Schockrechnungen für Straßensanierung

Anlieger zur Kasse!

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Berlin -

Hausbesitzer müssen teilweise Unsummen für die Renovierung der Straßen zahlen, die an ihren Häusern vorbeiführen.  Apothekeninhaber können genauso zur Kassen gebeten werden. Das trifft aktuell etwa die Schwanen-Apotheke in Offenbach. Zwar steht noch nicht fest, wieviel Inhaber Dr. Guido Kruse auf den Tisch legen muss. Insgesamt müssen die Anlieger aber wohl mehr als 1,4 Millionen Euro für den Umbau des Marktplatzes beisteuern.

Der etwas sperrige Begriff Straßenausbaubeitrag, auch Anliegergebühr genannt, kann für Hausbesitzer eine unangenehme Überraschung bedeuten. Sie müssen nämlich in vielen Regionen Deutschlands bei der Straßensanierung mitzahlen. So machte unlängst der Fall eines Landwirtes bundesweit Schlagzeilen, der für eine 950 Meter lange Asphaltstraße 189.000 Euro übernehmen sollte.

Auch die Schwanen-Apotheke in Offenbach hat bereits einen Brief von der Stadtverwaltung bekommen. Darin informiert sie Inhaber Kruse über den geplanten Umbau des Marktplatzes und auch darüber, dass er als Anlieger einen noch nicht bezifferten Betrag zu entrichten habe.

Insgesamt 5,3 Millionen Euro soll der Marktplatzumbau kosten. Das geht aus dem städtischen Projektbeschluss hervor. 2,7 Millionen kommen aus dem Landesprogramm „Aktive Kernbereiche in Hessen“. Vom Rest zahlt die Stadt 40 Prozent selbst, was rund 1,2 Millionen entspricht. So ergeben sich „umlagefähige Kosten“ von etwa 1,4 Millionen Euro. Das ist nun der Straßenbeitrag, den die Anlieger, die an den Marktplatz oder den vom Bau betroffenen Abschnitt der Bieberer Straße grenzen, zahlen müssen.

„Einerseits ist es natürlich ärgerlich“, sagt die Marketing-Chefin der Schwanen-Apotheke, Katrin van de Loo. „Anderseits ist der Marktplatz wirklich in einem katastrophalen Zustand und braucht dringend eine Renovierung.“ Abgewohnte 60er-Jahre Architektur und alter abgenutzter Bodenbelag würden das Bild bestimmen. Auch in seiner Funktion sei der Marktplatz nicht mehr zeitgemäß, so van de Loo. Am Ende würden alle von dem Umbau profitieren, ist sie sich sicher. Auch der Wert der Immobilie steige durch solche Modernisierungsmaßnahme.

Ein paar Ecken weiter bezeichnete Apotheker Hans Rudolf Diefenbach, Ex-Inhaber der Rosen-Apotheke, die Straßenbeiträge dagegen als „moderne Wegelagerei“. Als der Wilhelmplatz und die dazugehörigen Straßen vor einigen Jahren neu gestaltet wurden, musste der Apotheker als einer von 37 Anliegern 15.000 Euro zahlen.

Eine Zeit lang sah es so aus, als werde Diefenbach anlässlich des Marktplatzumbaus erneut zur Kasse gebeten. „Wer ein Eckhaus hat, ist immer der Dumme“, sagte er damals der Offenbach-Post. „Wenn ich jetzt wieder zahlen soll, könnte ich mir gut vorstellen, mein Grundstück einfach zu verkaufen.“ Für den Apotheker gab es zwischenzeitlich Entwarnung. Der Straße, die an der Rosen-Apotheke vorbeiführt, wird im Zuge des Marktplatzumbaus nun doch nicht renoviert. Zudem hat Diefenbach seine Apotheke im Oktober an einen Nachfolger verkauft.

„Ein Straßenbeitrag ist eine einmalige Abgabe, die bei der Erneuerung oder Erweiterung von öffentlichen Verkehrsanlagen erhoben wird“, erklärt Beate Hock vom Stadtplanungsamt gegenüber der Lokalzeitung. Wenn ein Straßenbeitrag anfällt, müssen ihn also die Eigentümer jener Grundstücke zahlen, die an jene Straße grenzen, die erneuert oder erweitert werden soll. „Die Gemeinde ist als Unterhalterin einer Verkehrsanlage verpflichtet, sie in nutzbarem Zustand zu halten“, erklärt Hock.

Wenn die Stadt Schlaglöcher oder Frostaufbrüche beseitigen will, muss sie das komplett aus eigener Tasche bezahlen. Erst wenn eine Straße nicht mehr „mit wirtschaftlich vernünftigen Mitteln“ instand zu halten und ihre „Lebensdauer“ abgelaufen sei, können Hock zufolge Beiträge erhoben werden. „Wenn alles bis auf den natürlichen Erdboden abgetragen und neu aufgetragen wird, spricht man von einer ‘grundhaften Erneuerung’“, wird sie der Offenbach-Post zitiert.

Die Höhe der individuellen Straßenbeiträge errechnet sich aus mehreren Faktoren wie Größe, Fläche und Nutzbarkeit des jeweiligen Grundstücks. Daneben spielt aber als weiterer Faktor die Einstufung der Straße eine Rolle. Dabei wird in Betracht gezogen, wie viel „Vorteil“ die Anlieger von einer Baumaßnahme haben und was Menschen, die keine Gebäude dort besitzen oder dort wohnen, davon haben.

Bei „innerörtlichem Durchgangsverkehr“ zahlen Stadt und Bürger jeweils 50 Prozent. Denn eine solche Straße wird sowohl von Leuten auf dem Weg in einen anderen Stadtteil als auch von Anliegern befahren. Bei „überörtlichem Durchgangsverkehr“, von dem Anlieger wenig haben, müssen sie nur 25 Prozent übernehmen, bei sogenanntem „Anliegerverkehr“ aber 75 Prozent. Davon sind in der Regel Wohngebiete betroffen, da die Anlieger den größten „Vorteil“ von der Baumaßnahme haben. Einen Sonderfall stellt der Offenbacher Marktplatzumbau dar. Dort müssen die Anlieger 60 Prozent beisteuern. Das liegt daran, dass er zum „verkehrsberuhigten Geschäftsbereich“ wird, wofür 60 zu 40 pauschal festgelegt ist.

Fällig werden die Straßenbeiträge meist erst ein oder zwei Jahre, nachdem die Bauarbeiten beendet sind. „Vorher müssen wir erst einmal sämtliche Projektkosten aufschlüsseln, die angefallen sind“, so Hock gegenüber der Offenbach-Post. Nach der Schlussrechnung hat die Stadt dann vier Jahre Zeit, die Beiträge abzurechnen. Danach verjähren sie.

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