ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Lauterbachs fabelhafte Apothekenreform

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Berlin -

Scheinbar erratische Entscheidungen, konfuse Kommunikation, wilde Richtungswechsel – die Politik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ist nicht immer leicht zur durchschauen. Doch der akribische Evidenz-Twitterer verfolgt stets ein weiter entferntes Ziel, behält das große Ganze im Auge. An den jüngsten Entwicklungen im Apothekenmarkt kann man deutlich ablesen, wohin der Minister mit der Branche will.

„Effizienzreserven“ hatte Lauterbach im Apothekensystem ausfindig gemacht und damit die Erhöhung des Kassenabschlags gerechtfertigt, die seit Mittwoch gilt. Alle hatten sich gewundert und darin eine billige Ausrede dafür gesehen, dass die Regierung mal wieder zu den unkreativsten aller Lösungen greift.

Doch Lauterbachs Pläne gehen weit über den Zwangsrabatt hinaus. Die Arzneimittelausgaben sind weniger stark gestiegen als erwartet. Da ist noch mehr drin, denkt sich Lauterbach und schiebt sein Gesetz gegen Lieferengpässe ein bisschen auf und spart noch mehr. Die Großhändler ächzen unter den hohen Energiekosten. Lauterbachs Ideenwerk sieht vor, dass die Versicherten sich ihre Medikamente künftig direkt in den Niederlassungen abholen. Die rund 100 Standorte sollten nach ersten Hochrechnungen aus seinem Haus für eine Flächendeckung ausreichen.

Womit wir bei den Apotheken wären: Die können dann beschleunigt vor sich hinsterben. Frau Overwiening von der Abda muss sich also um Versorgungslücken keine Sorgen mehr machen, Versorgung wird einfach etwas großräumiger gedacht.

Aber was wird dann aus den Apotheken? Ist doch klar: Gesundheitskioske, in denen die Versicherten erfahren, wo sie keinen Facharzttermin bekommen oder wo die Gesundheitsweise (6 der 7 Schwaben sind neu) ihr schnuckeliges Krankenhaus versteckt haben.

In den Apothekenkiosken soll nach Lauterbachs Plänen auch getestet werden. Auf Corona gerade nicht mehr, denn die Regierung hat der Pandemie eine Pause verordnet, auch wenn Lauterbach zur Nahverkehrsmaske rät und mit gutem Beispiel vorausfährt. Aber Sehtests wären möglich: Wer mit bloßem Auge erkennen kann, wie viel Lust die Apotheken auf die aktuelle Politik haben, hat bestanden. Es hauen nicht alle mit dem Motorrad nach Griechenland ab, manche geben auch einfach so auf – nach 22 Jahren Dauerstress.

Was es dagegen in den Kiosks nicht geben wird, sind 4-1-Tests, die auch Influenza nachweisen. Denn ob Grippe oder Erkältung, das wissen nur die Nachbarin und jeder Arzt und jede Ärztin mit Vorbehalt. Mithin darf auch Aldi keine Kombinationstests verkaufen und hat Platz in den Filialen. Zum Beispiel für Apothekensoftware. Die wird ja immer teurer, zumindest wenn man ein Noventi-System hat. Wenn die so weiter machen, liegen sie bald selbst beim Discounter auf dem Wühltisch.

Das E-Rezept braucht es in dieser konstruierten Welt natürlich auch nicht mehr. Lauterbach war ja ohnehin nie so richtig enthusiastisch. Er verdient allerdings auch kein Geld damit. Jedenfalls sind die zwei Wege zum eGK-Verfahren als Hin- und Rückfahrkarte zu verstehen, ebenso der „zweite digitale Einlöseweg“ eigentlich ein digitaler Auflöseweg.

Douglas stinkt das Ganze wohl mächtig und plant womöglich schon den vorzeitigen Abschied. Auch Shop Apotheke-Chef Stefan Feltens hat in der Wirtschaftswoche dem Ex-Minister Jens Spahn nachgesehnt. Zur Rose macht schon Kasse und steigt in der Schweiz aus. Angedacht ist vermutlich eine Konzentration auf den niederländischen Markt und eine Umbenennung in „Van de Tulpen“. Wenn, ja wenn Lauterbach seinen fabelhaften Apothekenplan so umsetzt. Dafür gibt es bislang keinerlei Anzeichen. Also durchatmen und Podcast hören. Schönes Wochenende!

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