Kristin Stollberg, Inhaberin der Recknitz-Apotheke in Ribnitz-Damgarten (Mecklenburg-Vorpommern), hat eine Petition gestartet, um gegen den neuen Inkontinenz-Vertrag der AOK Nordost zu protestieren. „Die Politik in den Bundesländern muss die AOK Nordost für diese diskriminierenden Hürden in die Schranken weisen“, fordert die Apothekerin in ihrem Aufruf – und erntet dafür nicht nur Unterschriften, sondern auch Zuspruch.
Fünf Medizinprodukteberater:innen mit einjähriger Berufserfahrung, bundesweiter Versand von Inkontinenzartikeln frei Haus, durchgängige Versorgung innerhalb von drei Werktagen nach Eingang der Verordnung – mit diesen Anforderungen macht die AOK Nordost aus Sicht Stollbergs eine Teilnahme von Apotheken am neuen Versorgungsvertrag unmöglich, „weil die AOK dort Voraussetzungen vorschreibt, die keine Apotheke erfüllen kann“.
Deshalb fordert sie: „Die AOK Nordost muss die Klausel aus der Regelung entfernen, die allen Apotheken die Versorgung ihrer Patient:innen verwehrt.“ Stollberg betont: „Die Politik in den Bundesländern muss die AOK Nordost für diese diskriminierenden Hürden in die Schranken weisen.“
Ohne ein Einlenken sei eine niedrigschwellige, regionale und zeitnahe Versorgung bei Inkontinenzprodukten nicht zu sichern. „Es muss Schluss sein mit der Benachteiligung von alten Menschen, Menschen mit Behinderung und pflegebedürftigen Menschen.“ Eine stärkere Ausrichtung auf große Versand- und Wirtschaftsunternehmen bringe für Patient:innen keinerlei Vorteile, schreibt die Inhaberin. „Und sie schadet den regionalen, inhabergeführten Apotheken, die seit Jahren gute Arbeit mit ihren Patient:innen geleistet haben.“
Zudem würde eine Zustellung dieser diskreten Waren an Nachbarn, im Hausflur oder an sonstigen Ablageorten zur Normalität werden. Die Apothekerin prognostiziert: „Eine zeitnahe Versorgung am gleichen oder Folgetag ist ausgeschlossen. Ebenso ist für den Reklamationsfall nicht vorgesorgt.“
Mit der Umstellung zu Anfang Oktober stehe den Betroffenen nur noch ein Callcenter als Ansprechpartner zur Verfügung. „Eine individuelle, persönliche Beratung von Betroffenen und Angehörigen ist damit nicht mehr vorhanden. Wer am Telefon unsicher ist, schwer hören kann oder anderweitig körperlich oder geistig eingeschränkt ist, ist komplett abgehängt“, kritisiert Stollberg.
Die am 9. Juli gestartete Petition wurde bereits über 250 Mal unterzeichnet. Mit knapp 100 Kommentaren ist das Feedback – sowohl von Seiten der Apothekenteams als auch von Kundinnen und Kunden – riesig. „Ich habe seit über 20 Jahren viele Patienten versorgen dürfen und jetzt bin ich nicht mehr qualifiziert als PTA?“, fragt sich eine Kommentatorin. Viele ältere Patient:innen bräuchten die monatliche persönliche Beratung; das sei kein Thema, „was man gerne mit wildfremden Leuten bespricht!“
Eine Angehörige stellt klar: „Meine Mutter war betroffen und wurde in der Apotheke sehr gut beraten. Eine telefonische Beratung hätte sie wegen ihrer Schwerhörigkeit niemals in Anspruch genommen.“
Ein weiterer Kommentar geht auf die Hilflosigkeit der Patient:innen ein: „Wir werden gerade täglich durch verunsicherte Patienten gefragt, welchen der genannten Versender sie denn nun wählen sollen, wenn sie mit diesem sensiblen Thema nicht mehr zu uns in die Apotheke vor Ort kommen dürfen.“
Das bestätigt auch eine Apothekerin aus Dahlewitz in Brandenburg und betont zudem, dass die Apotheke vor Ort – wieder einmal – „kostenfrei Aufklärungs- und Beratungsarbeit leistet.“
Die Handhabe der AOK Nordost sei eine „erneute Missachtung der Leistungen, die tagtäglich durch uns Apotheken erbracht wird. Und eine Schröpfung der Patienten, da zu der neuen Versorgungspauschale keine mehrkostenfreie Versorgung (auch für die Versender) möglich sein wird. Das heißt, die Patienten werden dann an jedem Monats- oder Quartalsende eine saftige Rechnung an Mehrkosten zu begleichen haben.“