Der Belieferungsanspruch des Großhandels steht im Gesetz, doch nach wie vor wird er durch die Pharmakonzerne unterlaufen: Geliefert werden nur geringe Mengen, Apotheken müssen dann direkt oder über Pharma Mall bestellen. Apotheker Dr. Christian Fehske unterstützt den geplanten Vorstoß der Apothekerkammer Berlin. Er hat zusammentragen, wie massiv die Arbeit in den Apotheken behindert wird.
Fehske hat fünf Argumente zusammengetragen, die seine Position und die der Berliner Kammer unterstützen.
So liefere der Großhandel am selben Tag, während die oft dringend benötigten Medikamente im Direktvertrieb oder bei Pharma Mall frühestens am Folgetag da sind. Samstags werde teilweise gar nicht geliefert, zu Einschränkungen komme es auch durch regionale Feiertage. „Therapieunterbrechungen aufgrund abweichender Vertriebswege sind bei der Arzneimittelkommission (AMK) aktenkundig“, so Fehske. Arzneimittel könnten nicht wirken, wenn sie nicht verfügbar seien.
Der vollversorgende Großhandel habe in der Regel mehrere Niederlassungen; bei Ausfall an einem Standort seien Lieferungen aus dem Verbund möglich. Obendrein sei der Großhandel gesetzlich verpflichtet, Vorräte für zwei Wochen anzulegen – auch wenn Verstöße, anders als bei den Apotheken, nicht sanktioniert würden.
IT-Probleme, Cyberattacken und Katastrophenereignisse können laut Fehske dagegen zu einem vorübergehenden Ausfall des einzigen Bezugswegs von Arzneimitteln für ganz Deutschland führen. Die IT-Umstellung bei Gilead etwa habe vor einem Jahr zu einer Lieferunterbrechung geführt. Auch die Diskussion um eine „nationale Reserve für versorgungsrelevante Arzneimittel“ könnte eigentlich obsolet sein, wenn Großhandel und Apotheken diesbezüglich ihre Aufgabe wahrnehmen könnten.
Eine Versorgung in dringenden Fällen im Nacht- und Notdienst etwa an Feiertagen wie dem Osterwochenende sei beim Großhandel möglich, wenn auch gegen Aufpreis. Beim Hersteller und bei Pharma Mall gehe das nicht. „Auch bei planbaren Therapien kommen Patienten nicht immer rechtzeitig in Apotheke, umfassende Bezugsmöglichkeiten für Apotheken sind daher zwingend erforderlich“, so Fehske.
Daten von Patienten und Leistungserbringern sind besonders schützenswert – bei Bestellungen über den Großhandel bekommen Hersteller laut Fehske keine Informationen, die eine Zuordnung von Arzneimittelverkäufen ermöglicht. Der Direktvertrieb ermögliche dagegen eine Auswertung von Abgabedaten auf regionaler Ebene oder sogar bezüglich einzelner Apotheken. Dies sei oftmals die eigentliche Motivation für einen Direktvertrieb unter Ausschluss des Großhandels, so Fehske: „Einige Hersteller fordern vor Apothekenbelieferung Rezeptkopien mit geschwärzten Patientendaten; durch fehlerhafte Schwärzungen kommt es aber immer wieder zu Datenschutzvorfällen.“
Bei Auslieferung über den Großhandel sei die freie Apothekenwahl gewährleistet, im Direktgeschäft könnten die Hersteller die Lieferung abhängig machen von der Bonität beziehungsweise Liquidität der Apotheken und der Zustimmung zu den jeweiligen AGB. „Nur die freie Apothekenwahl ermöglicht Patienten eine wohnortnahe und diskriminierungsfreie Arzneimittelversorgung“, so Fehske.
Im Großhandel gebe es einen starken Wettbewerb im Hinblick auf Preise, Versorgungsgeschwindigkeit und Notfallversorgungsoptionen. Die Monopolstellung der Hersteller und einzelner „Spezialgroßhandlungen“ erlaube dagegen eine einseitige Festlegung von Preis und Verfügbarkeit – bis hin zu „Vorkasse und Abholung ab Rampe“. Selbst für den Großhandel seien die bestehenden Ansprüche aufgrund von Abhängigkeitsverhältnissen schwer einklagbar.
Auch um den Export ihrer Ware in andere Länder zu verhindern, liefern Hersteller nur Kontingente an den Großhandel aus. Der freie Warenverkehr sei aber ein Grundpfeiler des EU-Binnenmarkts, so Fehske. Aus diesem Grund stehe das Recht zur Kontingentierung nach § 52b Abs. 3d Arzneimittelgesetz (AMG) eigentlich nur der zuständigen Bundesoberbehörde zu.
Laut Fehske gibt es also genügend Gründe, hier zu einer Verschärfung zu kommen und den Anspruch auch tatsächlich durchsetzbar zu machen, wie die Kammer Berlin es in ihrem Antrag zum Deutschen Apothekertag (DAT) fordert.
„Interessanterweise entspricht diese Forderung auch einer von nur drei zentralen Positionen des Phagro vor der Bundestagswahl“, so Fehske. Er kann sich aber den Hinweis nicht verkneifen, dass mit Virion ein Unternehmen in dem Bereich besonders aktiv ist, das zu Phoenix und damit zum führenden vollversorgenden Großhändler in Deutschland gehört. „Keine Ahnung, wie Herr Freitag dieses Dilemma aushält.“
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