„Kein dringender Handlungsbedarf“

Cannabis-Legalisierung: Schwarzmarkt nicht verdrängt

, Uhr aktualisiert am 29.09.2025 17:46 Uhr
Berlin -

Eineinhalb Jahre nach der teilweisen Legalisierung von Cannabis in Deutschland sind Effekte auf die Beschaffung am Schwarzmarkt nach einer ersten Auswertung noch begrenzt. Es zeichne sich ab, dass die jetzt erlaubten Anbauvereinigungen „für die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verdrängung des Schwarzmarktes bislang keinen relevanten Beitrag leisten“, heißt es in dem vorgestellten Zwischenbericht zur Evaluation des Konsumcannabisgesetzes (EKOCAN) von Forscher:innen der Universitätskliniken Hamburg-Eppendorf und Düsseldorf und des Instituts für Kriminologie der Uni Tübingen.

Die noch von der Ampel-Koalition umgesetzte teilweise Legalisierung lässt seit 1. April 2024 Konsum und Anbau von Cannabis für Volljährige mit zahlreichen Beschränkungen zu. Die Überprüfung von Auswirkungen war schon im Konsumcannabisgesetz (KCanG) festgelegt worden. Im Blick standen nun zunächst Folgen für den Kinder- und Jugendschutz sowie die jetzt zulässigen Besitzmengen.

Bericht sieht vorerst „keinen dringenden Handlungsbedarf“

Robuste Aussagen zu den Auswirkungen des Gesetzes könnten noch nicht abgeleitet werden, heißt es in dem Bericht. „Die vorliegenden Ergebnisse lassen bis jetzt keinen dringenden Handlungsbedarf in Bezug auf die untersuchten Bereiche erkennen.“ Weitere Berichte sind vorgesehen.

Laut Bericht haben im Jahr 2024 in Deutschland schätzungsweise 5,3 Millionen Erwachsene Cannabis konsumiert. Durch das verfügbare Medizinalcannabis konnten demnach etwa 12 bis 14 Prozent des Gesamtbedarfs an Cannabis gedeckt werden, heißt es weiter. Die Anbauvereinigungen produzierten dagegen nicht einmal 0,1 Prozent der benötigten Menge. Die Marktanteile aus legalem Eigenanbau sowie des aus illegaler Produktion oder Schwarzmarkt könnten derzeit nicht quantifiziert werden. Geschätzt wurde ein Gesamtbedarf für 2024 von 670 bis 823 Tonnen. Eine zentrale Rolle bei den Bezugsquellen nähmen weiter illegale Weitergaben im sozialen Umfeld ein.

Der Suchtforscher Dr. Jakob Manthey vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sagte bei der Vorstellung der ersten Erkenntnisse, offensichtlich sei die Erwartung der meisten Expertinnen und Experten eingetreten: „Es passiert kurzfristig relativ wenig.“ Er erläuterte mit Blick auf das deutsche Modell der Legalisierung, dass man sich nach wie vor anstrengen müsse, um an Cannabis zu gelangen, das nicht an jeder Straßenecke verkauft werde.

Der Suchtforscher Dr. Daniel Kotz vom Uniklinikum Düsseldorf sagte mit Blick auf bisher vorliegende Daten, dass sich der sinkende Trend beim Anteil Cannabis konsumierender Jugendlicher nach der Teillegalisierung fortsetze. Laut Bericht gibt es Hinweise auf einen Rückgang bei cannabisbezogenen Meldungen an die Jugendämter – und auch bei Suchtberatungen, die Jugendliche in Anspruch nehmen. Ein möglicher Einfluss der Legalisierung auf akute oder chronische Gesundheitsprobleme bei Jugendlichen könne derzeit nicht bestimmt werden.

Der Tübinger Kriminologe Professor Dr. Jörg Kinzig sprach von der quantitativ bedeutendsten Entkriminalisierung in der Geschichte der Bundesrepublik. Laut Bericht gaben nur wenige befragte Konsumenten an, gelegentlich gegen Konsumverbote zu verstoßen. Das Ahndungsrisiko sei auch verschwindend gering. Unter befragten Beamten von Polizei und Ordnungsbehörden monierten demnach viele praktische Probleme bei der Umsetzung. Die Besitzmenge von 25 Gramm sei zu groß und hinderlich für Ermittlungen. Eine Vereinfachung der Regeln und eine Harmonisierung mit Rauchverboten sei überlegenswert, empfiehlt der Bericht.

