Die AOK Nordost hält zum 1. Oktober für Apotheken neue Verträge zur Versorgung mit Inkontinenzmaterialien bereit. Die alten Vereinbarungen wurden gekündigt. Für viele Inhaberinnen und Inhaber bedeutet das: Die Patienten können nicht mehr versorgt werden, denn die Vorgaben scheinen kaum umsetzbar. Unter anderem werden pro Leistungserbringer mindestens fünf Medizinprodukteberater:innen mit mindestens einjähriger Berufserfahrung gefordert.
Die Versorgung mit Inkontinenzmaterialien wird immer weiter aus den Apotheken verdrängt. Auch der neue Vertrag, den die AOK Nordost ab 1. Oktober Inhaberinnen und Inhabern anbietet, hat es in sich. Neben der Auflage, mindestens fünf Medizinprodukteberater:innen im Team zu qualifizieren, sollen die Apotheken zu einem bundesweiten Versand von Inkontinenzprodukten verpflichtet werden und mindestens zwei aufzahlungsfreie Varianten anbieten können.
Gegenstand des Vertrages ist die mehrkostenfreie, bundesweite Versorgung von Versicherten mit Hilfsmitteln der Produktgruppe 15 des Hilfsmittelverzeichnisses (Teilsegment: saugende Inkontinenzhilfen), einschließlich aller damit im Zusammenhang stehenden Versorgungsleistungen auf der Basis von monatlichen Versorgungspauschalen.
Der Leistungserbringer garantiert die mehrkostenfreie Versorgung und Beratung der Versicherten mit funktionsgerechten, technisch, optisch und hygienisch einwandfreien Hilfsmitteln. Dem Versicherten sind mindestens zwei mehrkostenfreie Versorgungsalternativen anzubieten.
Wünscht der Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des medizinisch Notwendigen hinausgehen, hat er gemäß § 33 Absatz 1 Satz 9 Sozialgesetzbuch (SGB V) die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. Der Leistungserbringer kann diese Kosten nicht der AOK in Rechnung stellen. Voraussetzung dafür ist, dass der Versicherte die Mehrleistung ausdrücklich schriftlich verlangt hat.
Diese Beratung erfolgt auf Grundlage einer individuellen Bedarfsermittlung; pauschale Mengenangaben sind laut AOK Nordost unzulässig. Die Beratung ist schriftlich zu dokumentieren und vom Versicherten gegenzuzeichnen.
Der Leistungserbringer gestattet der AOK innerhalb der Betriebszeiten und nach vorheriger Terminabsprache den ungehinderten Zutritt zur Betriebsstätte und die Einsichtnahme in die Dokumentation der erbrachten Leistungen.
Zur hilfsmittelbezogenen Beratung, Betreuung und Versorgung der Versicherten beschäftigt der Leistungserbringer mindestens fünf Medizinprodukteberater mit mindestens einjähriger Berufserfahrung gemäß § 83 Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG). Die Erfüllung der personellen Standards ist der AOK bis zum Vertragsbeginn anhand einer Kopie des aktuellen Zertifikats zur Qualifizierung als Medizinprodukteberater nachzuweisen.
Das Fachpersonal muss regelmäßig, mindestens einmal jährlich, fachspezifisch nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen fort- und weitergebildet werden. Auf Anforderung der AOK hat der Leistungserbringer das Vorliegen der personellen Voraussetzungen durch Vorlage entsprechender Nachweise kostenfrei und unverzüglich prüffähig darzulegen.
Zur Fortbildung gehören auch Kenntnisse zu Beratungsmethoden, Inkontinenzarten, zugehörigen Krankheitsbildern und medikamentösen Wechselwirkungen. Die AOK behält sich vor, die Qualifikation der Fachkräfte sowie die Versorgung durch Stichproben oder mit dem medizinischen Dienst jederzeit zu überprüfen.
Weitere Leistungsmerkmale
Die Vergütung erfolgt auf Basis von Monatspauschalen:
Die Abrechnung erfolgt elektronisch, spätestens drei Monate nach Leistungserbringung. Ab 2027 ist das Image-Link-Verfahren verpflichtend.
