In der Fortuna-Apotheke in Wiesbaden hat ein Fehler bei einer Bestellung für Ärger gesorgt. Schlimmstenfalls drohten dem Inhaber Ali Amiri Shamsabadi deshalb Mehrkosten von knapp 4000 Euro. In der Apotheke wurde Zejula (Niraparib) für einen Kunden versehentlich doppelt bestellt – der Hersteller GlaxoSmithKline (GSK) sah zunächst keinen Grund, einen Auftrag zu stornieren.
Zejula ist kein Blockbuster und wird in der Krebstherapie eingesetzt. In der Fortuna-Apotheke ging ein Rezept über das Arzneimittel ein und es wurde direkt bestellt. Gleichzeitig sei auch eine Bestellung über Pharma-Mall rausgegangen. Als der Fehler bemerkt worden sei, sei GSK umgehend informiert worden, beteuert man in der Apotheke.
Das Malheur passierte Mitte November. „Kurz nach der Bestellung stellten wir fest, dass ein Fehler vorlag“, sagt Amiri. Bei Pharma-Mall habe es geheißen, man solle sich an den Hersteller wenden, man werde das Unternehmen auch gleichzeitig anschreiben. Der Anruf bei GSK durch die Apotheke sei erfolglos geblieben, so Amiri. Telefonisch habe man niemanden erreichen können, der sich zuständig gefühlt hätte. Auf eine E-Mail hieß es, dass die Stornierung nicht möglich sei.
Der Inhaber versuchte im Anschluss, die Annahme zu verweigern, um eine Gutschrift zu erhalten. „Die Firma hat uns jedoch schriftlich mitgeteilt, dass wir die Packung trotz Verweigerung bezahlen müssen. Als Begrünung wurde, angegeben um ein onkologisches Medikament handelt, das von der Rücknahme ausgeschlossen sei.“ Der Fall sei bislang einzigartig: „Ich bin seit 17 Jahren selbständig und habe einen solchen Vorgang bisher nicht erlebt“, sagt Amiri. Es handele sich um ein Fertigarzneimittel. „Es besteht kein sachlicher Grund, eine Gutschrift kategorisch auszuschließen.“
Der Apotheker wandte sich an den Hessischen Apothekerverband (HAV). Aus der Rechtsabteilung bekam er die Rückmeldung, dass grundsätzlich eine Verpflichtung zur Zahlung bestehe, da ein Kaufvertrag zustande gekommen sei. Die Verweigerung der Annahme der Lieferung ändere rechtlich nichts an der Verpflichtung zur Zahlung, sofern kein wirksames Widerrufs- oder Rückgaberecht bestehe und keine wirksame Anfechtung erklärt worden sei.
Auch das Widerrufsrecht gilt demnach nicht: „Bei Fernabsatzgeschäften besteht zwar grundsätzlich ein Widerrufsrecht (§ 312g BGB), dieses ist jedoch bei Arzneimitteln, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes nicht zurückgenommen werden dürfen, eingeschränkt. Onkologische Fertigarzneimittel fallen regelmäßig unter diese Ausnahme.“ Allerdings könne der Vertrag wegen eines Irrtums angefochten werden. „Die Forderung von GSK ist grundsätzlich nachvollziehbar, da onkologische Arzneimittel häufig von der Rückgabe ausgeschlossen sind. Es besteht jedoch die Möglichkeit, den Kaufvertrag aufgrund eines wesentlichen Irrtums (§ 119 BGB) anzufechten. Hierfür ist eine schriftliche und unverzügliche Erklärung erforderlich“, rät ein Kammerjurist.
Doch GSK lenkte zunächst nicht ein: Weil das System eine doppelt getätigte Bestellung derselben Packung am gleichen Tag ausweise, fühlt man sich nicht im Stande, eine Gutschrift zu veranlassen. „Die beiden Bestellungen wurden technisch als eigenständige, abgeschlossene Aufträge verarbeitet.“ Die Stornierungsanfrage sei erst einen Tag später eingegangen. „Zu diesem Zeitpunkt war die Bestellung bereits bestätigt und in die weitere Bearbeitung übernommen, daher konnten wir keine Stornierung mehr vornehmen und auch keine Gutschrift für diese Bestellung ausstellen.“
Auf Anfrage verweist ein Unternehmenssprecher auf die Retourenbedingungen: „Stornierungen sind bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln grundsätzlich nicht möglich, weil diese Bestellungen sofort verarbeitet werden, um eine schnellstmögliche Versorgung zu gewährleisten. In der Regel muss die Apotheke bestellte Packungen bezahlen“, sagt er.
In der Apotheke versteht man diese Reaktion nicht. Denn die Stornierung sei sofort angefragt worden. Andere Firmen verhielten sich kulanter, auch wenn es sich um onkologische Medikamente handele. Letztlich kam doch die erhoffte Nachricht bei Amiri an. Die Packung sei zurückgenommen worden.