„Betriebene Panikmache unbegründet“

Ates Gürpinar, drogenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag, sieht die „im Vorfeld betriebene Panikmache“ nun als „einmal mehr als unbegründet“ erwiesen an. „Weder ist die Zahl der Verkehrsunfälle gestiegen, noch gibt es Anzeichen für eine Verschlechterung der Gesamtsituation. Die Expert:innen sehen daher keinen Anlass für grundlegende Korrekturen am Gesetz. Deutlich wird aber auch: Der Schwarzmarkt ist bislang kaum zurückgedrängt worden. Zu hohe bürokratische Hürden verhindern, dass Anbauvereinigungen und legale Strukturen tatsächlich ihre Wirkung entfalten können.“ Kriminalisierung sei aber der falsche Weg. Mehr Aufklärung, gesellschaftliche Akzeptanz und eine konsequente Stärkung legaler Angebote seien hingegen die richtige Antwort.

„Debatte ist emotional aufgeladen“

Dr. Adrian Fischer, CEO von Demacan, sieht den Zwischenbericht als wichtigen Schritt in Richtung einer faktenbasierten Diskussion. „Das Thema Cannabis polarisiert und die Debatte ist emotional aufgeladen. Das Zwischenergebnis stiftet Orientierung und zeigt in eine klare Richtung: Die Gesetzgebung ist deutlich besser als ihr Ruf. Wir als Unternehmen brauchen dringend Planungssicherheit. Deshalb blickt Demacan mit großer Spannung auf das finale Ergebnis der Evaluation und wir appellieren an die Politik, die wissenschaftlichen Ergebnisse ernst zu nehmen.“

Auch Niklas Kouparanis, Co-Founder und CEO von Bloomwell meint: „Die Evaluation des Konsum-Cannabisgesetzes zeigt, dass die großen Befürchtungen ausbleiben: Die Zahlen der Verkehrsunfälle gehen nicht nach oben, ebenso wenig wie Auffälligkeiten im Straßenverkehr. Der Konsum unter Jugendlichen nimmt ab, das Gesetz verursacht keinen Konsumanstieg unter Erwachsenen. Dagegen nimmt die Zahl der Straftaten ab, weil Konsument:innen und Patient:innen endlich über legale Bezugsquellen verfügen, und vor allem werden diese Menschen nicht mehr kriminalisiert.“

Der Zwischenbericht gebe daher keinen Anlass, wieder restriktiver zu werden. Ansonsten drohe die Re-Kriminalisierung von Patient:innen. „Für mich ist schleierhaft, dass der Gesetzgeber eine Anpassung des MedCanG losgelöst von der Evaluation des KCanG vornehmen möchte – und erkrankte Menschen basierend auf einem ‚gefühlten’ Missbrauch, in Wirklichkeit komplett willkürlich und rein aus ideologischen Gründen, wieder in die Illegalität drängen möchte.“

Warken sieht „bedenkliche Tendenzen“

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) sieht angesichts der ersten Auswertungsergebnisse zur Legalisierung von Cannabis politischen Diskussionsbedarf. „Die Zwischenevaluation des Cannabisgesetzes zeigt trotz der teilweise noch fehlenden weiteren Datengrundlage bedenkliche Tendenzen“, sagte die CDU-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Ein Anstieg von Gesundheitsstörungen aufgrund von Cannabiskonsum und auch beim Gehalt des berauschenden Wirkstoffes THC sei besorgniserregend.

Deutliche Kritik werde von Sicherheitsbehörden an viel zu hohen Besitzmengen von 25 Gramm sowie an unpraktikablen und kaum zu kontrollierenden Abstandsregelungen geäußert. „Diese Kritik können wir als Politik nicht einfach ignorieren“, sagte Warken. „Wir werden zusammen mit den Koalitionsfraktionen und den Sicherheitsbehörden möglichen Handlungsbedarf erörtern müssen.“

Der Abschlussbericht wird im April 2028 erwartet.

 

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