Apotheken verpflichten sich mit Vertragsbeitritt für zwei Jahre. Der Vertrag tritt am 1. Oktober in Kraft. Stichtag für die Anwendung des Vertrages ist der Tag der vertragsärztlichen Verordnung. Der Vertrag kann mit einer Frist von drei Kalendermonaten, frühestens zum 31. Dezember 2027, schriftlich zum Monatsende gekündigt werden.
Bei schwerwiegenden Vertragsverstößen – beispielsweise Datenschutzverletzungen oder Abrechnungsmanipulation – können Vertragsstrafen von bis zu 5 Prozent des Jahresumsatzes verhängt oder der Leistungserbringer für bis zu zwei Jahre ausgeschlossen werden.
Ziel sei es, eine „umfassende und qualitativ hochwertige Versorgung“ für die Versicherten sicherzustellen, so eine Sprecherin der AOK Nordost. „Dabei arbeiten wir sowohl mit regionalen als auch mit bundesweit tätigen Vertragspartnern zusammen, die über langjährige Erfahrung im Versand von Inkontinenzhilfen verfügen“, erklärt sie. „Unsere Versicherten profitieren von einer kompetenten Beratung durch geschultes Fachpersonal bei der Produktauswahl, von kostenfreien Produktproben namhafter Hersteller sowie der Möglichkeit, individuelle Lieferintervalle zu vereinbaren“, heißt es weiter. Somit sei auch die Versorgung im ländlichen Raum sichergestellt.
„Aktuell erhalten alle betroffenen Versicherten ein persönliches Informationsschreiben mit dem Hinweis, dass ein Wechsel des Vertragspartners erforderlich ist“, so die Sprecherin. Sie betont: „Dem Schreiben liegt eine Übersicht aller Vertragspartner mit Kontaktdaten bei. Für Fragen zur Thematik steht die AOK Nordost ihren Versicherten gerne zur Verfügung.“
Zum neuen Vertrag heißt es: „In der bisherigen Vertragsgestaltung wurde die Versorgung mit Inkontinenzhilfen zu einheitlichen Preisen im Rahmen eines Mischpreismodells vergütet. Dieses Modell spiegelt jedoch nicht mehr die aktuellen Anforderungen und Unterschiede in der Versorgungsrealität wieder“, so die Sprecherin. Der neue Vertrag führe daher ein differenziertes und gängiges Vergütungsmodell ein, das aus einer stationären sowie einer ambulanten Pauschale besteht. „Dieses Modell orientiert sich an marktüblichen Preisen, liegt jedoch weiterhin über dem Niveau anderer Kostenträger“, erklärt sie.
Im Vorfeld des Vertragsabschlusses habe das Bekanntmachungsverfahren stattgefunden und interessierte Leistungserbringer konnten ihre Preisangebote und Vertragsanpassungen abgeben und in die Verhandlungen einbringen. „Mit den abgegebenen Preisangeboten der interessierten Leistungserbringer wurde das Verhandlungsverfahren eröffnet“, so die Sprecherin. Aber: „Unter den interessierten Leistungserbringern, die im Vorfeld der Verhandlungen ihre Angebote und Vorschläge eingebracht haben, waren keine Apotheken.“ Grundsätzlich gelte aber: „Ein Beitritt zum Vertrag steht allen Vertragspartnern – einschließlich Apotheken – offen, sofern die vertraglich festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind.“
Auf welcher Kalkulationsgrundlage die neuen Pauschalen beruhen, insbesondere im Hinblick auf die tatsächlich entstehenden Kosten für Personal, Logistik, Lagerhaltung und Dokumentationspflichten, dazu wollte man sich nicht äußern. Im Hinblick auf eventuelle Anpassungen an Inflation, steigende Energie- und Transportkosten sowie tarifbedingte Lohnsteigerungen heißt es: „Eine Neubewertung der Preise ist grundsätzlich nach der vertraglich vereinbarten Mindestlaufzeit (Ende 2027) möglich.