Brief an Rechenzentren

Streit um Liefervertrag: AOK BaWü streicht Abschläge

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Berlin -

Die AOK Baden-Württemberg zahlt demnächst keine Abschläge mehr an die Rechenzentren. Die Apotheken sollen ihr Geld zwar weiter pünktlich erhalten, die finanzielle Situation ihrer Abrechnungsdienstleister könnte es aber empfindlich belasten. Was hat es damit auf sich?

Eigentlich erhalten die großen Rechenzentren seitens der AOK Baden-Württemberg eine Abschlagszahlung, sodass diese ihrerseits Vorabzahlungen an die Apotheken zahlen können. Bereits im März hat die Kasse jedoch eine entsprechende Vereinbarung mit den Abrechnungsdienstleistern gekündigt. Gründe wurden nicht genannt.

Ende September läuft die Vereinbarung damit aus, fortan wird es nach jetzigem Stand keine Vorauszahlungen mehr geben. Vor allem große Anbieter wie Noventi, ARZ Haan oder Narz könnte der Schritt in ihrer Liquidität empfindlich treffen. Hinter den Kulissen wird verhandelt, aber eine Einigung gibt es nach wie vor nicht.

„Nur eine geringe Anzahl der auf dem Markt tätigen Apothekenrechenzentren unterhalten Verträge mit der AOK Baden-Württemberg“, teilt ein Sprecher der AOK auf Nachfrage mit. „Die bestehende Zusammenarbeit funktioniert im Allgemeinen sehr gut, weshalb wir uns bereits gemeinsam mit unseren Vertragspartnern um eine Neugestaltung derartiger Verträge kümmern.“

Zu den Gründen machte er ebenfalls keine Angaben. Die Apotheken sollen ihr Geld trotzdem weiterhin pünktlich erhalten – und zwar im Rahmen der gesetzlichen Frist: Im Arzneiversorgungsvertrag mit der AOK Baden-Württemberg wird auf § 130 Sozialgesetzbuch (SGB V) Bezug genommen, nach dem die Abrechnung der Apotheken innerhalb von zehn Tagen beglichen werden muss – Hintergrund ist hier der Anspruch auf den Kassenabschlag.

Einen Anspruch auf Vorauszahlungen seitens der Rechenzentren haben die Apotheken aus Sicht der Kasse aber nicht. Nicht zwingend geregelt sei dagegen die Möglichkeit einer Abschlagszahlung, so der AOK-Sprecher weiter. „Auch wenn es keine Vorgaben zu Abschlägen gibt, ist daher sichergestellt, dass die Zahlungen geregelt und fristgerecht erfolgen.“

Verhandlungen zum Liefervertrag

In der Branche geht man davon aus, dass die Aktion im Zusammenhang mit den Gesprächen zum Liefervertrag zu sehen ist. Derzeit wird über Neuregelungen verhandelt, wie eine Sprecherin des Landesapohekerverbands (LAV) bestätigt. Details verraten wollte sie nicht.

Vor allem das Thema Direktabrechnung könnte hier für Kontroversen sorgen. Denn im aktuell geltenden Arzneiversorgungsvertrag ist bereits von einer Abrechnung „spätestens einen Monat nach Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lieferung erfolgte“, die Rede. Vor einem Jahr hatte Scanacs diese Formulierung dahingehend ausgelegt, dass Apotheken auch im Verlauf eines Monats bereits abrechnen könnten. Ein gemeinsames Pilotprojekt wollte die AOK Baden-Württemberg damals aber nicht bestätigen.

Beim LAV dürfte man mit großem Interesse den Vertragsabschluss der AOK Nordost verfolgt haben. Die Kasse erlaubt seit Monatsbeginn nur noch die Abrechnung über ein Rechenzentrum und nicht über getrennte Wege. Bei Scanacs wurden E-Rezepte und Papierrezepte bislang getrennt eingereicht. Im Gegenzug sind in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ab kommendem Jahr kürzere Zahlungsfristen vorgesehen. Ab August 2026 sollen Apotheken die Möglichkeit erhalten, ihre Versorgungsleistungen in bis zu drei Rechnungen je Abrechnungsmonat abzurechnen.

Eine solche Regelung wird man wohl auch in Baden-Württemberg anstreben, doch hier ist die Gemengelage unübersichtlich: Während der LAV neben den Interessen der Apotheken auch die Belange des apothekereigenen Rechenzentrums Noventi im Blick haben dürfte, gibt es mit Benedikt Bühler einen erklärten Befürworter der Direktabrechnung. Die AOK wird wenig Interesse daran haben, zwischen die Fronten zu geraten.

„Wir befinden uns in konstruktiven Gesprächen mit der AOK Baden-Württemberg und dem LAV Baden-Württemberg über die künftige Ausgestaltung der Abschlagszahlungen“, heißt es von Noventi. „Ziel ist es, gemeinsam eine zukunftsorientierte Regelung zu entwickeln.“

Solange das nicht gelingt, müssen nach dem Manöver der Kasse die Rechenzentren und vielleicht auch Apotheken vorerst um ihre Abschläge bangen. Es geht um zwei- bis dreistellige Millionenbeträge.

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