Hilfsmittelverträge

Apotheker fliehen in Altvertrag

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Berlin -

Apotheker können jedem Liefervertrag beitreten, dem sie möchten – Krankenkassen können sie nicht zu einem bestimmten Vertrag verpflichten. Das hat das Sozialgericht Gelsenkirchen in einem Eilverfahren entschieden. In dem Streit ging es um den Hilfsmittelvertrag der AOK Rheinland/Hamburg. Der Apothekerverband Westfalen-Lippe (AVWL) konnte sich mit der Kasse nicht auf einen Vertrag einigen und war auf einen Altvertrag aus Hamburg ausgewichen.

Die AOK Rheinland/Hamburg hatte den bis dahin gültigen Hilfsmittelvertrag für Nordrhein-Westfalen zum Jahresende 2013 gekündigt. Bis Ende Januar vereinbarte die Kasse mit den Apothekerverbänden Nordrhein (AVNR) und AVWL eine Übergangsfrist. Kurz vor Ablauf dieser Frist einigten sich der AVNR und die AOK auf einen neuen Vertrag – allerdings ohne den AVWL.

Der AVWL war nach eigenen Angaben nicht in die Verhandlungen einbezogen worden. Die beiden Apothekerverbände in NRW sind sich derzeit ohnehin nicht grün: Auch beim Rechenzentrum ARZ Haan stehen die Zeichen auf Abschied.

Der AVWL hatte sich schon früh im Jahr einen neuen Partner gesucht: Der Verband war am 8. Januar dem Hilfsmittelvertrag der ehemaligen AOK Hamburg mit dem Hamburger Apothekerverein beigetreten. Der Vertrag aus dem Jahr 1997 hat für die Apotheker günstigere Konditionen und gilt bis auf Weiteres fort.

Die AOK Rheinland/Hamburg als Rechtsnachfolgerin der AOK Hamburg hatte den Beitritt des AVWL zu diesem Vertrag jedoch nicht bestätigt. Daraufhin waren der AVWL und ein einzelner betroffener Apotheker vor Gericht gezogen. Im Eilverfahren hat das Gericht zugunsten der Apotheker entschieden.

Aus Sicht der Richter spricht nichts dafür, dass Apotheken in Hamburg als Hilfsmittellieferanten besser gestellt werden sollten. Laut dem Sozialgesetzbuch gilt das Beitrittsrecht für alle Leistungserbringer.

Die AOK hatte argumentiert, der Beitritt zum Hamburger Hilfsmittelvertrag würde nicht zu einer Lieferberechtigung in Nordrhein-Westfalen führen, da der Vertrag örtlich beschränkt sei. Dem folgten die Richter nicht. Eine gesetzliche Grundlage dafür sei nicht ersichtlich. Zudem habe die AOK den Apotheken in Westfalen-Lippe selbst den Beitritt zum ortsfremden Vertrag mit dem AVNR angeboten. Warum das eine möglich sein soll und das andere nicht, „kann nicht hinreichend begründet werden“.

Die AOK hatte vorgebracht, der Apotheker hätte dem mit dem AVNR geschlossenen Vertrag beitreten können. Außerdem seien der AVWL und der Apotheker dem Hamburger Vertrag nicht wirksam beigetreten. Das sahen die Richter anders: Maßgeblich sei die Beitrittserklärung und nicht der Wille der Kasse, diese anzunehmen. Die AOK müsse lediglich prüfen, ob der Leistungserbringer hinreichend qualifiziert ist, „eine weitergehende Kompetenz steht ihr ausdrücklich nicht zu“.

Die Kasse kritisierte weiterhin, dass der Apotheker den Schaden, der ihm durch das Warten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren drohen würde, nicht einmal beziffern könne. Für den Apotheke gehe es im Ergebnis um 100 bis 200 Euro im Jahr, während es für die AOK „um eine Mehrbelastung im zweistelligen Millionenbetrag“ gehe: Ein Vergleich des Hamburger Vertrags mit der Nordrheiner Vereinbarung ergäbe bei einigen Produktgruppen Differenzen von bis zu 30 Prozent.

Einen solchen gravierenden Nachteil konnten die Richter nicht sehen. Die pauschale Behauptung, Mehrbelastungen in Millionenhöhe würden entstehen, sei weder glaubhaft gemacht worden noch plausibel. Es komme zudem nicht darauf an, ob und in welchem Umfang dem Apotheker Umsatzeinbußen entstehen. Es reiche aus, dass er ohne sachlichen Grund benachteiligt werde. Warum der Hamburger Vertrag nicht auch dem Apotheker offen stehen soll, „ist nicht ansatzweise ersichtlich“.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Beim AVWL will man nun versuchen, erneut Gespräche mit der AOK aufzunehmen und bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren eine Lösung zu finden. Einen Beitritt zu dem Nordrheiner Vertrag lehnt der Verband ab – man sei ja bereits dem Hamburger Vertrag beigetreten. Die Entscheidung des Sozialgerichts wertet man beim AVWL als gutes Signal für die Apotheker.

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