Kiffen auf Rezept, lautet ein Vorurteil im Bereich des medizinischen Cannabis. Denn trotz Legalisierung sind Apotheken nach wie vor so ziemlich die einzigen seriösen Bezugsquellen. Alles also nur junge Großstädterinnen und Großstädter, die sich zu Konsumzwecken über Plattformen ihre Rezepte besorgen? Grünhorn weist angesichts der Diskussion um ein Versandverbot auf eine bislang wenig beachtete Patientengruppe: Menschen ab 55 Jahren.
Seit der Teillegalisierung von medizinischem Cannabis im April 2024 verzeichnet Grünhorn nach eigenen Angaben in dieser Altersgruppe einen Anstieg der Verordnungen um 640 Prozent. Besonders dynamisch entwickelt sich demnach die Gruppe der 55- bis 64-Jährigen, mit einem Wachstum von 711 Prozent. Auf Nachfrage gibt Grünhorn zwar keine abolsuten Zahlen heraus; das Wachstum liege auf Ebene der Patientenzahl im vierstelligen Bereich.
„Bei dieser Patientengruppe stehen vor allem Indikationen wie chronische Schmerzen, Schlafstörungen und Arthritis im Vordergrund", erklärt Dr. Nadine Herwig, Leiterin der Grünhorn Academy. „Immer mehr ältere Menschen entdecken Cannabis als ernstzunehmende Therapieoption.“
Der Versorgungsbedarf älterer Patientinnen und Patienten unterscheide sich dabei von dem jüngerer. Häufig bestünden komplexe Krankheitsbilder mit mehreren Diagnosen, weshalb die Therapie sorgfältig an die Begleitmedikation und altersbedingte Faktoren angepasst werden müsse. Gerade bei älteren Menschen werde daher ein Behandlungsansatz gesucht, der mehrere Symptome gleichzeitig positiv beeinflusse und gut verträglich sei – oft eine Alternative zu zahlreichen unterschiedlichen Medikamenten.
Ärztinnen und Ärzte setzten dabei verstärkt auf einfach dosierbare Anwendungsformen wie Extrakte und Kapseln, welche die Atemwege weniger belasten als das Verdampfen von Blüten.
Ein Blick nach Kanada oder in die USA zeige, wohin sich der Versorgungsmarkt für medizinisches Cannabis entwickeln könnte. Lege man die dortigen Nutzungsraten auf Deutschland um, könnten mindestens 1,2 Millionen Menschen ab 55 Jahren medizinisches Cannabis verwenden. „Das Potenzial ist enorm, wir stehen erst am Anfang einer Entwicklung, die die Versorgung älterer Menschen nachhaltig verbessern kann“, so Herwig.
Da diese Patientengruppe medizinisch andere Anforderungen stelle, verdiene sie besondere Aufmerksamkeit in Forschung und Versorgungspraxis. Ziel von Grünhorn sei es, eine optimale, sichere und individuell angepasste Therapie zu gewährleisten und so die Lebensqualität im Alter nachhaltig zu verbessern.
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