Kommentar

Kein Terraingewinn

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Alles ist offen. Die gute Nachricht ist zugleich die schlechte. Denn als der Vorsitzende EU-Richter Vassilios Skouris nach fast sieben Stunden die Verhandlung schloss, waren er und seine Kollegen mit der Ausbeute an neuen Erkenntnissen sichtlich unzufrieden. Keiner der Parteien war es gelungen, neues Terrain zu gewinnen.

DocMorris verschanzte sich hinter Forderungen nach Beweisen für einen kausalen Zusammenhang zwischen Fremdbesitz und Gesundheitsgefährdung. Wissenschaftliche Standards zur Bewertung der Gesundheitssysteme gibt es jedoch so gut wie nicht; das musste zuletzt die EU-Kommission selbst einsehen, als ihre Studie zu den europäischen Apothekensystemen regelrecht zerrissen wurde.

Außerdem muss auch im EU-Recht das Kind nicht erst in den Brunnen fallen, damit ein Schutzbedarf anerkannt wird. Wer wie DocMorris-Chef Ralf Däinghaus vorgibt, auf eine Entscheidung „im Sinne der Verbraucher“ zu hoffen, sollte in puncto Vorsorgeprinzip nicht kleinlich sein.

Regelrecht peinlich wurde es für den DocMorris-Vertreter, als er vom Bevollmächtigten der italienischen Regierung der eigenen „Unwissenschaftlichkeit“ überführt wurde: Er hatte den Richtern eine Studie als „von ganz herausragender Bedeutung“ ans Herz gelegt, die von DocMorris selbst gefördert worden war.

Auch andere Beispiele der DocMorris-Seite für die vermeintliche Inkonsistenz des deutschen Systems waren alles andere als stimmig: So lässt sich die Verpachtung einer Apotheke an einen selbstständigen Pharmazeuten wohl kaum mit Fremdbesitz vergleichen. Die Betreiber von Krankenhausapotheken dürften in einer Welt der Fallpauschalen kaum Interesse an einer Absatzausweitung haben und taugen daher ebenso wenig als Referenz wie die Klinikärzte, deren Klagen ja hinreichend bekannt sind.

Die Verteidiger des deutschen Systems hätten ihre zum Teil erstaunlich schwachen Gegner leicht anhand konkreter Indizien bloß stellen können. Denn die Nebenwirkungen der Liberalisierung sind eben nicht nur in Norwegen zu spüren, sondern auch in anderen Ländern. Doch der Frontalangriff blieb aus; es blieb zum größten Teil bei theoretischen Ausführungen.

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