370 Angebote bundesweit

„Lange Nacht des Impfens“ vor allem mit Apotheken

, Uhr
Berlin -

Zahlreiche Apotheken und Arztpraxen laden heute bundesweit zur „Langen Nacht des Impfens“ ein. Bis zu später Stunde ist es möglich, sich gegen Corona und Grippe impfen zu lassen – vor allem in Apotheken, denn Arztpraxen beteiligen sich nur wenig. Laut aktuellem Stand nehmen deutschlandweit etwa 370 Einrichtungen teil, wie der offiziellen Website zu entnehmen ist; etwa 360 davon sind Apotheken. Auch zwei Gesundheitsämter machen mit.

Die Aktion findet das dritte Jahr in Folge statt. Ziel ist es, auf die anstehende Impfsaison aufmerksam zu machen und die Impfquoten in Deutschland zu erhöhen. Insbesondere bei der Grippe sind die Quoten niedrig. Nach Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) waren in der Saison 2023/2024 nur etwa 38 Prozent der über 60-Jährigen gegen Influenza geimpft. Ziel der Weltgesundheitsbehörde (WHO) ist in dieser Altersgruppe eine Quote von 75 Prozent. Auch bei den Covid-19-Auffrischimpfungen bestehen Experten zufolge große Lücken.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt eine jährliche Auffrischungsimpfung gegen Covid-19 und Influenza unter anderem Menschen ab 60 Jahren und Personen mit Vorerkrankungen. Eine Impfung wirke wie ein Schutzschild, erklärte kürzlich Dr. Johannes Nießen, kommissarischer Leiter des Bundesinstituts für Öffentliche Gesundheit. „Sie senkt das Risiko schwerer Verläufe deutlich und kann so im Ernstfall Leben retten.“

Gestern rief bereits Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) dazu auf, das Angebot der Aktion zu nutzen. Die Abda wies darauf hin, dass Apotheken in acht Bundesländern sich an Impf-Aktionen wie der „Langen Nacht“ oder des „Langen Tags“ des Impfens beteiligen würden. „Die Impflücken – insbesondere bei Grippe – sind nach wie vor groß. Die Apothekerschaft möchte zu einer besseren Immunisierung der Bevölkerung beitragen. Deswegen werben wir dafür, sich impfen zu lassen. In den Apotheken ist dies auch möglich – zum Teil auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten“, so Abda-Präsident Thomas Preis. Manche Apotheken sind so heute bis 22 oder sogar 23 Uhr zum Impfen bereit.

Kein bundesweites Angebot

Mit dabei sind heute vor allem Apotheken in Berlin, Baden-Württemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz, dem Saarland, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Hessen, teils auch mit Terminen außerhalb der üblichen Öffnungszeiten, um möglichst viele Menschen anzusprechen. Auch in den anderen Bundesländern gibt es einzelne Angebote. In Brandenburg machen beispielsweise nur drei Apotheken am Berliner Stadtrand mit, auch in Sachsen-Anhalt sind es nur vier. „Das ist kein Masseneffekt in Sachsen-Anhalt“, sagte der Vorsitzende des Landesapothekerverbandes, Mathias Arnold. Das Impfen in Apotheken spiele hier bislang nur eine kleine Rolle. Viele Menschen ließen sich traditionell beim Hausarzt impfen.

Arnold führt das auch auf die vergleichsweise hohe Impfquote im Land zurück. „Wir Sachsen-Anhalter haben bei der Influenza eine Durchimpfungsquote von 54,9 Prozent erreicht – damit liegen wir bundesweit an der Spitze“, sagte er. In Sachsen-Anhalt sei die Impfbereitschaft ohnehin hoch – die meisten, die sich impfen lassen wollen, hätten dies längst getan.

