Recherche für ZDF-Format

Vegane Medikamente: Apothekerin erklärt Fallstricke

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Berlin -

Honigwachs, Gelatine, roter Farbstoff oder schlichtweg Lactose – Fallstricke für die Beratung von Veganer:innen gibt es viele. Das Team der Gaussturm-Apotheke von Inhaberin Stefanie Schön-Heider hat für das ZDF-Format „Volle Kanne“ recherchiert. Apothekerin Nathalie Borgmann verrät Details ihrer Recherche – und wie wichtig die Apotheke vor Ort als Ansprechpartner bei Unverträglichkeiten ist.

Dass es viele Fallstricke gibt, weiß die Apothekerin vor allem seit ihrer intensiven Recherche für das TV-Format. „Je tiefer wir ins Thema eingetaucht sind, desto mehr ist uns aufgefallen, wie viele Zusatzstoffe es neben den offensichtlichen wie Laktose und Gelatine noch gibt.“ Oftmals sei die Herkunft der Stoffe nicht ganz klar. „Da haben wir dann Anfragen an die Hersteller geschickt und nochmal nachgefragt, weil es viele Hilfsstoffe gibt, die vegan, aber genauso gut auch tierischen Ursprungs sein können.“

Ein gutes Beispiel dafür sei Shellac, in Kosmetika oft als Zusatzstoff E904 deklariert. Es wird in der Regel aus dem Harz der Lacklaus gewonnen und ist daher nicht vegan. Es gibt jedoch vegane Alternativen aus pflanzlichen oder synthetischen Materialien. In der Deklaration wird oftmals nicht unterschieden, welchen Ursprungs E904 ist. „Häufig sind wir dann am Ende der Suche angekommen, weil nicht jede Firma uns dazu etwas sagen wollte oder konnte“, berichtet Borgmann.

Keine einheitliche Deklaration

Ganz anders verhält es sich mit Honig oder Honigwachs – die Erzeugnisse sind nicht vegan, da sie von Tieren stammen. Viele Veganer:innen lehnen auch nur Industriehonig ab, da Bienen dort oft ausgebeutet oder getötet werden. „Es gibt allerdings Firmen, die Honig nicht als Tierprodukt deklariert. Sie sagen, dass es nicht direkt vom Tier stamme und deshalb vegan sei“, erklärt die Apothekerin.

In der Recherche fielen ihr derartige Diskrepanzen häufiger auf. „Es gibt bei vielen Firmen kein festes Regelwerk. Häufig sind intern Inhaltsstoffe als vegan deklariert, die dann letztlich nicht vegan sind.“ Grundsätzlich gebe es keine Richtlinie, an die sich Hersteller halten können oder müssen – für Borgmann extrem schwierig. „Dementsprechend kann es sein, dass ein Kunde ein Präparat nicht mitnimmt, weil er nicht sicher nachvollziehen kann, ob es für ihn geeignet ist.“

Kein rein veganes Problem

Das Deklarationsproblem könne man auf viele weitere Felder – wie Unverträglichkeiten oder auch Religion – ausweiten. In der ZDF-Recherche sei es zwar ausschließlich um vegane Arzneimittel gegangen, „gleichzeitig ist uns aufgefallen, wie viel wir in der Beratung trotzdem aufklären und vermitteln können.“ Außerdem stellen Hersteller immer mehr Alternativen bereit – immerhin liegt eine fleischfreie (vegetarisch) oder tierfreundliche (vegan) Ernährung im Trend. Laut dem Ernährungsreport 2024 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ernähren sich in Deutschland acht Prozent vegetarisch und zwei Prozent vegan – das entspricht etwa 6,7 Millionen beziehungsweise 1,7 Millionen Menschen.

Expertise aus der Apotheke

Apothekenteams sind hier oft die erste Anlaufstelle. „Wir haben in dem ZDF-Beitrag deutlich betont, dass die Apotheke vor Ort für eine Beratung offen steht und wir uns da freuen, wenn wir angesprochen werden und helfen können.“

Borgmann betont: „Ich glaube, dass das Wichtige ist, dass ein Beratungsangebot besteht, dass Aufklärung möglich ist und dass wir transparent machen, dass wir uns auskennen.“ Nicht jeder sei sich darüber bewusst, dass Unverträglichkeiten gegenüber Stoffen wie Laktose oder Gelatine auch Arzneimittel betreffen. „Wenn man nicht im pharmazeutischen oder medizinischen Bereich tätig ist, werden Medikamente noch einmal anders wahrgenommen als Nahrungsmittel oder Nahrungsergänzungsmittel. Es ist etwas anderes darauf zu achten keinen Käse und kein Fleisch zu essen. In die Apotheke zu gehen und Medikamente kaufen ist auch Teil einer bewussten Entscheidung für oder gegen etwas.“

Und der Tierschutz?

Im Zusammenhang mit Arzneimitteln drängte sich den Apothekerinnen dann auch das Thema Tierschutz auf. „Für die Zulassung von neuen Arzneimitteln sind leider immer Tierversuche nötig“, weiß Borgmann. „Unsere Empfehlung ist dann, auf Generika auszuweichen, weil dafür nicht erneut ein Versuch gemacht werden muss.“

Der Normalverbraucher wisse oft gar nicht, dass bei manchen Medikamenten solche Versuche dazugehören. Und wie genau die Verfahren bei Originalpräparaten und Generika ablaufen, das wissen viele eben auch nicht. Man muss sich da wirklich gut informieren.“

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