„Punkte sammeln statt Inhalten"

Kemmritz kritisiert PTA-Reform: Berufsstand degradiert

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Berlin -

Die Reform des PTA-Berufes, die Anfang Januar in Kraft getreten ist, sollte die PTA in der Apotheke eigentlich stärken. Laut Dr. Kerstin Kemmritz, Präsidentin der Apothekerkammer Berlin, wurde das Gegenteil erreicht. Sie hält einige Neuerungen für eine Degradierung der PTA.

Die Befugnis zum Abzeichnen von Verschreibungen kann laut Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) § 17 bis auf einige Ausnahmen vom Apothekenleiter oder der Apothekenleiterin auf pharmazeutisch-technische Assistenten übertragen werden. Maßgebend ist dafür § 3 ApBetrO, dieser wurde zum 1. Januar angepasst: Demnach können PTA nun auch für bestimmte andere pharmazeutische Tätigkeiten von der Beaufsichtigungspflicht befreit werden, die Vereinbarung muss allerdings ausführlich dokumentiert und darf nur unter bestimmten Voraussetzungen getroffen werden. So wird laut § 3 ApBetrO eine mindestens dreijährige Tätigkeit in Vollzeit gefordert; wurde die Ausbildung mit weniger als der Gesamtnote „gut“ abgeschlossen, sind es sogar fünf Jahre. Mindestens ein Jahr unter Aufsicht des Apothekenleiters oder der Apothekenleiterin ist genauso Pflicht wie ein gültiges Fortbildungszertifikat.

Nachbesserungen unwahrscheinlich

Die PTA-Reform war Anfang 2020 noch unter Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verabschiedet worden. Kemmritz hält sie für „gut gemeint, nicht gut gemacht“. Das Gesetz sei schnell über den Zaun gebrochen geworden, das Resultat sei nun eine Novellierung ohne Neuerungen. „In Zukunft wird es dann lange Zeit leider heißen, dass wir doch gerade erst eine Reform hatten“, so Kemmritz. Schnelle Nachbesserungen hält sie daher für unwahrscheinlich.

Die Apothekerkammern sind per se nicht für den Berufsstand der PTA zuständig, das Fortbildungsangebot gar nicht auf die zusätzliche Belastung ausgelegt. Kemmritz fühlt sich unvorbereitet, „wir haben das gar nicht auf dem Schirm gehabt, weil es auch keine erhöhte Nachfrage in den letzten Monaten dazu gab, weder für Fortbildungsangebote noch für eine Zertifizierung der Angebote anderer Anbieter", gibt sie zu. Die letzten drei Jahre waren durch die Pandemie geprägt, in den letzten Monaten bestimmten vor allem die Lieferengpässe den Apothekenalltag.

Formalitäten statt vernünftiger Arbeit

Vorher lag die Erteilung der Abzeichnungsbefugnis im Ermessen des Apothekenleiters oder der Apothekenleiterin, in den Augen von Kemmritz „eine sehr sinnvolle und sehr gute Variante, da die Apothekenleitung ja auch für den korrekten Einsatz des Personals verantwortlich ist“. Jetzt ist die Befugnis an das Fortbildungszertifikat geknüpft, das bedeute erst einmal „zusätzliche Hürden“ im Apothekenalltag. Für sie entspricht die Reform einer „Degradierung des Berufsstandes, dabei haben die PTA ihre Qualitäten nicht nur in der Pandemie bewiesen“. Jetzt berufe man sich auf Formalitäten statt wie bisher auf vernünftige Arbeit zu setzen. Auch die Formulierung der „schriftlichen Anhörung“, wie sie nun in der ApBetrO verlangt wird, passt für Kemmritz nicht zusammen.

„Wir werden jetzt Schwierigkeiten haben, bis die PTA rechtssicher weitermachen dürfen wie bisher“, so die Kammerpräsidentin, da es auch keine Übergangsregelung für die heutigen PTA gebe. Die PTA ohne Zertifikat müssten nun alles an Fortbildungen mitmachen, was geht, um die Befugnisse möglichst schnell wiederzuerlangen. Dabei verlieren laut Kemmritz die Fortbildungen, „wenn es nur um das Sammeln von Punkten anstelle von Inhalten geht“, ihre Wesentlichkeit. „Diese Regelung kommt mit auf die Liste der Bürokratie, die nicht hilfreich ist“, so Kemmritz weiter.

Fortbildungen außerhalb der Arbeitszeiten

Hinzu komme der Personalmangel: „Zusätzliche Fehlzeiten in dieser personellen Knappheit und Enge zu stemmen, ist für die Apotheken utopisch.“ Die PTA seien während der Arbeitszeiten nicht entbehrlich und könnten die Punkte dementsprechend eigentlich nur außerhalb der Arbeitszeiten aufholen – je nach Punktestand in entsprechend hohem Umfang. „Ich sehe darin eine Verschlechterung“, so Kemmritz über die Auswirkungen auf die öffentlichen Apotheken. Ein Großteil der Punkte lasse sich zwar über Online-Seminare oder Lernkontrollen erwerben, um einige Präsenztermine kämen die PTA aber nicht herum und würden dann definitiv in der Apotheke fehlen.

„Es gibt schon PTA in Berlin mit Zertifikat, aber das sind nicht viele“, berichtet die Präsidentin über die Erfahrungen in ihrem Kammerbezirk, aktuell sind es in Berlin gerade einmal 19. Was die Neuerung in den nächsten Monaten und Jahren in den Apotheken bedeuten wird, ist ungewiss. „Viele Fragen werden erst durch die Praxis aufkommen“, so Kemmritz.

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