Gefährlicher Hype

SkinnyTok: „Dünne Mädchen essen kein Frühstück“

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Berlin -

Essstörungen sind bei jungen Menschen ein brisantes Thema. Social Media kann gefährliche Trends verstärken und die Schwelle zu einem gestörten Essverhalten senken. Umso wichtiger sind frühzeitige Orientierung, sensible Gesprächsangebote – und leicht zugängliche Anlaufstellen wie die Apotheke vor Ort. Welche Formen einer Essstörung gibt es? Ein Überblick.

Bei Social-Media-Bewegungen wie SkinnyTok oder Pro Ana werden Sätze wie „Nichts schmeckt so gut, wie sich dünn sein anfühlt“, „Essen ist Schwäche, Erbrechen ist Stärke“ oder „Skinny Girls don't eat breakfast“ mantramäßig in die Köpfe der Konsument:innen eingebrannt. Magersucht oder Bulimie werden verharmlost und als erstrebenswert dargestellt. Oft identifizieren sich vor allem junge Menschen mit diesen als Lifestyle propagierten Verhaltensmustern und rutschen in gefährliche Essstörungen ab.

Die Hauptformen

Folgende Formen gelten als diagnostisch abgegrenzte Essstörungen. Die Behandlung erfolgt in der Regel interdisziplinär, beispielsweise im Rahmen psychotherapeutischer, ernährungsmedizinischer und gegebenenfalls medikamentöser Maßnahmen.

  • Magersucht (Anorexia nervosa)
    • Starkes Untergewicht durch selbst herbeigeführte Gewichtsreduktion, z. B. durch Nahrungsverweigerung, exzessiven Sport oder den Ausschluss bestimmter Nahrungsmittelgruppen
    • Intensive Angst vor Gewichtszunahme und gestörte Körperwahrnehmung
    • Zwei Ausprägungen: restriktiver Typ (ohne regelmäßige Essanfälle) und Binge-Eating/Purging-Typ (mit wiederholtem Erbrechen oder Einsatz von Abführmitteln nach Essanfällen)
    • Mögliche körperliche Begleiterscheinungen wie Zyklusstörungen, Kreislaufprobleme oder Knochendichteverlust
  • Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa)
    • Wiederholte Episoden von Essanfällen mit Kontrollverlust
    • Kompensatorisches Verhalten nach den Anfällen, z. B. Erbrechen, Fasten, Abführmittelgebrauch oder exzessiver Sport
    • Körpergewicht meist im Normbereich
    • Häufig intensive gedankliche Beschäftigung mit Gewicht, Figur und Essverhalten
  • Binge-Eating-Störung (BES)
    • Wiederkehrende Essanfälle ohne kompensatorisches Verhalten
    • Kontrollverlust während der Anfälle, häufig begleitet von Scham- und Schuldgefühlen
    • In vielen Fällen erhöhtes Körpergewicht
    • Mögliche psychische Begleiterkrankungen wie depressive Verstimmungen oder Ängstlichkeit

Handlungsempfehlungen von Expert:innen

Der Einfluss sozialer Medien auf das Essverhalten junger Menschen ist laut Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit (BIÖG) deutlich spürbar. Viele Betroffene schildern ein ausgeprägtes Kontrollbedürfnis, Schuldgefühle und belastende Erwartungen an sich selbst. „Die Inhalte dieser Kanäle hinterlassen Spuren: in der Sprache, in den Erwartungen an sich selbst, im Umgang mit Hunger und Genuss“, betont die Pressesprecherin des BIÖG.

Deswegen verfolgt das Institut eine präventive und beratungsorientierte Strategie im Umgang mit Essstörungen. Betroffene, Angehörige sowie Fachkräfte finden auf den Portalen des BIÖG wissenschaftlich geprüfte Informationen zu Anorexie, Bulimie, Binge-Eating-Störung und Mischformen.

Neben Hintergrundwissen zu Symptomen, Auslösern und Verläufen werden auch konkrete Handlungsempfehlungen angeboten – digital, als Printmaterial oder über Videos und thematische Handreichungen.„Viele Ratsuchende stehen am Anfang, haben einen vagen Verdacht oder einfach das Gefühl, dass etwas nicht stimmt – dafür braucht es niedrigschwellige, seriöse Angebote“, erklärt eine Sprecherin des BIÖG.

Apotheke als Anlaufstelle

Apotheken können eine niedrigschwellige Anlaufstelle sein – insbesondere, wenn erste Auffälligkeiten geäußert oder beobachtet werden. Apothekenteams haben die Möglichkeit,

  • aufmerksam auf ungewöhnliche Gesprächssituationen oder Hinweise im Beratungsalltag zu reagieren
  • geeignetes Informationsmaterial bereitzuhalten oder aktiv anzubieten
  • Materialien zur freien Mitnahme sichtbar auszulegen
  • behutsam ein Gespräch anzubieten, ohne zu bewerten oder zu drängen
  • auf weiterführende Beratungs- und Hilfsangebote des BIÖG hinzuweisen
  • Angehörige oder Bezugspersonen zu ermutigen, erste Schritte nicht aufzuschieben

„Es melden sich oft Eltern oder enge Bezugspersonen, die spüren, dass sich etwas verändert hat, aber nicht genau benennen können, was“, betont die Sprecherin des BIÖG. „Gerade in diesen Situationen ist es entscheidend, das Gespräch nicht aufzuschieben.“

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