Arbeitszteitbetrug

In der Pause nicht ausgeloggt – fristlos entlassen

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Berlin -

Für zehn Minuten in ein Café ohne sich bei der Arbeit auszutragen – reicht das für eine fristlose Kündigung? Laut dem Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) jedenfalls dann, wenn die Arbeitnehmerin wie in diesem Fall den Arbeitszeitbetrug auch noch hartnäckig leugnet und den Chef belügt.

Die Klägerin war in dem Betrieb als Raumpflegerin tätig. Im elektronischen Arbeitszeiterfassungssystem werden normalerweise auch die Pausenzeiten festgehalten. Zur Korrektur falscher Einträge gibt es am Zeiterfassungsgerät sogar einen Kalender. Den nutzte die Angestellte in diesem Fall aber ebenfalls nicht – vermutlich aus gutem Grund.

Im Oktober 2021 loggte sich die Angestellte um 7:20 Uhr ein und um 11:05 Uhr wieder aus. Gegen 8:30 Uhr war sie aber für mindestens zehn Minuten in einem Café auf der anderen Straßenseite und traf sich dort zum Kaffeetrinken. Den Arbeitskolleginnen hatte sie erklärt, dass sie in den Keller gehe.

Chef sah alles vom Auto aus

Doch der Chef war darüber informiert worden, dass die Angestellte regelmäßig solche Pausen einlegte ohne sich auszuloggen. Also beobachtete er den Café-Besuch von seinem Auto aus. Mit dem Vorwurf des Arbeitszeitbetruges konfrontiert, beteuerte die Angestellte, sich im Keller aufgehalten zu haben. Als ihr Arbeitgeber ihr mitteilte, dass er sie persönlich im Café gesehen habe, sagte sie, er müsse sich irren. Erst als er die Beweisfotos auf seinem Mobiltelefon zur Sprache brachte, gab sie zu, den Betrieb verlassen zu haben.

Für die außerordentliche Kündigung musste der Arbeitgeber die Zustimmung des Inklusionsamt einholen – die Raumpflegerin ist schwerbehindert. Da das Amt innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen nicht reagierte, galt die Zustimmung als erteilt. Daraufhin wurde das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt.

Fristlose Kündigung rechtmäßig

Die Angestellte klagte vor dem Arbeitsgericht Gelsenkirchen. Sie behauptete, schlicht vergessen zu haben, sich auszuloggen. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig, da weder die lange Betriebszugehörigkeit von neun Jahren noch die Schwerbehinderung berücksichtigt worden seien und das Arbeitsverhältnis bisher vollkommen störungsfrei verlaufen sei. Ein einmaliger Verstoß rechtfertige die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht. Außerdem hätten auch andere Mitarbeiter gelegentlich vergessen sich auszuloggen, ohne dass ihnen gekündigt worden sei. Sie verlangte daher auch die Zahlung von Annahmeverzugslohn.

Doch das Arbeitsgericht wies die Klage im März vergangenen Jahres ab. Die fristlose Kündigung sei wirksam aufgrund des unstreitig begangenen Arbeitszeitbetruges. Die Angestellte habe vorsätzlich gehandelt und die Verschleierung bewusst weiter vertieft, in dem sie Falschdokumentation mehrfach abgestritten habe. Damit sei das Vertrauen vollständig zerstört.

Die Angestellte ging in Berufung und betonte vor dem Landesarbeitsgericht Hamm erneut, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben. Sie sei tatsächlich zunächst in den Keller und erst später hinüber in das Café gegangen. Dabei habe sie schlicht vergessen, sich „auszustempeln“. Das habe sie gegenüber dem Chef zunächst nicht zugeben können, weil ihr ihre Verfehlung peinlich gewesen sei.

Entscheidend war das Nachtatverhalten

Der Arbeitgeber trug dagegen vor, dass eine unbewusste Handlung auszuschließen sei, da die ehemalige Mitarbeiterin offenbar mit einer weiteren Person in dem Café verabredet gewesen sei. Sie habe auch im Nachgang nichts unternommen, um ihren Fehler zu korrigieren, und sie sei auch nicht reuig gewesen. Gestanden habe sie erst auf Vorhalt der Fotos.

Auch das LAG in zweiter Instanz gab dem Arbeitgeber recht. Wenn ein/e Arbeitnehmer:in wissentlich und vorsätzlich das Arbeitszeiterfassungssystem mussbrauche, stelle dies in aller Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Hier habe vor allem das sogenannte „Nachtatverhalten“ der Klägerin – das hartnäckige Leugnen der Tat – zu einem irreparablen Vertrauensverlust geführt. Spätestens im Moment der Konfrontation habe sie vorsätzlich mit „Täuschungs- und Verschleierungsabsicht“ gehandelt, heißt es im Urteil. Einer vorherigen Abmahnung bedurfte laut Gericht hier nicht, weil auch die Arbeitnehmerin hätte erkennen müssen, dass ihr Handeln auch einmalig für den Arbeitgeber unzumutbar sei.

Auch die sozialen Faktoren – Betriebszugehörigkeit und Schwerbehinderung – standen laut Urteil der fristlosen Kündigung der Mitarbeiterin nicht im Wege: „Denn ihr Vorgehen an dem streitgegenständlichen Tag war so nachhaltig auf Vertuschung angelegt, dass sie damit das in ihrer neunjährigen Tätigkeit erdiente Vertrauen vollständig zerstört hat.“

Das LAG hat keine Revision zugelassen. Die Klägerin kann dagegen aber noch Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht einlegen.

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