Großes Potenzial, wenig Nachfrage, wirtschaftlich nicht rentabel

Zudem lohne sich das Impfangebot für viele Apotheken wirtschaftlich nicht. „Ich müsste zuerst noch einen separaten Raum haben, den ich zu nichts anderen benutzen darf, als zu impfen“, erklärte Arnold. Hinzu komme, dass Apotheken dafür Personal einplanen müssten, obwohl die Nachfrage bislang gering sei.

Viele Apotheken im Land hätten sich zwar auf das Impfen vorbereitet. Nach Angaben Arnolds hätten rund 90 Prozent der Apotheken die gesetzlich vorgeschriebene Zusatzqualifikation zur Durchführung von Impfungen erworben. Die Erwartungen seien zunächst hoch gewesen, die Nachfrage nach Grippeimpfungen aber relativ gering geblieben, weil das meiste durch Ärztinnen und Ärzte abgedeckt worden sei.

Warum sich nur wenige Apotheken in Sachsen an der Impfaktion beteiligen, lässt sich laut Sächsischer Landesapothekerkammer (SLAK) nicht eindeutig sagen. Die Sprecherin und stellvertretende Geschäftsführerin Solveig Wolf sagte, die Kammer habe die Apotheken in diesem Jahr mit Informationsmaterial versorgt und ihnen freigestellt, eigene Aktionen zu organisieren. Der Sächsische Apothekerverband plant nach eigenen Angaben, sich im kommenden Jahr an der bundesweiten Aktion zu beteiligen.

Zu den Gründen für die geringe Beteiligung nannte die SLAK unter anderem Ferienzeit und Personalmangel. „In Sachsen sind Herbstferien, und da ist auch Apothekenpersonal im Urlaub“, sagte Wolf. Zudem ließen sich viele lieber beim Hausarzt impfen. Das Impfen in Apotheken sei noch neu und müsse sich erst etablieren.

Impfvergütung nicht kostendeckend

Auch in Thüringen ist Impfen in Apotheken ein Nischenangebot. Der Verbandsvorsitzende Stefan Fink nannte auf Anfrage finanzielle und organisatorische Gründe, wie Räumlichkeiten und wenig Personal, für die geringe Bereitschaft. Das bedeute zusätzlichen Aufwand und Kosten. „Das macht eigentlich nur in einem größeren Apothekenzentrum Sinn oder wenn man sich niedergelassenen Ärzten abstimmt, Impfungen zu übernehmen.“ Für kleinere Apotheken lohne sich der Aufwand nicht. Die von den Krankenkassen gezahlte Impfvergütung sei vor allem bei geringen Impfungszahlen nicht kostendeckend. Hinzu komme, dass etwa die Grippeschutzimpfung ein Saisongeschäft sei und möglicherweise vor jeder neuen Impfsaison das Apothekenpersonal dafür neu geschult werden müsse. Weitere Impfangebote könnten erst mit Umsetzung der geplanten Apothekenreform kommen.

In der Saison 2024/2025 impften die Apotheken bundesweit etwa 122.000 Menschen gegen Grippe und rund 80.000 Personen gegen das Coronavirus. Hier sei noch Potenzial, so die Abda. Eine von der Standesvertretung in Auftrag gegebene forsa-Umfrage aus dem Frühjahr unter 3441 Personen zeige, dass viele Personen, vor allem jüngere, zum Impfen in die Apotheke gehen würden – 46 Prozent der Befragten; bei den unter 30-Jährigen sogar 59 Prozent.

Die Nacht ist eine Initiative des Bundesverbands der Versorgungsapotheker (BVVA). Vor dem Beginn der Saison der akuten Atemwegsinfektionen will der Verband auf die Bedeutung schützender Impfungen aufmerksam machen.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr aus Ressort
„Viele Apotheken prüfen Rezepte nicht sorgfältig“
Rezeptbetrug: Apothekerin kontert Bild
Neuordnung der Apothekenaufsicht
Verwaltungsvorschrift: QMS für Amtsapotheker

APOTHEKE ADHOC Debatte