Risiko-Nutzen-Abwägung

Cannabis und Parkinson: Gemischte Studienergebnisse

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Berlin -

Die Verwendung von medizinischem Cannabis zur Behandlung von Parkinson wird von Patient:innen häufig nachgefragt. Die wissenschaftliche Studienlage zu Wirksamkeit und Sicherheit ist jedoch begrenzt. Ein Überblick.

Parkinson ist eine chronische, fortschreitende neurodegenerative Erkrankung. Hauptsächlich wird diese durch den Verlust Dopamin-produzierender Nervenzellen in der Substantia nigra des Gehirns verursacht wird. Sie äußert sich in motorischen und nicht-motorischen Symptomen.

Präklinische Forschung deutet auf eine Beteiligung des Endocannabinoid-Systems (ECS) an Bewegungsstörungen und neurodegenerativen Prozessen hin. Das ECS, das an der Regulierung von Bewegung, Stimmung, Schmerz und Schlaf beteiligt ist, könnte daher einen Ansatzpunkt für Cannabinoide bieten.

Einfluss auf Motorische Symptome

Die Ergebnisse kontrollierter klinischer Studien zur Wirkung von Cannabinoiden wie THC und CBD auf die motorischen Hauptsymptome sind nicht eindeutig:

  • Die meisten Placebo-kontrollierten Studien konnten keinen signifikanten positiven Effekt auf den Ruhetremor (Zittern), Rigor (Muskelsteifheit) oder die Bradykinesie (Bewegungsverlangsamung) nachweisen. So zum Beispiel die Studie „Short-Term Cannabidiol with Δ-9-Tetrahydrocannabinol in Parkinson's Disease: A Randomized Trial“, die Ergebnisse wurden auf dem Kongress Movement Disorders vorgestellt.
  • Im Gegensatz dazu, konnte die Studie „Cannabis (THC) on Motor Symptoms in Parkinson's Disease“ eine leichte Verbesserung motorischer Symptome, insbesondere bei Tremor zeigen. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Clinical Neuropharmacology veröffentlicht.

Studien zu Levodopa-induzierten Dyskinesien

Bei Levodopa-induzierte Dyskinesien (LID) ist die Datenlage ebenfalls schiwerig: Einzelne Studien zeigen eine leichte Reduktion der durch das Parkinson-Medikament Levodopa ausgelösten unwillkürlichen Überbewegungen (Dyskinesien) durch Cannabinoide. Die Studie „Cannabinoids reduce levodopa-induced dyskinesia in Parkinson's disease: a pilot study“ untersuchte sieben Proband:innen mit Parkinson, die an LID litten. Hier reduzierte der Cannabinoid-Rezeptor-Agonist Nabilone (ein synthetisches THC-Derivat) die Gesamtdyskinesien signifikant im Vergleich zu Placebo. Dies war ein Hinweis auf einen möglichen antidyskinetischen Effekt von Cannabinoid-Agonisten. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal „Neurology“ veröffentlicht.

Aber: Andere, nachfolgende Studien, wie beispielsweise eine größere randomisierte, doppelblinde Cross-over-Studie mit einem oralen Cannabis-Extrakt (THC/CBD-Mischung) von Carroll et al. (2004, ebenfalls in „Neurology“ veröffentlicht), konnten diesen Effekt nicht bestätigen. Die Ergebnisse zeigten keine objektive oder subjektive Verbesserung der Dyskinesien.

Trotz der geringen Evidenz aus kontrollierten Studien berichten viele Betroffene in Einzelfallberichten und Beobachtungsstudien subjektiv von einer Besserung ihrer motorischen Symptome.

Schlaf, Stimmung, Schmerz

Die Studienlage zu den nicht-motorischen Symptomen (NMS) ist etwas positiver, wobei hier oft zugelassene Cannabinoid-Medikamente oder Cannabidiol (CBD) untersucht wurden:

  • Schlafstörungen: Cannabinoide, insbesondere CBD, könnten zur Linderung von Schlafstörungen beitragen, die bei Parkinson-Patient:innen sehr häufig sind. Es gibt Hinweise, dass ein zugelassenes Cannabinoid die Belastung durch NMS, einschließlich Schlafstörungen, bessern kann.
  • Schmerzen: Aufgrund ihrer analgetischen Eigenschaften können Cannabinoide zur Linderung von Schmerzen beitragen, die bei Parkinson auftreten.
  • Stimmungslage (Angst/Depression): Es gibt Hinweise auf eine mögliche Besserung von Angstzuständen und depressiven Verstimmungen durch Cannabinoide.
  • Weitere NMS: Auch bei anderen NMS wie autonomen Dysfunktionen – wie zum Beispiel Verstopfung – wird ein potenzieller Nutzen diskutiert.

Weitere Forschung nötig

Cannabis und Cannabinoide werden derzeit als ergänzende Option zur konventionellen Parkinson-Behandlung gesehen, primär zur Linderung ausgewählter nicht-motorischer Symptome und möglicher Levodopa-Dyskinesien.

Für die Hauptsymptome Tremor, Rigor und Bradykinesie fehlt eine belastbare wissenschaftliche Evidenz. Weitere Forschung ist notwendig, um das volle therapeutische Potenzial zu klären und die Sicherheit der Anwendung zu gewährleisten.

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