Ab dem 1. Oktober ist Schluss: Apotheken ohne Einzelvertrag können dann ihre bei der AOK Nordost versicherten Kund:innen nicht mehr mit Inkontinenzprodukten beliefern. „Wir haben 152 AOK-Versicherte versorgt“, erklärt Inhaberin Ivonne Müller aus der Rats-Apotheke in Marlow. Dennoch zeichne sich bei einigen Patient:innen eine Weiterversorgung ab: Einige Betroffene zahlen künftig in der Apotheke genauso viel wie beim potenziell neuen Versender – viele Patient:innen möchten deshalb weiterhin vor Ort beliefert werden. „Die AOK hat jetzt genau das, was sie wollte: Am Ende bezahlen die Betroffenen ihre Sachen selbst.“
Die Kündigungsschreiben der Kasse trudelten nicht nur nach und nach ein, erinnert sich Müller: „Mal kamen 40 Briefe auf einmal, manchmal aber auch nur kleckerweise. Die Post hatte gut zu tun.“
Die Schreiben wurden vor einigen Tagen ausgepackt, sortiert und archiviert. Dabei kam die Idee, die Papierflut auf Social Media sichtbar zu machen. „Den Kommentar dazu hat meine Kollegin Dana Langhof verfasst, sie hat unsere AOK-Versicherten jahrelang betreut, das war ein bisschen ihr Baby. Sie ist sehr traurig, dass das jetzt wegfällt.“
Insgesamt sind 152 AOK-Versicherte betroffen. „Im Endeffekt ist das eine Budgeteinkürzung mit schlechterer Versorgung der Patienten.“ Sie schätzt, dass die Regelung so entwickelt wurde, „dass die Kasse irgendwann gar nichts mehr zahlt“.
Müller kritisiert, dass es dennoch Apotheken gibt, die diesen „Knebelvertrag“ eingehen. „Dass wir da nicht gemeinsam die Stange halten, ist nicht schön.“
Einmal mehr würden Apothekenteams in die Vermittlungsrolle gedrängt: „Die Menschen wundern sich, warum sie plötzlich so viel mehr zahlen müssen. Wir hatten erst gerade wieder eine Kundin, die für ihre Versorgung beim neuen Versender genau so viel bezahlen soll wie bei uns, wenn sie es frei kaufen würde“, erklärt Langhof und betont: „Das ist kein Einzelfall, das haben wir hier tagtäglich.“
Auch dass Versorger die Ware für einen Zeitraum von bis zu drei Monaten liefern, sei für viele Patientinnen und Patienten ein Problem: „Die Leute beschweren sich bei uns, dass sie es für drei Monate nehmen müssen.“ Viele Kundinnen und Kunden wüssten bei der Menge an Material gar nicht, wo sie es lagern sollen.
„Deswegen haben sich schon viele Patienten dazu entschieden, sich weiterhin von uns beliefern zu lassen und dann aber voll zu bezahlen.“ Sie ist sich sicher: „Die AOK hat jetzt genau das, was sie wollte: Am Ende bezahlen die Betroffenen ihre Sachen selbst.“
Im Endeffekt bekomme ihre Kundschaft von den neuen Versorgern keine anderen Produkte, sondern müsse für die gleichen Produkte deutlich mehr Aufzahlung leisten. „Aufzahlungsfrei ist gleichbedeutend mit schlechterer Qualität.“ Darauf hätte das Apothekenteam seine Patientinnen und Patienten bereits vorbereitet: „Leute mit richtiger Inkontinenz müssen draufzahlen.“
Die Inhaberin betont: „Man zahlt jahrelang in die Kasse ein und wenn man alt und gebrechlich ist, dann ist das egal.“ Ein Großteil ihrer Kundschaft sei deutlich älter und wurde bislang einmal im Monat mit Inkontinenzmaterial beliefert.
„Ältere haben im HV geweint. Wenn man 85 Jahre alt und alleine ist und dann gesagt bekommt, dass es demnächst keine Belieferung mehr gibt, dann löst das Verzweiflung aus.“ Zwar habe das Team seine Kundschaft rechtzeitig informiert, aber nicht immer könnten sich Betroffene selbst kümmern, weiß die Inhaberin.
Tatsächlich brachte die Situation auch heitere Momente mit sich: „Ein Stammkunde kam mit dem AOK-Schreiben samt Versorgerliste zu uns und meinte: ‚Ich habe das mal alles durchgestrichen und die Rats-Apotheke-Marlow als Versorger angegeben. Das ist doch richtig so, oder muss ich noch etwas machen?‘“ Über diese Wertschätzung habe sich das Team sehr gefreut. „Es ist schön, zu dieser schlimmen Situation auch eine heitere Anekdote erzählen zu können“, so Müller.
Ihrer Meinung nach seien die Versicherten „im Endeffekt jetzt aufgeschmissen“. Einige ihrer Kundinnen und Kunden hätten noch keine Zusicherung zur Weiterversorgung erhalten. „Wir sind eine kleine Dorfapotheke, man kennt sich hier und natürlich wird uns berichtet, wir sind ein Stück weit auch Kummerkasten.“