Die Engpässe von Arzneimitteln hätten sich zwar in diesem Jahr etwas entschärft, dafür seien sie aber deutlich mehr in der Breite vorhanden, erklärt Dr. Lutz Gebert, Inhaber der Osterland-Apotheke im thüringischen Schmölln. Sein Eindruck: Mittlerweile haben etliche Hersteller ein „dickes Fell“ in puncto Lieferschwierigkeiten entwickelt: „Ein schlechtes Gewissen haben die meisten einfach nicht mehr, wenn es um die Versorgung der Patienten geht.“
Der Mangel ist laut Gebert im Vergleich zu den Vorjahren nicht mehr schwerpunktartig bei Fiebermitteln und Antibiotika vorhanden. Aber: „Bei mir umfasst die Liste noch rund 100 Präparate, die ich für meine Patienten bräuchte, aber nicht bekomme.“
Zwar versuche er stets eine Lösung für die Patienten anzubieten, aber das klappe nicht immer. „Wir müssen schlimmstenfalls zusammenstückeln, oder auch mal jemanden zurück zum Arzt schicken“, sagt der frühere Vizepräsident der Landesapothekerkammer Thüringen (LAKT). Was Gebert ebenfalls feststellt: „Manche Präparate stehen schon seit bald zwei Jahren auf meiner Defektliste.“
Mittlerweile gebe es fast keinen Bereich ohne Engpass mehr, so Geberts Eindruck. Von Insulin über Gichtmitteln, Blutdrucksenker, Augentropfen bis hin zu Verhütungsmitteln; es fehle etliches. „Ein kleiner Schwerpunkt zeichnet sich im Bereich der Psychopharmaka ab.“ Er bekomme momentan kaum Alprazolam, Quetiapin oder Doxepin.
Gebert, der klar gegen Hamsterkäufe ist, rät aber auch dazu, dass sich Patient:innen mit Dauermedikation bis zur nächsten Vorbestellung nicht allzu viel Zeit lassen. „Es muss im gesunden Maß passieren. Einen Vorrat für etwa 14 Tage zu haben, halte ich insbesondere für Chroniker sinnvoll“, rät der Apotheker.
„Wenn wir uns das Warenlager vollhauen, hat niemand etwas davon. Zumal man sich das auch gar nicht mehr leisten kann.“ Er denkt dabei auch an seine Kollegen. „Wenn einer hamstert, hat der nächste gar nichts.“ Um in schwierigen Fällen noch „etwas abzubekommen“, kontrolliere er gerne auch mal nachts die Verfügbarkeiten.
Ein weiteres Problem: „Inzwischen teilen viele Pharmafirmen auch gar nicht mehr mit, wann ein Medikament wieder lieferbar ist.“ Mehr noch: „Die meisten Hersteller haben sich ein dickes Fell zugelegt und gar kein schlechtes Gewissen mehr, wenn sie mitteilen, dass Medikament XY erst in einem halben Jahr wieder produziert werde.“ Früher hätten diese wenigstens versucht, den Schein zu wahren und eine ungefähre Lieferzeit in Aussicht gestellt. „Der Patient spielt dabei kaum noch eine Rolle“, kritisiert Gebert.
Im Hinblick auf die Patienten sei die Reaktion auf Nichtverfügbarkeiten sehr unterschiedlich. „Manche sind richtig verärgert oder auch besorgt“, berichtet Gebert. Allerdings hätten viele Menschen auch Verständnis und schieben die Schuld nicht den Apotheken zu. „Am Ende bleibt der Mehraufwand aber bei uns hängen, denn wir kommunizieren mit den Praxen und müssen eine Lösung suchen.“