„Anders als Ibuprofen“

Bloomwell: Cannabis überfordert Apotheken

, Uhr
Berlin -

Es wird ernst für die Versender von Cannabis: In der kommenden Woche berät das Kabinett über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Medizinal-Cannabisgesetzes von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU). Geplant ist ein Versandverbot für Cannabis, was für die Plattformen das Aus bedeuten würde. Deren stärkstes Argument in der politischen Debatte: Apotheken könnten die Versorgung der Patientinnen und Patienten in dem Umfang gar nicht leisten. Bloomwell hat dazu sogar in den Apotheken selbst nachgefragt.

Die Versorgung mit medizinischen Cannabisblüten liegt derzeit in der Hand einiger weniger spezialisierter Versender und Plattformen. Zwar kümmern sich auch viele Vor-Ort-Apotheken aktiv um das Thema, andere haben aber nur gelegentliche oder auch gar keine Berührungspunkte. Hinzu kommt, dass nicht nur der Aufwand groß, sondern die Materie auch komplex ist: Während Patientinnen und Patienten auf der einen Seite mit viel Geschick auf eine bestimmte Sorte eingestellt werden müssen, wissen viele erfahrene Anwender selbst am besten, welche neuen Blüten sie einmal ausprobieren wollen. Das Angebot seitens der Lieferanten ist so umfangreich und beweglich, dass es ohne entsprechenden Warenumschlag schwer fällt, den Überblick zu behalten und die erforderlichen Kapazitäten aufzubauen.

„Anders als bei Ibuprofen kann nicht jede lokale Apotheke Cannabis-Patient:innen ausreichend versorgen, es bleibt ein spezielles Medikament mit besonderen logistischen Herausforderungen. Der Aufwand für Apotheken ist bei niedrigen einstelligen Verordnungszahlen von medizinischem Cannabis unverhältnismäßig hoch“, so Bloomwell-CEO Dr. Julian Wichmann.

Zum Beweis für diesen Blick auf den Markt hat sein Unternehmen eine Umfrage unter Apothekerinnen und Apothekern sowie PTA durchgeführt.

  • Demnach haben knapp drei Viertel der Befragten (74 Prozent) gar keine medizinischen Cannabisblüten an Lager. Nur 2,7 Prozent haben mehr als 50 verschiedene Sorten vorrätig. Fazit für Bloomwell: „Im Falle eines vom Gesundheitsministerium in einem Referentenentwurf vorgesehenen Versandverbots können lokale Apotheken in Deutschland eine effektive flächendeckende Versorgung mit medizinischen Cannabisblüten daher nicht gewährleisten. Einzelne analoge Bestellungen bei Großhändlern sind kleinteilig, mühselig und langwierig.“
  • In lediglich 5,2 Prozent der Apotheken liege mehr als die Hälfte der gelagerten Cannabisblüten unter dem aktuellen Durchschnittspreis der spezialisierten Apotheken von etwa 7,50 Euro pro Gramm, so die Analyse der Umfrageergebnisse. 59 Prozent der Befragten hätten gar keine Auskunft über ihre Preisstruktur erteilen können. „Cannabis-Privatpatient:innen, die hierzulande inzwischen die deutliche Mehrheit ausmachen, drohen massive Preissteigerungen im Falle einer ausschließlichen Versorgung über stationäre Apotheken.“
  • 29,6 Prozent der Befragten haben noch nie medizinische Cannabisblüten an Patient:innen abgegeben, 11 Prozent konnten darüber keine Auskunft erteilen. Nur 7,6 Prozent berichteten, dass sich die Abgabe von medizinischem Cannabis positiv auf ihr Geschäft ausgewirkt habe, 15,9 Prozent bezeichnen den Effekt als „eher positiv“. Heißt: „Auf das Apothekengeschäft der großen Mehrheit hat sich der rasante Anstieg der Cannabis-Patient:innen gar nicht oder sogar negativ ausgewirkt. Dies liegt insbesondere daran, dass es nur den spezialisierten Apotheken gelungen ist, sich an die Cannabis-Telemedizin anzuschließen. Lediglich bei 8,4 Prozent der Apotheken machen Rezepte per Telemedizin mehr als die Hälfte der Verordnungen aus.“

Wichmann: „Einige deutsche Apotheken, die sich auf die Versorgung mit medizinischem Cannabis spezialisiert haben, haben Kapazitäten geschaffen, Personal eingestellt, Prozesse digitalisiert und mit telemedizinischen Plattformen kooperiert. Dadurch stemmen sie heutzutage einen Großteil der Versorgung.“

Bereits im August hatte eine Analyse von Bloomwell ergeben, dass für die Hälfte der Cannabis-Patient:innen in Deutschland der Weg bis zur nächsten auf Cannabis spezialisierten Apotheke weiter als zehn Kilometer entfernt ist.

Niklas Kouparanis, ebenfalls Gründer und CEO von Bloomwell, wird noch deutlicher: „Dass die Apothekerkammer Nordrhein eine Klagewelle gegen Telemedizin-Plattformen für medizinisches Cannabis führt, erscheint beim Blick auf die Ergebnisse dieser Umfrage umso absurder. Es wirkt so, als ob die Verantwortlichen dort verzweifelt an einem veralteten, überholten, ausschließlich stationären System festhalten wollen, das sich wirtschaftlich nicht mehr trägt und das dem ihm einst zugedachten Versorgungsauftrag zumindest im Falle von medizinischem Cannabis längst nicht mehr nachkommen kann. Die Verantwortlichen führen diesen Kampf auf Kosten der Patient:innen und des öffentlichen Gesundheitssystems und entgegen den Interessen einiger ihrer eigenen Mitglieder, die dank Investitionen in Infrastruktur und Innovation in die Bresche gesprungen sind. Wir sollten uns daher die grundsätzliche Frage stellen, ob wir in Deutschland ein effektives, digitales System für eine spezielle Therapieform präferieren. Damit einher geht eine radikal Patienten zentrierte Sichtweise.“

Für den aktuellen Report, „Das Cannabis-Barometer: Vorteile der Spezialisierung und Digitalisierung deutscher Apotheken“ hatte aposcope im Auftrag von Bloomwell im August deutschlandweit 151 Apotheker:innen und 150 PTA befragt.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

APOTHEKE ADHOC Debatte