.“
Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) habe sich bereits nach Bekanntwerden der Eckpunkte zur Reform geäußert. Die Maßnahmen seien ein „richtiger Schritt“. Sie begrüße die Stärkung der Eigenverantwortung und Austauschmöglichkeiten, ebenso wie die vorgesehenen Anreize für die Gründung weiterer Zweigapotheken und die Anhebung der Nacht- und Notdienstpauschale. Dass das Fixum nicht wie im Koalitionsvertrag vereinbart angehoben werde, sei bedauerlich, aber im Hinblick auf die Finanzlage der Kassen nachvollziehbar.
Bayern wolle, dass die Apotheken wirtschaftlich gestärkt würden. Reine Arzneimittel-Abgabestellen ohne Apotheker oder Apothekerin seien ebenso wie der Arzneimittel-Versand keine vollwertige Alternative. „Deswegen werden wir uns gegenüber dem BMG zur vorgeschlagenen Abwesenheits- beziehungsweise Vertretungsregelung kritisch äußern. Die öffentlichen Vor-Ort-Apotheken sind auch deshalb unverzichtbar, weil nur sie Nacht-, Not- und Botendienste leisten können. Deshalb muss die Leistungsfähigkeit und auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit der öffentlichen Vor-Ort-Apotheken bewahrt werden“, so Gerlach.
„Seit Jahren sinkt die Zahl der Apotheken in Niedersachsen kontinuierlich. Diese Entwicklung verdeutlicht, unter welchem wirtschaftlichen Druck die einzelnen Apotheken stehen, etwa durch steigende Betriebskosten, Inflation oder nicht angepasster Abgabepreise verschreibungspflichtiger Medikamente“, erklärt der niedersächsische Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD). Man begrüße grundsätzlich das Vorhaben des Bundes, die flächendeckende Arzneimittelversorgung sicherzustellen und die Landapotheken zu stärken.
„Die avisierte Anpassung der Honorare über Verhandlungslösung muss zeitnah umgesetzt werden. Besonders der Erhalt von ländlichen Apotheken hat hier oberste Priorität, etwa durch gesonderte Zuschläge für Landapotheken“, erklärt der Minister weiter. Bis diese Förderung in der Praxis umgesetzt werden könne, sei unverzichtbar, die Vergütung ländlicher Apotheken über eine signifikante Anhebung der Nacht- und Notdienstpauschale auf den doppelten Betrag anzuheben. Auch die Vergütung von Teilnotdiensten sei ein richtiger Schritt. „Das ist für das Flächenland Niedersachsen ein großer Vorteil!“
Kritisch sehe der Minister dagegen die Abgabe von Rx-Arzneimitteln ohne Verordnung bei Neumedikation. Die Verordnung neuer Medikamente bedürfe einer Anamnese, Diagnostik und Diagnose sowie eines kritischen Abwägens der Behandlungsalternativen. „Deshalb sollten hier im Zuge der Apothekenreform entsprechende Anpassungen erfolgen.“