Pharmazeutin übernimmt zwei Betriebe

Industrie-Apothekerin rettet Pleite-Apotheke

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Berlin -

Raus aus der Industrie, rein in die öffentliche Apotheke. Nicht oft verschlägt es Approbierte von einer Pharmakarriere in die Apotheke. Anders bei Tanja Reischl-Stenske. Die 48-Jährige wollte näher an die Patientinnen und Patienten und setzt sich für den Erhalt der Versorgung vor Ort ein. Sie übernahm nicht nur eine geschlossene Apotheke, sondern auch einen insolventen Betrieb mit dem kompletten Team.

Immer mehr selbstständige Apothekerinnen und Apotheker stecken in der Krise. Die Zahl der Betriebe sinkt und viele Approbierte hadern mit einem eigenen Betrieb. Reischl-Stenske schreckte vor dieser Entwicklung nicht zurück. Die Apothekerin, die unter anderem bei Wörwag und Betapharm tätig war und zuletzt als Selbstständige bei Produkteinführungen geholfen hat, suchte diese Herausforderung. „Ich wollte wirklich etwas für die Patienten tun“, sagt sie.

Geschlossene Apotheke gerettet

Im Februar übernahm sie zunächst die Hohe-Wart-Apotheke von Dietmar Schütze in Herbrechtingen, der den Betrieb nach 37 Jahren Ende 2024 geschlossen hatte. Die Apotheke war nur wenige Wochen zu und wurde im Zuge der Neueröffnung in Imperial-Apotheke umbenannt. Eine Apotheke zu führen, sei „ein anderes Leben“, sagt Reischl-Stenske.

Während sich die ehemalige Industrie-Apothekerin auf ihre neue Rolle als Inhaberin einstellte, wurde Ende März das vorläufige Insolvenzverfahren von Margarete Flack angeordnet. Die damalige Inhaberin der Bärenapotheke in Giengen war zahlungsunfähig. „Die Voraussetzungen für ein Eigenverwaltungsverfahren lagen nicht vor“, so Henning Necker, der als Rechtsanwalt das Verfahren betreute. Den Beteiligten sei klar gewesen, dass eine Stilllegung des Betriebs nur durch sehr schnelles Handeln zu verhindern sei.

Necker schloss Vereinbarungen mit den Lieferanten und sonstigen Beteiligten und konnte erreichen, dass das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Doch weil das Insolvenzgeld nur drei Monate an die Angestellten ausgezahlt wird, war klar, dass die Bärenapotheke entweder ab Juli von einer neuen Inhaberin oder einem neuen Inhaber geführt oder geschlossen wird. „Frau Flack und die Mitarbeiterinnen haben mitgezogen, so dass der Betrieb bis zum 30. Juni fortgesetzt werden konnte.“

Gleichzeitig wurde eine Nachfolgerin beziehungsweise ein Nachfolger gesucht. Es sei mit mehreren Interessentinnen und Interessenten gesprochen worden, so Necker. „Am Ende haben wir mit Frau Tanja Reischl-Stenske eine erfahrene Apothekerin gefunden, die die Bärenapotheke zum 1. Juli übernommen und vor der Stilllegung gerettet hat.“

Weitere Apothekenschließung verhindert

Dass dies gelungen ist, freut den Insolvenzverwalter. Denn „Apotheken befinden sich in einer schwierigen Situation“, sagt er. „Fachkräftemangel, steigende Mieten, Kostendämpfungsgesetze haben dazu geführt, dass die Ertragslage von Apotheken allgemein angespannt ist. Kleinere Apotheken haben es sehr schwer.“ Die neue Inhaberin habe „ein gutes Konzept für die Zukunft der Bärenapotheke“.

Auch die Behörden zogen mit, um eine Schließung zu verhindern: Das Amtsgericht Aalen habe die Übernahme bereits vor der Eröffnung des Verfahrens genehmigt. Das Regierungspräsidium in Stuttgart erteilte die Betriebserlaubnis. „Alle zehn Arbeitnehmerinnen haben so weiterhin eine Arbeitsstelle. Sie mussten keine Einbußen hinnehmen. Die Versorgung der Kunden und Patienten konnte durchgehend aufrechterhalten werden.“

Insolvente Apothekerin führt jetzt Filiale

Bedenken oder Vorbehalte, einen insolventen Betrieb übernommen zu haben, hat Reischl-Stenske nicht. Dahinter stehe die Kauffrau beziehungsweise der Kaufmann, sagt sie. Die Apotheke sei nicht insolvent – und sei mit Blick auf die Zahlen nicht „miserabel“ gewesen. Auch Flack, die vorherige Inhaberin, arbeitet weiter in der Bärenapotheke mit. Die 41-Jährige führt die Filiale. „Wir verstehen uns gut.“

Reischl-Stenske führt jetzt 15 Angestellte. Sie plant beispielsweise, die Heimversorgung weiterzuführen. „Das ist sehr wichtig und geht nur vor Ort. Man muss sich die Lage ganzheitlich anschauen, was kann ich vor Ort bieten, gerade mit Blick auf die starke Online-Konkurrenz.“

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