Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) will bei der Verarbeitung von Fertigarzneimitteln in Rezepturen nur noch die Abrechnung des anteiligen Apothekeneinkaufspreises erlauben. Wo die einen ein wirtschaftliches Debakel – gerade für kleine Apotheken – wittern, hat sich die Idee in einer kleinen Pilotapotheke im Saarland längst beweisen dürfen. Das Motto: Volle pharmazeutische Leidenschaft, anteilige Belieferung!
In Kleinbitterdorf im Saarland ist die Sonnen-Apotheke von Susanne Peters die letzte weit und breit. 30 Kilometer rundherum: keine Konkurrenz, gähnende pharmazeutische Leere, keinerlei Entlastung. Die perfekte Ausgangssituation also, um als geheimer Pilotbetrieb für eine der Ideen des Referentenentwurfs zu dienen. Dass bei der Verarbeitung von Fertigarzneimitteln zukünftig nur der anteilige Verkaufspreis abgerechnet werden soll, sorgte hier keineswegs für einen Aufschrei. „Wir nennen das kontrollierte Teilversorgung“, betont Peters.
„Wir sind seit geraumer Zeit ohnehin schwerpunktmäßig zur Rezeptur-Apotheke mutiert. Es ist ja keiner mehr da, der es machen könnte.“ Entsprechend viele Anbrüche gebe es; die Kundschaft komme von sämtlichen Facharztpraxen der Umgebung nach Kleinbitterdorf.
Patientinnen und Patienten wegen einer individuellen Creme hängenzulassen? Keine Option für Peters, aber: „Gefühlt denken sich die Ärzte jeden Tag eine neue Rezeptur aus.“ So hat sich die Gestalt der Offizin gewandelt: Die Sichtwahl ist geprägt von aufgerissenen Packungen, halbleeren Flaschen und praktisch ausgequetschten Tuben, ordentlich drapiert in musealen Setzkästen für die bestmöglichste Präsentation. Die Renner bei den Zugaben: Tubenquetscher und Tablettenteiler.
Während die eine Hälfte der Kundschaft also extra für ihre Rezepturen mit Bus und Bahn über Stock und Stein anreist, profitieren die Einheimischen vom neuen Konzept. Stammkundin Erna Koschinsky freut sich: Sie hat ohnehin nur trockene Haut am rechten Knie. Da genügt auch eine halbvolle Tube ihrer Pflegecreme.
Für den Bürgermeister hat das neue Angebot ein langjähriges Problem gelöst: Während seine Hausärztin und seine Frau seine Dauermedikation für essenziell erachten, ersteht er in der Sonnen-Apotheke nur noch den Anbruch: Soll ihm mal einer nachweisen, dass er seine Sachen nicht regelmäßig nimmt! Und auch ein ganz neues Klientel konnte Peters mit dem Konzept erschließen: Die Nachhaltigen – erkennbar an gebatikten Beuteln und Bio-Sandalen. „Wir gelten mittlerweile als die erste Zero-Waste-Apotheke Deutschlands“, freut sie sich.
Ganze Packungen kennt die Kundschaft mittlerweile nur noch von Werbeplakaten – und rümpft die Nase, während sie zur „Noch-ein-Drittel-drin“-Schütte oder zum „Anbrüche-vom-Vortrag“-Regal stapft.
Die Abläufe im Team sind mittlerweile routiniert: Morgens werden zuerst die Reste vom Vortag geprüft und gewogen. Zu Beginn der Umstellung wurden sogar noch die Preise mitberechnet und die Anbrüche etikettiert. Dieser Prozess hat sich mit der Zeit aber deutlich weiterentwickelt. „Wir sparen uns das. Die meisten Kunden möchten ohnehin eine individuelle Menge haben.“
Stammkundin Elisabeth Linke freut sich besonders. Endlich kann sie auch in der Apotheke grammgenau einkaufen: „Ich nehme 140 Gramm Hack halb und halb beim Metzger, 90 Gramm Gouda fein geschnitten von der Käsetheke und 25 Gramm Körperlotion und 3 Schmerztabletten aus der Apotheke. Mehr brauche ich ja gar nicht!“
Doch damit nicht genug: Wer Arzneimittel übrig hat, muss sie nicht länger unter der Hand an Schwarzen Brettern oder an die Nachbarin verticken, sondern kann sie ganz sicher und legal in der Apotheke verkaufen. Die PTA in der Rezeptur haben schließlich genug Maschinerie da, um überprüfen zu können, was weiterverkauft werden kann. „Wozu haben wir denn (noch) die Vollausstattung“, fragt die Inhaberin.
Dem Vernehmen nach wünschen sich die Kundinnen und Kunden das Konzept auch für sämtliche andere Dorfgeschäfte. Probleme wie: „Die ganze Packung Mortadella schaffe ich einfach nicht“ oder „Ich mag keine Brotkanten“ könnten damit der Vergangenheit angehören. „Inspiration aus ihrer Apotheke vor Ort – gern geschehen“, kommentiert Peters.
Das Konzept wird gut angenommen – wenn auch die Feilscherei um den besten Preis für die Reste am HV mitunter Zeit und Nerven kosten kann. Das will Peters zukünftig durch einen umfunktionierten Abholautomaten ändern. „Da können unsere Kunden ihre Anbrüche rund um die Uhr abgeben. Wir prüfen dann zeitnah und schreiben den Betrag in Gutscheinen aus.“
Durch das neue Konzept hätten sich auch die Verkaufsgespräche gewandelt. „Es ist so noch ein Stück persönlicher geworden“, findet die Inhaberin. Aber auch der Aufwand sei immens gestiegen. „Meine PTA sind nur noch in der Rezeptur, stellen her oder füllen ab. Ich bin im Handverkauf praktisch alleine.“ Dann und wann könne ihre PKA noch in der Kosmetikberatung helfen. „Aber sie hängt ja auch nur noch am Telefon, um Rezepturware pünktlich zu bestellen und Abläufe zu koordinieren.“
Tatsächlich hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) nun auch den Entwurf für die Zweite Verordnung zur Änderung der Apothekenbetriebsordnung und der Arzneimittelpreisverordnung vorgelegt. Ein kurzer Passus bezieht sich auf dieVerarbeitung von Fertigarzneimitteln in Rezepturen, der nur noch die Abrechnung des anteiligen Apothekeneinkaufspreises erlaubt. Im Dezember soll das Paket ins Kabinett – dem Vernehmen nach sind die meisten Punkte abgehakt, nur bei der Rx-Abgabe ohne Rezept gibt es wohl noch Gesprächsbedarf.
In dieser Woche hat die tschechische Arzneimittelbehörde die Zulassung für die dm-Apotheke erteilt. Chefapothekerin ist eine junge Pharmazeutin aus der Region.Währenddessen hat die Apothekerkammer Nordrhein (AKNR) wegen eines nicht angepassten TV-Spots vor dem Landgericht Frankfurt (LG) eine einstweilige Verfügung gegen Shop Apotheke erwirkt. Der Versender hätte nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) den Rx-Bonus in der Reklame anpassen müssen.
Außderdem sind in den vergangenen drei Wochen sind in Berliner Apotheken vermehrt gefälschte Rezepte der Onkologie des Vivantes MVZ Klinikum Am Urban aufgetaucht. „Es ist immer die gleiche Masche, gleiche Namen, andere Medikamente, aber immer onkologisch“, berichtet Geschäftsführer Dr. Axel Rösler.
In diesem Sinne: Schönes Wochenende!
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